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Tennis rockt. Der 21-jährige Stefanos Tsitsipas trägt die Haare lang und spielt sein Tennis klassisch mit einer einhändigen Rückhand. Foto: Tony O’Brien/Reuters

© Action Images via Reuters

Stefanos Tsitsipas erreicht Endspiel der ATP-Finals: Ein griechischer Traum wird wahr

Stefanos Tsitsipas hat nach einem Sieg über Roger Federer bei den ATP-Finals das Finale erreicht. Dabei stand seine Karriere mehrfach auf der Kippe.

Stefanos Tsitsipas hatte großes Glück. „Ich war ein, zwei Atemzüge vom Tod entfernt“, hat der griechische Tennisstar einmal über ein traumatisches Erlebnis in seiner Jugend erzählt. Nach einem Turnier auf Kreta wäre er beinahe im Meer ertrunken, sein Vater konnte ihn seinerzeit gerade noch retten. Das Erlebnis hat ihn geprägt: „Als ich damals unter den Wellen war, ich erfolglos versuchte, aufzutauchen und Luft zu bekommen, ging mir mein ganzes Leben durch den Kopf“, sagte der heute 21-Jährige kürzlich in einem Interview in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ). Er habe gedacht, seine Träume nie verwirklichen zu können.

Es ist anders gekommen. Tsitsipas hat es zum Tennisprofi gebracht. Viele meinen, zum aufregendsten der jungen Generation. Bei seiner ersten Teilnahme an den ATP-Finals in dieser Woche in London hat er es gleich bis ins Halbfinale geschafft, dort besiegte er am Samstag sein großes Idol Roger Federer mit 6:3 und 6:4. Den Aufstieg in die Weltspitze hatte er aber schon vorher geschafft. Dabei ist es gerade einmal ein Jahr her, dass er das „Next-Gen“-Finale der besten Nachwuchsspieler gewann.

Tsitsipas gewann vor einem Jahr das Next-Gen-Finale

Zwölf Monate später zählt Tsitsipas schon zu den Etablierten. Der Weg dahin war allerdings nicht frei von Hindernissen. Und auch das hatte mit Roger Federer zu tun. Den Schweizer bezwang Tsitsipas im Januar bei den Australian Open im Achtelfinale, spätestens mit diesem Sieg wurde er weltweit bekannt. „Für mich ist heute ein Traum wahr geworden, es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt“, sagte er nach dem Triumph. Der Sieg brachte allerdings auch Druck mit sich. „Ich war von einem Moment auf den andern ein anderer Mensch geworden. Und ich fühlte mich nicht mehr wohl in meiner Haut“, berichtete Tsitsipas in der „NZZ“ über die wachsenden Erwartungen an ihn.

Die folgenden Monate verliefen für den Sohn eines Griechen und einer russischen Tennisspielerin eher mittelprächtig. Nach einer ordentlichen Sandplatzsaison wollte ihm anschließend wenig bis gar nichts mehr gelingen. In Wimbledon und bei den US Open scheiterte er jeweils in der ersten Runde – und drohte die Lust am Tennis zu verlieren. Der Sport begann ihn zu langweiligen, er ging nicht mehr mit Freude auf den Platz, sondern weil er musste. Andere Profis machen derartige Erfahrungen eher am Ende ihrer Karriere, Tsitsipas erwischte es schon nach kurzer Zeit in der Weltspitze.

Nach dem Scheitern in New York gönnte er sich noch in der US-Metropole eine spontane Auszeit, tat Dinge, für die er zuvor als Tennisprofi keine Zeit mehr hatte. Er erkannte, dass es im Leben mehr gibt als nur den Sport – und fand danach wieder zu sich selbst. „Ich bin sicher, dass ich die Krise brauchte, um heute dazustehen, wo ich bin“, erzählte er der „NZZ“. Die nackten Zahlen sagen, dass er zu den besten zehn Spielern der Welt gehört, er selbst hat noch Probleme damit, diese Tatsache zu realisieren: „Ich habe dieses Turnier früher im Fernsehen verfolgt und davon geträumt, hier auch einmal zu spielen. Deswegen bedeutet es mir auch so viel, dass ich das jetzt geschafft habe“, sagte er in London.

Im Sommer hatte Tsitsipas phasenweise keine Lust mehr auf Tennis

Dank seines erfrischend offensiven Spielstils hat Tsitsipas schon viele Fans gewonnen. Die Rückhand spielt er einhändig wie Vorbild Federer, er schlägt gut auf und sucht insbesondere mit seiner starken Vorhand immer wieder den direkten Punkt. Dazu kommt sein Äußeres, mit den langen Haaren und dem Mehr-Tage- Bart erinnert er eher an einen Rockstar als an einen Tennisprofi. Die Männertour darf sich glücklich schätzen einen wie Tsitsipas zu haben, denn die Federers, Nadals und Djokovic werden nicht mehr ewig spielen. „Wir sind die Zukunft und werden diejenigen sein, die die Stadien füllen“, sagte er in London über die neuen Gesichter im Tennis. Dabei klang er wie jemand, der diese Rolle gern ausfüllt.

Der Druck wird künftig für Tsitsipas aber sicherlich nicht geringer werden. Seine Familie hilft ihm dabei, damit umzugehen. Sein Vater Apostolos trainiert ihn seit er drei Jahre alt ist, an der Akademie von Patrick Mouratoglou in Nizza wurde er geformt. Auch seine drei Geschwister spielen Tennis, über sein Leben hat Tsitsipas die Welt lange über die sozialen Netzwerke teilhaben lassen. Seit Sommer allerdings ist das anders. Es wurde ihm zu anstrengend, ständig Videos für seinen Youtube-Kanal zu produzieren. Auch, weil er darin zu viel von sich selbst preisgab, wie er der „NZZ“ erzählte.

In den Tagen von London wirkt Stefanos Tsitsipas gereift, er hat 2019 so viele Erfahrungen gesammelt wie mancher Gleichaltrige nicht in einem Jahrzehnt. Gut möglich, dass ihn das nur noch stärker macht. Für den Tennissport wäre das sicherlich nicht die schlechteste Nachricht.

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