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When dreams come true. Die Fans der San Francisco 49ers freuen sich auf den Super Bowl.

© Marcio Jose Sanchez/dpa

Super Bowl gegen Kansas City: Wie sich San Francisco als NFL-Favorit entpuppt hat

Die San Francisco 49ers galten als chronisches Verliererteam – nun treffen sie im Super Bowl auf die Kansas City Chiefs. Auch dank John Lynch.

Neulich ist John Lynch nach seiner wichtigsten Personalentscheidung der jüngeren Vergangenheit gefragt worden. Der General Manager der San Francisco 49ers, dem von Berufs wegen die Kaderplanung des Klubs aus der US-amerikanischen National Football League (NFL) obliegt, musste nicht lange überlegen. Seine Wahl fiel auf: Jimmy Garoppolo.

Der Quarterback hatte lange Zeit ein recht einsames Dasein als Ersatzmann bei den New England Patriots gefristet, weil Star-Quarterback Tom Brady auch im fortgeschrittenen Alter von 42 Jahren keinen Gedanken ans Karriereende verschwendet.

Gut gelaunt. Jimmy Garoppolo (M.) von den San Francisco 49ers.
Gut gelaunt. Jimmy Garoppolo (M.) von den San Francisco 49ers.

© Wilfredo Lee/dpa

Garoppolo schmorte also auf der Bank – bis der Anruf aus San Francisco kam. „Jimmy hat uns und unserer Organisation geholfen, sofort besser zu werden“, sagt Lynch, damals am anderen Ende der Leitung, rückblickend. „Er ist ein echter Siegertyp.“

Siegertypen verpflichten, Spieler vom Abstellgleis holen, eine Mannschaft kontinuierlich verstärken und aufbauen – in dieser Hinsicht hat Lynch zuletzt überragende Arbeit geleistet. Als er seinen Posten in San Francisco antrat, zählten die 49ers zu den schlechtesten NFL-Teams: Die Saison 2018/19 beendete der Klub mit vier Siegen bei zwölf Niederlagen, nur die Arizona Cardinals hatten seinerzeit eine noch miesere Bilanz.

Ziemlich genau zwölf Monate später haben die 49ers ihre unverhoffte Verwandlung vom chronisch schlechten Verlierer-Team zu einem echten Titelfavoriten abgeschlossen. In der Nacht zu Montag treffen sie beim Super Bowl in Miami auf die Kansas City Chiefs (ab 22.45 Uhr live auf ProSieben und www.ran.de).

Was nach einem Sportmärchen US- amerikanischer Prägung klingt, ist im American Football durchaus Normalität. In keiner anderen Liga der Welt können sich die Kräfteverhältnisse so schnell, radikal und nachhaltig verschieben wie in der sechsmonatigen NFL-Pause von Anfang Februar bis September. Trotzdem sagt Lynch: „Wenn uns jemand vor einem Jahr als Super-Bowl-Teilnehmer getippt hätte, hätte ich ihn persönlich für verrückt erklärt.“

Das Duell. San Francisco 49ers gegen Kansas City Chiefs.
Das Duell. San Francisco 49ers gegen Kansas City Chiefs.

© David J. Phillip/dpa

In der Aussage des General Manager schwingt indirekt auch eine gehörige Portion an berechtigtem Eigenlob mit: Ohne Lynch, das ist jedem Football-Fan im Sonnenstaate Kalifornien und darüber hinaus klar, stünden die 49ers niemals im Finale.

Im Gegensatz zu vielen seiner Managerkollegen hat der 48-Jährige nicht den schnellen, einfachen Weg gewählt und einen oder zwei vermeintliche Superstars verpflichtet. Lynch modifizierte den Kader der 49ers nach seinem Dafürhalten, wie beim Bau eines Haus begann er mit einem soliden Fundament, sprich: mit der Verpflichtung ganz schwerer Jungs wie etwa den Verteidigern DeForest Buckner, Arik Armstead oder Nick Bosa.

Bosa steht stellvertretend für das gute Händchen, das Lynch bei der alljährlichen Talentwahl bewies, dem Draft: Bosa ging an zweiter Position über den Ladentisch und stellte direkt in seiner ersten Profisaison unter Beweis, dass er zu den dominantesten Verteidigern der Liga gehört.

Lynch verstärkte obendrein die sogenannte Offensive Line – also jenen Mannschaftsteil, der ebenfalls aus extrem schweren Jungs besteht, die wiederum Lücken für den Running Back freiblocken sollen und als eine Art Leibgarde des Quarterbacks fungieren.

Offensivkonzept basiert auf Laufspiel

Überhaupt basiert das Offensivkonzept der Kalifornier auf ihrem Laufspiel: Im Halbfinale gegen die Green Bay Packers warf Jimmy Garoppolo im gesamten Spiel ganze acht Pässe – so viele wie andere Quarterbacks in einer einzigen Angriffssequenz. San Francisco gewann trotzdem relativ locker mit 37:20; bereits zur Pause hatte das Team von Kyle Shanahan, dem Sohn des legendären NFL-Trainers Mike Shanahan, mit 27:0 geführt.

Mit dieser Herangehensweise konterkarieren die 49ers im Grunde ihr Erfolgsrezept früherer Tage. Zwischen 1981 und 1994 gewann der Klub insgesamt fünf Super Bowls und stieg zu einem der bekanntesten und ruhmreichsten NFL-Unternehmen auf.

Drei der fünf Titel verantwortete ein gewisser Bill Walsh. Der 2007 verstorbene Coach gilt als Begründer der sogenannten „West Coast Offense“ – einem Angriffskonzept, das auf kurzen Pässen, exakten Laufwegen und variablen Formationen beruht, das den Gegner wiederum dazu zwingt, die komplette Breite des Footballfeldes zu verteidigen.

In den 80er Jahren, als American Football mitunter an brutale Straßenkämpfe erinnerte und noch von extremen Verteidigungsreihen geprägt wurde, war Walshs Ansatz so revolutionär wie erfolgreich. Das Konzept der „West Coast Offense“ wird von einigen NFL-Teams bis zum heutigen Tag angewandt – zum Beispiel von den Kansas City Chiefs, dem Gegner der 49ers bei der 54. Auflage des Super Bowls in der Nacht zu Montag.

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