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Kugelstoßerin Christina Schwanitz muss viel trainieren, um große Weiten zu erzielen. Auch wenn sie finanziell damit keine großen Sprünge machen kann, ist sie dennoch zufrieden mit ihrem Leben.

© dpa

Studie: Viele Spitzensportler verdienen unter dem Mindestlohn

Topathleten in Deutschland müssen für ihren Sport viel investieren, davon leben können sie oft nicht. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Deutsche Spitzensportler sind oft keine Spitzenverdiener. Für ihren Zeitaufwand für Sport, Beruf und Ausbildung haben sie im Schnitt monatliche Einnahmen zur Verfügung, die unter dem Mindestlohn von den bis zum 1. Januar 2019 festgelegten 8,84 Euro pro Stunde liegen.

Dies ergab eine in Berlin vorgestellte Studie zur Lebens- und Einkommenssituation von Spitzensportlern in Deutschland, an der 1087 von der Stiftung Deutsche Sporthilfe geförderte Athleten teilgenommen haben.

„Wir haben die Studie gemacht, um den Finger in die Wunde zu legen“, sagte Sporthilfe-Vorsitzender Michael Ilgner am Donnerstag.

Die deutschen Topathleten haben im Schnitt eine 56-Stunden-Woche, in der sie knapp 32 Stunden für die Ausübung ihres Sports und weitere 24 Stunden für Berufstätigkeit, Arbeit, Ausbildung und Lernen aufwenden. Dieser Zeitaufwand ist mit Bruttoeinnahmen von im Mittel 18 680 Euro pro Jahr verbunden, dies sind 1560 Euro im Monat.

Diese Einnahmen stammen zu rund 25 Prozent aus privaten Quellen – von Eltern, Verwandten oder Bekannten –, aus eigener Ausbildungsförderung oder beruflicher Tätigkeit der Athleten. Verbindet man die monatlichen Einnahmen und den Zeitaufwand für Sport, Beruf und Ausbildung, so würde dies laut Studie einem Stundenlohn von 7,41 Euro entsprechen. Dieser sei nur unwesentlich höher als der durchschnittliche Stundenlohn von 7,38 Euro aus dem Jahr 2009.

Dennoch sind die Topathleten in Deutschland laut der Studie recht zufrieden mit ihrem Leben

„Der Spitzensport in Deutschland produziert öffentliche Güter: nationale Repräsentation, Stolz, Glücksempfinden und Vorbilder“, heißt es im Fazit der Studie. Doch während bei den meisten öffentlichen Gütern, wie Verteidigung oder Straßenbeleuchtung, der Steuerzahler alles zahle, finanzierten die Leistungssportler und ihre Familien zu einem großen Anteil die von ihnen produzierten, öffentlichen Güter selbst. Die davon profitierende Gesellschaft sei sich „über diese Produktionslogik“ nicht im Klaren: „Sie überschätzt die Einkommen der Spitzensportler massiv.“

Der Spitzensportler-Verdienst werde laut Studie von der Bevölkerung auf rund 8800 Euro pro Monat geschätzt, tatsächlich betrug er 2009 für Sporthilfe-Geförderte 626 Euro. Im Schnitt beziehen die unterstützten Sportler im vergangenen Jahr 550 Euro Sporthilfe pro Monat. „Unser Ziel sind 1000 Euro“, sagte Ilgner. Es gehe bei der Unterstützung auch um den „Respekt vor Leistung und Risiko“.

Dennoch sind die Topathleten in Deutschland laut der Studie recht zufrieden mit ihrem Leben – der Mittelwert liegt bei 7,4 auf einer Skala von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden). Dagegen fällt die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen mit einem Mittelwert von 5,0 geringer aus.

„Ich habe das große Glück, Soldat sein zu dürfen. So lange ich Sport mache, bin ich daher abgesichert und muss mir keine Sorgen machen“, sagte Kugelstoßerin Christina Schwanitz. „Ich kann mein Auto und mein täglich Brot bezahlen.“ Als Leistungssportler müssten sich heute aber alle fragen: Investiere ich in meine Ausbildung oder meinen Beruf – oder in meinen Job als Leistungssportler.

Athletensprecher Marc Zwiebler, ehemaliger Badminton-Europameister, hatte in seiner aktiven Zeit selbst über ein vorzeitiges Karriereende wegen beruflicher Sorgen nachgedacht. Unter einer Sport-Karriere würden das Familienleben und die berufliche Ausbildung leiden: „Die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag ist enorm“. (dpa)

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