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Zurück in der Spur: Gina Lückenkemper.

© IMAGO/Eibner

Sprinterin profitiert von harten Trainingsmethoden: Gina Lückenkemper bleibt keine Zeit zum Übergeben

Gina Lückenkemper ist schnell wie lange nicht. Nun kann sie es Kritikern zeigen, die ihr lasches Training und großen Appetit unterstellten.

Für einen Mann wie Lance Brauman zählt nur das Beste. Der 52-Jährige gilt in der Leichtathletik-Szene als Koryphäe, als einer der besten Trainer überhaupt. Wer es von den Sprinterinnen oder Sprintern ganz nach oben schaffen oder oben bleiben will, für den ist das Trainingscamp von Brauman in Clermont im US-Bundesstaat Florida eine gute Adresse. Top-Sprinterinnen wie Tori Bowie oder Shaunae Miller-Uibo zählen zu seiner Kundschaft genauso wie der schillernde Noah Lyles.

Ein weites Stück entfernt von dieser Kategorie ist Gina Lückenkemper, die seit einigen Jahren schnellste Frau Deutschlands. Die 25-Jährige trainiert in regelmäßigen Abständen bei Braumans Gruppe in den USA. Aber warum sich nicht den besten anschließen, auch wenn man selbst nicht dazugehört?

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Die jüngsten Auftritte von Lückenkemper sprechen jedenfalls dafür, dass Brauman der EM-Zweiten von 2018 Beine gemacht hat. Beim Meeting vor zwei Wochen in Wetzlar lief sie über 100 Meter in 11,04 Sekunden ins Ziel, ihre beste Zeit seit fast vier Jahren. Bei den deutschen Meisterschaften an diesem Wochenende in Berlin sind die Erwartungen an Lückenkemper über 100 und 200 Meter groß. Den Leichtathletikfans hierzulande und speziell in Berlin sind ihre begeisternden Auftritte bei der Europameisterschaft vor vier Jahren noch sehr gut in Erinnerung. Und Trainer Brauman lässt auch keinen Zweifel daran, dass Lückenkemper Großes schaffen kann. „Ich gehe fest davon aus, dass sie dieses Jahr eine persönliche Bestzeit laufen wird“, teilt er dem Tagesspiegel mit.

Sollte Brauman recht behalten, wäre das ein fulminantes Comeback einer Sprinterin, die einige Beobachter schon abgeschrieben hatten. Lückenkemper hat schwierige Jahre hinter sich. Vor allen Dingen Verletzungen warfen sie zurück. Ein Wirbel saß schief, Muskelverletzungen folgten und die Corona-Pandemie erschwerte ihren geplanten Neustart bei Braumans Trainingsgruppe. Als Konsequenz daraus blieb Lückenkemper weit hinter ihren Bestzeiten zurück.

Gerade in den sozialen Medien machte sich Häme breit. Sie solle weniger essen und wieder mehr trainieren. Solche Ratschläge wurden ihr in diversen Kanälen gemacht und offenbar von Lückenkemper nicht ignoriert. Mehrfach beklagte sie sich darüber und appellierte an mehr Achtsamkeit. Es sei erschreckend gewesen, was sie in den vergangenen beiden Jahren habe einstecken müssen, sagte sie dem „Münchner Merkur“. „Man ist sofort der Buhmann, wenn es nicht läuft. Ich finde es in solchen Situationen erstaunlich, was sich manche Menschen rausnehmen, über andere Menschen zu urteilen“, sagte sie. „Ich gehe ja auch nicht bei anderen Leuten ins Büro und beurteile Menschen für ihre Leistung im Job.“

"Unser Trainingsprogramm ist vergleichsweise ziemlich intensiv"

Für Lance Brauman ist die Kritik an ihrer Person wegen der Verletztenmisere ohnehin großer Quatsch. „Erst seit diesem Jahr kann sie voll in unserem Programm mitmachen und schon jetzt sehen wir, dass es funktioniert“, teilt er mit. Brauman lässt weniger, dafür härter trainieren, als das in Europa und speziell in Deutschland der Fall ist. Er könne das Trainingssystem in Deutschland nicht genau beurteilen, sagt er. „Aber was ich von den Leuten so höre, ist unser Trainingsprogramm vergleichsweise ziemlich intensiv.“

Im Deutschlandfunk hatte Lückenkemper im vergangenen Jahr von sogenannten Knockout-Trainingstagen berichtet, gelegentliche Einheiten, die für die Athletinnen und Athleten Grenzerfahrungen darstellten. Mehrere Sprints in kürzester Abfolge werden dann absolviert. Sie hätte sich dabei fast übergeben, sagte sie. „Aber die Zeit zum Übergeben war gar nicht, weil wir ja nach einer Minute schon weiterlaufen mussten.“

Nun genießt Lance Brauman in der Leichtathletik-Szene einen guten Leumund. Doch seine Vergangenheit ist alles andere als skandalfrei. So musste er Ende 2006 eine zehnmonatige Haftstrafe im US-Bundesstaat Texas absitzen, weil er talentierten Sportlern am College illegale Stipendien verschaffte. Zu jener Zeit war Brauman Coach von Tyson Gay, der damals größten Sprinthoffnung der Welt. 2013 wurde Gay wegen Dopings gesperrt. Brauman wollte von den Betrügereien seines Schützlings nichts gewusst haben. Auch Gay beteuerte, dass Brauman nicht in die Dopingpläne eingeweiht gewesen war.

Gina Lückenkemper wird den Hintergrund ihres Trainers kennen und wie viele andere hat sie sich dennoch dafür entschieden, sich von ihm schneller machen zu lassen. Nach Lage der Dinge dürfte der Plan aufgehen. Vielleicht schon am Wochenende in Berlin.

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