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Streitobjekt. Deutschlands Ilkay Gündogan wurde in Leverkusen mit Pfiffen bedacht.

© Ina Fassbender/dpa

Sportlicher Aspekt im Hintergrund: DFB-Team wird gegen Saudi-Arabien gleich doppelt überrascht

Die Pfiffe der Fans gegen Ilkay Gündogan und eine schwache Leistung begleiten die WM-Generalprobe der deutschen Nationalmannschaft in Leverkusen.

Joachim Löw schaute sich fragend um. Es dauerte einen Augenblick, bis er realisierte, was da gerade vor sich ging. Die plötzlich auftauchenden Pfiffe, die sich zu einem nicht mehr überhörbaren Protest gegen Ilkay Gündogan verbanden, hatten den Bundestrainer sichtlich überrumpelt. Löw fasste sich kurz auf den Kopf und signalisierte, dass er diese Reaktion nicht fassen konnte – und sie in dieser Intensität für ihn wohl auch überraschend kam.

Die Einwechslung Gündogans in der 57. Minute beim Testspiel zwischen Deutschland und Saudi-Arabien hatte dem Freitagabend in Leverkusen eine ganz andere Atmosphäre verliehen. Von einer freundlichen Zustimmung der anfangs schwungvollen deutschen Elf hin zu einem deutlichen Protest, der die gute Laune innerhalb von Sekunden verpuffen ließ und in einen gereizte Gespanntheit verwandelte.

Löw versuchte dann noch kurz mit einer Gegenreaktion, einem demonstrativen Klatschen in Richtung der Ränge, die Zuschauer umzustimmen. Aber das sollte keine Wirkung zeigen. „Dass ein Nationalspieler alleine so ausgepfiffen wird, hilft niemanden. Ich weiß nicht, was der Ilkay noch machen soll“, sagte der Bundestrainer später. Schließlich habe sich der Spieler der Öffentlichkeit gestellt und unterstrichen, dass er sich vollständig mit den deutschen Werten identifiziere. „Da muss das Thema auch mal abgehakt sein.“

Fans akzeptieren Erdogan-Besuch nicht

Doch den Besuch von Gündogan und Mesut Özil beim türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am 13. Mai in London wollten die Fußballfans, die ins Leverkusener Stadion zum Testspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Saudi-Arabien gekommen waren, nicht so einfach hinnehmen und akzeptieren, wie es sich die Verantwortlichen des DFB wünschen würden. Bereits tags zuvor hatte Teammanager Oliver Bierhoff – noch im Trainingslager in Eppan – erfolglos versucht, das Thema mit einem Anflug einer Basta-Argumentation beenden zu wollen.

Die politische Dimension dieses Besuchs lässt sich aber offenbar nicht so einfach mit ein paar gutmeinenden Worten eindämmen – zumal Özil sich noch gar nicht erklärt hat. Gegen die Saudis fehlte der Mittelfeldspieler mit einer Knieblessur. Und auch ein Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der die Brisanz der Konsultation bereits frühzeitig erkannt hatte, konnte die Wogen der öffentlichen Empörung bislang nicht glätten.

Beifall, der schwer fällt. Bundestrainer Joachim Löw am Freitag.
Beifall, der schwer fällt. Bundestrainer Joachim Löw am Freitag.

© dpa

Löw hatte nach dem Spiel gegen die Saudis eingeräumt, dass „das Thema mehrfach im Trainingslager angesprochen wurde“. Sowohl mannschaftsintern als auch bis zur Verbandsspitze wurde darüber diskutiert. Der Besuch bei Erdogan wurde demnach intern intensiver diskutiert, als es der deutsche Nationalmannschafts-Tross lange eingestehen wollte. „Es hat beide Spieler beschäftigt. Aber jetzt muss mal der Blick nach vorne gerichtet werden. Wir spielen eine WM und ich hoffe, dass beide Spieler das jetzt ein wenig in den Hintergrund drängen können“, sagte Löw.

Diskussion begleitet DFB-Team nach Russland

Fest steht, dass die Nationalmannschaft mit einer weiter schwelenden Diskussion zum Turnier nach Russland fahren wird, was das Unternehmen Titelverteidigung zusätzlich erschweren dürfte. Wie groß die Auswirkungen dieses Fehltritts von Gündogan und Özil auf die gesamte Mannschaft sein können, zeigte das Spiel gegen die Saudis eindrucksvoll. Nach Gündogans Einwechslung lief so gut wie nichts mehr zusammen. Die deutsche Mannschaft verteidigte mit Mühe ihren knappen 2:1-Sieg nach Treffern von Timo Werner und Thomas Müller.

Aufgrund der vielen vergebenen Chancen hätte der Erfolg deutlich höher ausfallen müssen, auch weil sich die Offensive um Marco Reus sichtlich bemühte. Aber die Unruhe und die schlechte Stimmung, die dann von den Tribünen auf den Rasen übertragen wurde, hemmten die deutschen Spieler vor allem in der Defensive.

Die eigentlich schlechte Nachricht des Abends von Leverkusen war, dass der sportliche Aspekt des letzten Testspiels vor der WM in Russland fast vollständig in den Hintergrund gerückt war. „Wir hatten bis zur Einwechslung von Ilkay eine tolle Atmosphäre im Stadion. Es wurde bei gelungenen Aktionen viel gejubelt. Der ganze Fokus von außen lag dann aber nur noch darauf, zu warten, bis Ilkay den Ball hatte, um dann zu pfeifen“, sagte Mats Hummels. „Das hat nicht nur mich überrascht. Damit hatte keiner gerechnet.“

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