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Thomas Müller frustriert.

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Update

Südkorea gegen Deutschland 2:0: Der Untergang des Weltmeisters

Deutschland überzeugte nur mit gepflegter Langeweile und scheitert erstmals bei einer WM in der Vorrunde.

Die letzten Minuten liefen in der Kasan-Arena, die deutsche Mannschaft stürmte mit allem, was Beine hatte. Südkorea hielt irgendwie das 0:0. Weil Schweden zeitgleich im Parallelspiel gegen Mexiko 3:0 führte, musste ein Tor her für die Deutschen zum Weiterzukommen, ein einziges. Thomas Müller, Mario Gomez, Timo Werner, Marco Reus, Julian Brandt alles, was irgendwann schon mal ein Tor getroffen hat, war auf dem Feld. Dafür fehlte hinten sämtliche Absicherung. Und so hatte es Young-Gwon Kim kurz vor Schluss sehr viel einfacher, es den Deutschen vorzumachen und ein Tor zu erzielen. Und weil noch etwas Zeit blieb und sogar Torwart Manuel Neuer stürmte, erzielte Heung-Min Son auch noch ein zweites. Für Südkorea. Die deutsche Mannschaft war geschlagen, sie sank zu Boden.

Und so wird dieser schwülwarme Spätnachmittag in der Tatarenstadt Kasan als ein schwarzer Fleck in der an Ruhm und Glanz reichhaltigen Geschichte des deutschen Fußballs eingehen. Nach dem 0:2 (0:0) in einer letztlich schwachen wie enttäuschenden Vorstellung vor 41 835 Zuschauern in der Kasan-Arena scheitert der Weltmeister bereits in der Vorrunde dieser Weltmeisterschaft und wird heimreisen. Diese an Peinlichkeit kaum zu überbietende Blamage ist bisher noch nie einer Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes gelungen. Und damit wird man auch den Namen Joachim Löw verbinden. Der 58-Jährige hatte die deutsche Mannschaft vor vier Jahren zum WM-Titel geführt und ist jetzt mit ihr krachend gescheitert.

Der Frust war dementsprechend groß unmittelbar nach dem Spiel. „Das ist ganz schwierig in Worte zu fassen. Wir haben bis zum Schluss daran geglaubt. Wir haben den Ball heute einfach nicht ins Tor gebracht“, sagte Innenverteidiger Mats Hummels und fügte enttäuscht an: „Das letzte überzeugende Spiel, das wir abgeliefert haben, war im Herbst 2017. Das ist lange her. Das ist heute ein ganz, ganz bitterer Abend für uns und alle.“ Auch der beim Turnier in Russland glücklose Thomas Müller war tiefenttäuscht. „Wir sitzen alle im Verliererboot und können deswegen keine Ansprüche anmelden und die Klappe aufreißen.“

Müller saß im Gegensatz zu den ersten beiden Gruppenspielen der Deutschen zu Beginn auf der Ersatzbank. Für ihn kam Leon Goretzka zu seinem WM-Debüt. Das durfte gestern auch Niklas Süle begehen, der den gesperrten Jerome Boateng ersetzte. An seiner Seite spielte sein Bayern-Kollege Mats Hummels, der wiederum seinen Vertreter aus dem Schweden-Spiel, Antonio Rüdiger, verdrängte. Und schließlich gab Löw seinen beiden Weltmeistern, Sami Khedira (für den verletzten Sebastian Rudy) und Mesut Özil (für Julian Draxler), eine Bewährungschance.

Der 29-jährige Özil löffelte zunächst vor dem eigenen Tor einem einschussbereiten Südkoreaner den Ball vom Fuß, das Spiel war keine drei Minuten alt. Özil als Gestalter war spielfreudig und agil, so, als wollte er beweisen, dass es ein Fehler war, ihn beim vergangenen Spiel gegen Schweden weggelassen zu haben.

Grindel: "Uns war vor dem Turnier bewusst, dass wir nach der WM einen Umbruch brauchen"

Die meisten Angriffe fädelten Özil und Toni Kroos ein. Doch zu sehr war das Spiel des Titelverteidigers auf Sicherheit bedacht. Oft fehlte es dem deutschen Team an Tempo und Tiefe, ihr Tun wirkte oft träge und bieder. Ihrem Spiel mangelte es an Risikobereitschaft, an Ideen und an Power.

Und so wurden die Asiaten mutiger. Nach 20 Minuten konnte Manuel Neuer erst im Nachfassen einen eigentlich harmlosen Freistoß der Südkoreaner aus 28 Metern Entfernung klären. Wenig später drosch Heung-Min Son, Südkoreas Bester, den Ball nur knapp über das deutsche Tor.

Die Asiaten versuchten, viele Dinge im Schwarm zu lösen, am Mann waren sie ziemlich aggressiv. Das gefiel dem Favoriten zusehends weniger. Erst kurz vor dem Halbzeitpfiff meldete sich Deutschland zurück im Spiel. Pech hatte Timo Werner, als seinem Torschuss nach einem Pass von Özil ein Bein im Weg stand. Die folgende Ecke brachte nichts ein.

Es war warm und schwül in Kasan, die deutschen Spieler nutzten jede sich bietende Gelegenheit, um zu trinken. Doch in der ersten Halbzeit trugen sie über weite Strecken gepflegte Langeweile vor. Zu selten drangen sie tief und damit gefährlich in die Hälfte des Gegners ein. Kurz, es war ein mauer erster Abschnitt. Und das gegen einen Gegner, der seine beiden WM-Spiele verloren hatte.

In der Kabine dürften ein paar klare Worte gefallen sein, von wem auch immer. Löws Mannschaft erhöhte den Druck auf das gegnerische Tor, weil es nun mit mehr Risiko und Verve unterwegs war. Zudem brachte Löw nach einer knappen Stunde in Mario Gomez einen zusätzlichen Stürmer für den defensiven Mittelfeldspieler Khedira. Vielleicht lag es auch daran, dass Schweden zu diesem Zeitpunkt in Führung lag und Deutschland somit draußen war. Wenige Minuten nach der Einwechslung von Gomez kam auch Müller für Goretzka ins Spiel. Die Schweden führten jetzt schon 2:0.

Die deutsche Mannschaft drückte nun auf das eine Tor, das vielleicht siegbringende, das reichen würde. Denn Schweden führte inzwischen 3:0. Aber das eröffnete den Südkoreanern auch immer wieder Möglichkeiten zu Gegenstößen.

Die Spieluhr lief gegen die Deutschen. Erst scheiterte Gomez mit dem Kopf, kurz darauf verpasste er eine scharfe Hereingabe von Joshua Kimmich. Löw durchtigerte seine Coaching-Zone, dann brachte er auch noch Julian Brandt. Mehr Offensive ging nicht, viel weniger Absicherung aber auch nicht. Aber das war nicht mehr entscheidend. Deutschland brauchte ein Tor, doch es fiel nicht mehr. Und so schlurften die deutschen Spieler mit hängenden Köpfen vom Feld. „Ich will nicht über Joachim Löw spekulieren. Ich kann nur sagen, dass uns vor dem Turnier bewusst war, dass wir nach der WM einen Umbruch brauchen“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel unmittelbar nach dem Ausscheiden. Nun dürfte der größer ausfallen, als ihm lieb war.

Alle Entwicklungen zum deutschen WM-Aus in unserem Liveblog.

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