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Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz im Olympiastadion.

© imago/Sebastian Wells

Stadionpläne und Mitgliederversammlung: Herthas schwierige Suche nach einem Investor

Berlins Bundesligist will sich ein neues Stadion bauen. Erneut sollen potente Geldgeber Hertha auf die Sprünge helfen. Nicht alle Fans sind davon begeistert. Sie fürchten, ihr Verein verkaufe sich.

Kommenden Juli wird feste gefeiert. Hertha BSC wird stolze 125 Jahre alt. Gegründet noch als Berliner Fußball Club Hertha 1892. Eine Woche lang wird es hoch hergehen rund um den Verein. Doch wie viel Verein wird Hertha dann noch sein?

Hertha hat kurz vor der Mitgliederversammlung an diesem Montag seine Mitgliederschaft in Wallung versetzt. Die Debatten um eine neue, reine Fußballarena sind alt, aber noch nie war es dem Verein so ernst. „Der Auftrag an die Architekten ist nicht nur raus, es gibt die ersten Vorstudien“, sagt Werner Gegenbauer. Im Januar, spätestens Februar werde der Klub die Ergebnisse der Vorstudien und mögliche Standorte vorstellen, sagte Herthas Präsident: „Dann müssen wir reden.“

Dazu passen die Aktivitäten im Hintergrund. Gerade erst waren die beiden Geschäftsführer, Michael Preetz und Ingo Schiller, für ein paar Tage in Hongkong. Ein neues Fußballstadion, selbst hinter der Stadtgrenze, könnte Hertha nie selbst finanzieren. Auch deshalb bemüht sich der Verein intensiv um den Einstieg eines zweiten großen Investors und würde dann im großen Stil Anteile an der ausgelagerten Profifußballabteilung verkaufen.

Bisher hält der US-Investor Kohlberg Kravis Roberts & Co. L.P. nur 9,7 (KKR) Prozent der Anteile – eine Minderheitsbeteiligung. Doch das soll sich ändern. Droht jetzt die Komplettübernahme? Verscherbelt der Verein seine Seele, wie es Kritiker sagen? Für sie ist die Profiabteilung das einzig nennenswerte Wertobjekt des Stammvereins.

Vor 15 Jahren hatte der Klub den Profibereich der Fußballabteilung in eine Kapitalgesellschaft auf Aktien – die Hertha BSC GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, kurz Hertha BSC KGaA – ausgegliedert. Bis Januar 2014 hielt der Stammverein, also der Hertha BSC e.V., 100 Prozent der Anteile der KG.

Verkauft Hertha über 50 Prozent seiner Anteile?

Auffallend oft hat Herthas Vereinsführung in den vergangenen Wochen auf den wirtschaftlichen Abstand zu den Größen der Branche hingewiesen. Auch deshalb treibt Hertha die Planungen zum Stadionneubau voran. Allein mit dem Spiel auf dem grünen Rasen lässt sich kein großes Geld verdienen, es sei denn, man erreicht die Champions League. Und so bleibt oft nur der Verkauf von Unternehmensanteilen, um an frisches Kapital zu kommen.

Längst haben alle großen deutschen Fußballklubs ihre Profiabteilungen ausgegliedert. Schalke 04 und der VfB Stuttgart bilden Ausnahmen. Einige starten als GmbHs, wie die Werksklubs und Sonderfälle Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig, drei starten als Aktiengesellschaft (FC Bayern, Frankfurt, HSV). Aber wie Hertha haben sich die meisten Vereine für die Mischform GmbH & Co. KGaA entschieden. Ein Teil von ihnen hat bereits mehr als 50 Prozent ihrer Unternehmensanteile verkauft. Sie halten aber weiterhin mehr als 50 Prozent der Stimmanteile, um die 50+1-Regel zu erfüllen. Nach dieser ist es Kapitalanlegern zwar möglich, die Mehrheit des Kapitals zu besitzen, nicht aber die Stimmenmehrheit.

Anders als in England, wo Kapitalgeber die vollständige Kontrolle über die Profimannschaften von Vereinen besitzen. Borussia Dortmund etwa hält an seiner Bundesligamannschaft, die als börsennotierte KGaA ausgegliedert ist, nur noch 5,53 Prozent der Anteile. Über die Borussia Dortmund Geschäftsführer-GmbH hält der BVB 09 e.V. aber 100 Prozent Stimmenanteile. Darauf könnte es auch bei Hertha hinauslaufen.

Ganz unabhängig davon, wie lange die 50+1-Regel im deutschen Profifußball noch bestehen wird, halten es Kritiker für bedenklich, wenn ein Unternehmen die Mehrheit des Kapitals stellt. Als abschreckendes Beispiel gilt der TSV 1860 München. 2011 hat der jordanische Investor Hasan Ismaik 60 Prozent der Unternehmensanteile erworben. Bis heute greift er tief ins Tagesgeschäft ein. Erst am Dienstag wurde auf sein Geheiß hin Trainer Kosta Runjaic entlassen und Geschäftsführer Thomas Eichin entmachtet.

Bei Hertha weiß man um die Vorbehalte der Mitglieder gegen Investoreneinstiege. Zugleich verweist Herthas Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller auf die „sehr guten Erfahrungen“ mit KKR. Dieser Einstieg sei gründlich vorbereitet und umgesetzt worden, bei der Auswahl des Investors sei man mit Sorgfalt vorgegangen, das habe „in der Mitgliederschaft Vertrauen geschaffen“, sagt Schiller.

Noch arbeitet Hertha die Schulden und Sünden der Vergangenheit ab. Gerade eben hat der Verein eine im Herbst 2010 emittierte Anleihe in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro zurückgezahlt. Am Montag wird Hertha auf der Mitgliederversammlung die Zahlen des zurückliegenden Geschäftsjahres präsentieren, die ohne den Einstieg von KKR bei Weitem nicht so freundlich ausgefallen wären. Das war im Januar 2014, als Hertha knapp 40 Millionen Euro Schulden und diverse Rechte sowie eine Beteiligung an künftigen TV-Erlösen (10 Prozent) verpfändet oder ganz verkauft hatte. KKR kaufte nicht nur Anteile, sondern investierte insgesamt 61,2 Millionen Euro in Hertha. Präsident Gegenbauer sprach von einer „bahnbrechenden Vereinbarung für Hertha BSC“.

Hertha wirtschaftet noch nicht profitabel

Für knapp 20 Millionen Euro erwarb KKR 9,7 Prozent der Anteile, rund 34 Millionen flossen Hertha als eine Art Vorfinanzierung künftiger Einnahmen zu. Hierfür bezahlt der Verein dem Investor jährlich eine Art Dividende, die in ihrer Höhe allerdings niedriger ist als die Zinsen, die der Klub für Kredite bei Banken zahlte. Von dem Geld führte Hertha einen Großteil der Schulden zurück und kaufte wieder diverse Rechte zurück, auch die an Catering und Logen und Business-Seats im Olympiastadion. Finanzchef Schiller bezifferte den daraus resultierenden Vorteil auf sieben bis neun Millionen Euro – jährlich.

Doch die Realität sieht noch anders aus. Noch haben sich nicht alle Hoffnungen erfüllt. Der Fehlbetrag im operativen Geschäft lag im Zeitraum 2014/15 bei rund 7,6 Millionen Euro. Der Schuldenstand zum 30. Juni 2015 betrug 15,9 Millionen Euro. Hertha verkauft zu wenige Business-Seats und Vip-Logen, und auch im Bereich der Vermarktung von Fanartikeln stockt es.

Auf der anderen Seite sind die Personalkosten der Profis deutlich gestiegen, allein die Vertragsverlängerungen mit Stammspielern wie Mitchell Weiser, John Anthony Brooks oder Marvin Plattenhardt sind kostspielig. Und auch die Kosten für die neue Image-Kampagne, mit der der Verein die digitale Transformation begleiten und neue Bevölkerungsschichten der Stadt erreichen will, fallen deutlich höher aus.

Bisher hat es der Verein noch nicht geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt hinzulegen, geschweige denn profitabel zu wirtschaften. Ändern könnte sich das, wenn Hertha das Geld aus dem neuen TV-Vertrag erhält, der ab der kommenden Spielzeit gilt. Schiller rechnet mit 20 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Spielzeit. Doch auch dann wird Hertha nicht in der Lage sein, die Vorfinanzierung an KKR zurückzuzahlen. Das würde bedeuten, dass sich die Anteile des Investors von 9,7 auf 33,3 Prozent aufstockten – ohne dass weiteres Geld fließt.

Zu haben wären noch 66 Prozent der Anteile. Die Mitglieder des Vereins werden dazu nicht befragt werden müssen. Über den Verkauf von Anteilen entscheidet der Beirat, der aus dem neunköpfigen Vereinspräsidium besteht. Vom Einstieg eines weiteren Investors würde der Stammverein selbst nichts haben. Im Gegenteil: Er hätte sein einziges Vermögen aus der Hand gegeben. Im Jubiläumsjahr.

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