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Sportpolitisch durchgefallen: Frank Ullrich.

© imago images/ari

Sportpolitiker Frank Ullrich kaum mehr haltbar: Der schnelle Fall der DDR-Legende

Frank Ullrich war Held der DDR und für ein paar Tage auch der SPD. Jetzt ist er eine Bürde für seine Partei. Sein Rücktritt scheint nah.

Als Biathlet war Frank Ullrich nicht nur extrem zielsicher, er hatte zudem einen äußerst langen Atem. Eine perfekte Kombination, aus der neun Weltmeistertitel sowie ein Olympiasieg resultierten. Errungen hatte er die vielen Erfolge in den Siebzigern und Achtzigern für die DDR, das Land, das wie fast kein anderes seine Ressourcen für den Leistungssport einsetzte. Eine Ressource des Systems war Doping. Und es spricht vieles dafür, dass auch der Ausnahmesportler Frank Ullrich in die Dopingpraktiken eingebunden war.

Das Besondere an Ullrich ist nicht, dass er die wissentliche Einnahme oder – später, in seinen Funktionen als Trainer – die Verabreichung von Doping vehement abstreitet. Spannend an dem Mann aus Thüringen ist, dass er es trotz dieser Vorgeschichte nach ganz weit oben in die bundesdeutsche Sportpolitik geschafft hat. Der SPD-Politiker ist seit Dezember vergangenen Jahres Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestages.

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Nun ist man im Nachhinein immer schlauer, aber sowohl für Ullrich wie für sämtliche Fraktionen, allen voran die der SPD, gerät die Benennung Ullrichs zum ranghöchsten sportpolitischen Vertreter des Deutschen Bundestages immer mehr zum peinlichen Fauxpas.

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Seit Ullrich in Amt und Würden ist, sind plötzlich die alten Stasi-Akten wieder interessant geworden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ machte den Anfang und zitierte einen DDR-Verbandsmediziner, dessen Aussagen eine Verwicklung Ullrichs in das DDR-Dopingsystem nahelegen. An sich nichts Neues, aber angesichts der sportpolitischen Funktion des ehemaligen DDR-Helden wieder hochaktuell. Zumal Ullrich als Sportausschussvorsitzender auch einen Sitz im Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping Agentur hatte, den er jüngst wegen der aufgekommenen Diskussion um seine Person ruhen ließ.

Ullrich gilt als Einzelgänger, als jemand ohne politisches Gewicht

Doch ist es damit getan? Kann ein mutmaßlicher Dopingsünder, auch wenn es Jahrzehnte her ist, dem Sportausschuss im Deutschen Bundestag vorstehen, auf dessen Agenda die Dopingbekämpfung seit vielen Jahren oben steht? Der sportpolitische Betrieb in Berlin wird jedenfalls so langsam hektisch. Wie der Tagesspiegel aus Fraktionskreisen erfahren hat, geht man von einem baldigen Rückzug Ullrichs aus. Nicht nur seine Partei, die SPD, könnte politischen Schaden von der Causa Ullrich davontragen, heißt es, sondern auch die Oppositionsparteien.

„Die jüngste Berichterstattung zu einer möglichen Einnahme von Oral-Turinabol durch Frank Ullrich in seiner Zeit als Biathlet bedarf einer vollständigen und transparenten Aufklärung“, fordert etwa Sportausschuss-Obmann Philip Krämer von den Grünen. Und weiter teilt er dem Tagesspiegel mit: „Hierzu sollte sich Herr Ullrich persönlich gegenüber den Mitgliedern des Sportausschusses erklären, spätestens im Rahmen der nächsten regulären Ausschusssitzung am 27. April.“

Ein bisschen blauäugig wirkt die parteiübergreifende Kritik an Ullrich. Seine Biografie war bekannt, trotzdem wählten ihn die Ausschussmitglieder einstimmig mit nur einer Enthaltung. Auf der anderen Seite: In der politischen Praxis werden die Mitglieder der Ausschüsse von den anderen Fraktionen nicht groß verhandelt. Der Ball liegt also bei der SPD. Die Sozialdemokraten hatten sich bei der Bundestagswahl noch mit Ullrich geschmückt, weil dieser den CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen in seinem Wahlkreis in Thüringen besiegte. Aber aus dem Helden ist inzwischen eine Belastung für die Partei geworden.

Für Ullrich dürfte es schwer werden, seinen Posten als Sportausschussvorsitzender zu behalten. Zumal der 64-Jährige auf dem politischen Terrain ein Novize ist. In seiner kurzen Amtszeit wirkte er in den Sitzungen, so schildern es Beobachter, unbedarft. Auch sein Treffen Ende März in Lausanne mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, wurde kritisiert, weil es angeblich nicht hinreichend mit anderen abgesprochen war. Ullrich gilt als Einzelgänger, als jemand ohne politisches Gewicht.

In der Loipe war Frank Ullrich zu seinen besten Zeiten fast unschlagbar. Nun hat ihn die als Sportler so erfolgreiche, aber auch zwiespältige Vergangenheit eingeholt. Auf höchstem politischem Parkett wird er wohl nur noch wenige Runden drehen dürfen.

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