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Belen Vosseberg kamzu Beginn dieser Saison nach Berlin, um für das neu gegründete Spandauer Bundesligateam zu spielen. Trainer dort ist Marko Stamm, mit dem Belén Vosseberg seit 2016 auch privat liiert ist.

© Mke Wolff

Spieler-Trainer-Beziehung im Wasserball: „Am Becken ist er emotionaler als zu Hause“

Belén Vosseberg und Marko Stamm über ihre berufliche und private Beziehung, die neue Frauenmannschaft der Wasserfreunde Spandau und die Zukunft im Wasserball.

Frau Vosseberg, wie geht es denn so zu am Abendbrottisch der Familie Stamm?

BELÉN VOSSEBERG: Na, was glauben Sie? Manchmal reden wir über Schwimmen oder die Hunde von Markos Eltern. Aber Thema Nummer eins ist natürlich Wasserball.

Sie sind beide Nationalspieler und oft Deutscher Meister geworden. Markos Vater Hagen Stamm ist eine Ikone des deutschen Wasserballs. Seine Mutter Renate ist bei den Wasserfreunden Spandau 04 für die Schwimm-Abteilung zuständig. Die Idee für die Frauen-Mannschaft soll auch beim Abendbrot entstanden sein.

MARKO STAMM: Stimmt! Zuerst war es eine Schnapsidee. Wir haben vor einem Jahr mit vier Spielerinnen angefangen. Belén war von Beginn an dabei.

Sie haben sich als Trainer zur Verfügung gestellt.

STAMM: Angedacht war es auf Zeit. Ich bin bei der Bundeswehr, hatte frisch meinen Trainerschein gemacht und wollte den nicht nur einstauben lassen. Dann sind ehemalige Schwimmerinnen dazugekommen und einige Spielerinnen, die schon mit Neukölln mal in der Bundesliga waren. Irgendwann haben wir gesagt: Wir melden für die Bundesliga. Jetzt haben wir drei Nationalspielerinnen im Kader.

Welche Rolle hat die private Komponente bei der Entstehung der Frauen-Mannschaft gespielt?

STAMM: Eine sehr wichtige.

Frau Vosseberg, wie ist es denn, den Freund als Trainer zu haben?

VOSSEBERG: Anfangs war das gewöhnungsbedürftig. Aber wir sind uns ziemlich ähnlich, was Wasserball angeht. Wir kontern viel, sind schnell, bewegen uns viel.

Haben Sie beim Training neue Seiten an ihm kennengelernt?

VOSSEBERG: Am Becken ist er emotionaler als zu Hause. Aber das ist genauso, wenn er selbst spielt. Bei unserem ersten Spiel in Chemnitz hat er gleich die Gelbe Karte gekriegt.

STAMM: Das war Absicht, ein taktisches Mittel, um den Schiedsrichtern zu zeigen: Da war was nicht korrekt. Und den Spielerinnen zeige ich, dass ich da bin, sie unterstütze. Ich habe ihnen die Karte vorher angekündigt.

VOSSEBERG: Zehn Sekunden später war sie da.

Wie waren die Reaktionen im Verein, als es um die Idee ging, eine Frauen-Mannschaft für die Bundesliga zu melden?

STAMM: Nicht ganz so enthusiastisch. Der Tenor war: Wir drehen im Verein jeden Cent um und ihr macht eine neue Mannschaft auf. Seid ihr noch ganz bei Trost?

VOSSEBERG: Ich kenne da auch andere Stimmen. Eine Teamkollegin hat mir erzählt, dass sich bei einem Champions- League-Spiel der Männer zwei ältere Zuschauer unterhalten haben und meinten: Die Frauen haben zum Auftakt unentschieden gespielt, da müssen wir unbedingt mal hin.

Das Problem mit dem Geld

Marko Stamm und seine Frauenmannschaft.
Marko Stamm und seine Frauenmannschaft.

© Jürgen Engler

Der Saisonetat bei den Frauen liegt bei 20 000 Euro. Haben Sie die schon beisammen?

STAMM: Die suchen wir noch. Zur Not müssen wir bei meinen Eltern ein bisschen auf die Tränendrüse drücken. Bei der Stamm`schen Verrücktheit würde vielleicht etwas gehen. Aber das ist nicht das Ziel. Wir hoffen, dass sich jemand findet, der in eine Nische investieren will. Der der Meinung ist, dass Männersport genug Sponsoren hat und jetzt die Frauen dran sind.

Bekommen Sie Geld vom Verein?

STAMM: Nein. Will ich auch nicht. Ich habe einen Riesenspaß an der Sache. Das reicht mir.

VOSSEBERG: Wir bekommen die Ausstattung gestellt und die Auswärtsfahrten werden bezahlt.

Wo haben Sie sich eigentlich kennengelernt?

VOSSEBERG: Bei der Europameisterschaft 2016 in Belgrad. Die Hotelzimmer lagen auf demselben Flur. Wir sind bei der EM Achter geworden, ihr Elfter.

STAMM: Wenn die Ergebnisse der Frauen besser sind, weißt du bei dem Thema sehr gut Bescheid.

VOSSEBERG: Ich bin danach zunächst von Berlin nach Krefeld zu Bayer Uerdingen gependelt und letzte Saison nach Hannover zu Waspo.

Spandau 04 und Waspo Hannover – bei den Männern herrscht da eine lange und große Rivalität.

VOSSEBERG: Bei den Frauen ist das viel entspannter.

STAMM: Sie haben Belén in Hannover sehr gut behandelt. Wir haben uns jedoch oft nur einen Tag in der Woche richtig gesehen. Das ist jetzt natürlich eine sehr viel angenehmere Situation.

VOSSEBERG: Ich weiß schon, was ich Spandau 04 zu verdanken habe. Der Verein hat für mich quasi eine Mannschaft aufgebaut. Nun möchte ich etwas zurückgeben.

Wie würden Sie Mädchen den Wasserball schmackhaft machen?

VOSSEBERG: Schwimmen, körperliches Spiel, manches vom Handball, es stecken viele Elemente drin. Es passiert viel im Wasser. Und, natürlich auch wichtig: Zusammen Erfolge feiern, ist das Schönste, was es gibt.

STAMM: Im Wasser spiegeln sich die Charaktere der Spieler wider. Ist jemand eher ruhig, ein taktischer Typ? Oder etwas verrückt? Das erkennst du alles auch im Wasser.

Wie viele Frauenspiele haben Sie gesehen, bevor Sie Ihre Freundin kennengelernt haben?

STAMM: Nicht mehr als eine Handvoll. Rückblickend klingt das ziemlich blöd, aber ich habe damals über Frauen-Wasserball gelächelt. Für mich war das kein Leistungssport. Ich war es gewohnt, schon als Sechsjähriger fünf Mal in der Woche zu trainieren. Meine Schwimm-Vergangenheit hilft mir beim Wasserball bis heute sehr.

VOSSEBERG: Ich kann die Vorbehalte verstehen. Bei uns wurde früher zwei oder drei Tage die Woche trainiert. In einer Familie wie der von Marko, die sich voll dem Leistungssport verschrieben hat, wird das als wenig angesehen. Heute wird aber bei den Frauen in vielen Vereinen zehn Mal oder mehr trainiert.

Und bei Spandau?

VOSSEBERG: Zwölf Mal. Nicht alle sind immer dabei, sie arbeiten oder studieren. Ich absolviere ein Fernstudium, arbeite in der Schwimmhalle Schöneberg im Café und habe ansonsten Zeit.

Herr Stamm, wie viele Spiele der Frauen sind aus der Handvoll geworden?

STAMM: Gut 1000. Bei mir lief zeitweise wochenlang nichts anderes auf dem Bildschirm. So habe ich viel über Taktik gelernt. Es gibt ja doch einige Unterschiede zu den Männern.

Wo liegen die?

VOSSEBERG: Wir überbrücken beispielsweise mit einem Zug beim Schwimmen weniger Raum. Es wird mehr gehalten, weil der Badeanzug mehr Fläche bietet als eine Badehose. Frauen spielen ruppiger. Aber ich kann jedem nur empfehlen, Frauen zu trainieren.

Warum?

VOSSEBERG: Frauen sind disziplinierter und lernbegieriger.

STAMM: Das kann ich bestätigen. Ich habe mal ein männliches Jugendteam trainiert. Wenn ich mich halb umgedreht habe, haben sie gemacht, was sie wollten. Jetzt kommen schon Beschwerden, wenn ich nicht hingucke und schaue, ob alles richtig gemacht wird. Das liegt auch daran, dass viele Spielerinnen leistungsmäßig geschwommen sind. Die sind es gewohnt, professionell zu arbeiten.

Die Mannschaft hat bisher zwei Spiele absolviert: Ein Unentschieden gegen Chemnitz, eine Niederlage gegen Hannover. Wie sieht das Zwischenfazit aus?

VOSSEBERG: In Chemnitz haben zwei Spielerinnen Tore gemacht, für die es das erste Wasserballspiel war. Das hat mich unglaublich gefreut. Wir haben in einem Jahr 20 Spielerinnen gefunden, die Bundesliganiveau haben. Das ist großartig.

STAMM: Natürlich passieren noch viele Fehler, das ist völlig normal. Lässt sich alles abstellen.

Was ist in dieser Saison möglich?

STAMM: Ich sage immer, wir lassen uns überraschen und werden überraschen. Eine Medaille peilen wir an. Wir sind Spandau, wenn wir etwas machen, dann richtig.

Wasserball hat schon bei den Männern hart zu kämpfen um jedes bisschen Aufmerksamkeit. Bei den Frauen dürfte es noch schwerer sein.

VOSSEBERG: Im Moment können wir uns nicht beschweren. Aber insgesamt ist es sehr wenig.

Nervt das oder ist es Gewöhnungssache?

VOSSEBERG: Beides. Zwischenzeitlich stand sogar im Raum, dass wir nicht für die Qualifikation zur EM 2020 gemeldet werden. Das wäre katastrophal gewesen. Wie hätten wir dann noch Mädchen für Wasserball begeistern können? Und für Bundesligaspielerinnen hätte es kaum noch Motivation gegeben ohne Ziele mit der Nationalmannschaft.

Spandau 04 ist der große Name im deutschen Wasserball. Kann vom Engagement im Frauenbereich eine Signalwirkung ausgehen?

STAMM: Das hoffen wir. Oft heißt es, das geht nicht, das bringt nichts. Aber es geht. Ich würde mir wünschen, dass noch zehn weitere neue Mannschaften dazukommen. Wenn fünf durchhalten, hätten wir etwa 100 Bundesligaspielerinnen mehr, was auch der Nationalmannschaft helfen würde.

Was wäre dann der nächste Schritt in Spandau?

STAMM: Wir bräuchten eine Mädchenmannschaft in der Altersklasse U 16.

Und später werden Sie Bundestrainer?

VOSSEBERG: Ach, Marko, ich bin schon von Leuten darauf angesprochen, die fest davon ausgehen, dass Du das bald machst.

STAMM: Abwarten. Erst einmal will ich Erfahrungen als Vereinstrainer sammeln. Aber in der Zukunft, warum nicht…

Davor gibt es noch sportliche Ziele als Aktiver. Zum Beispiel die Olympischen Spiele 2020 in Tokio….

STAMM: Unbedingt. Da wollen wir dabei sein.

Und die Frauen?

VOSSEBERG: Das wird schwer. Oder besser gesagt: Es wäre ein Wunder, wenn wir es schaffen.

MARKO STAMM und BELÉN VOSSEBERG sind beide Wasserball- Nationalspieler und Kapitäne der Bundesligamannschaften von Spandau 04.
STAMM, 30, ist in Berlin geboren und Sohn der deutschen Wasserball-Legende Hagen Stamm, der als Spandauer Präsident und Bundestrainer amtiert. Im September hat er sich mit der Nationalmannschaft beim Weltcup für die WM 2019 in Gwangju/Südkorea qualifiziert.
VOSSEBERG, 21,kommt aus Moers. Sie wurde mit den Wasserballerinnen von Bayer Uerdingen Deutscher Meister und kam über ein Engagement bei Waspo Hannover zu Beginn dieser Saison nach Berlin, um für das neu gegründete Spandauer Bundesligateam zu spielen. Zum Start gab es ein Unentschieden in Chemnitz und eine Niederlage gegen Hannover.

Trainer dort ist Marko Stamm, mit dem Belén Vosseberg seit 2016 auch privat liiert ist.

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