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Steil bergauf. Emanuel Buchmann ist die deutsche Hoffnung bei der Tour de France.

© Valentin Flauraud/dpa

Shootingstar bei der Tour de France: Emanuel Buchmann radelt schüchtern nach oben

Radprofi Buchmann ist der beste Deutsche bei der Tour de France. Den Respekt im Fahrerfeld musste er sich mühsam erarbeiten. Und aus Fehlern lernen.

Albi - Emanuel Buchmann sitzt auf den Rollen im Ziel von Albi. Über sein Gesicht huscht ein scheues Lächeln, als er erfährt, dass er auf den fünften Platz des Gesamtklassements vorgestoßen ist. „Das hört sich sehr gut an, es wäre sehr schön, wenn es so wäre“, sagt er. Ganz, so scheint es, mag er die Nachricht nicht glauben. Wenig später ist sie bestätigt. Buchmann ist tatsächlich Fünfter in der Gesamtwertung. Viel breiter wird das Lachen nicht. Buchmann ist kein Athlet, der alle in seinen Bann zieht – dazu ist er einfach nicht der Typ.

„Die großen Ansprachen sind nicht mein Ding“, hatte er zu Beginn der Tour de France gesagt. Als geborenen Kapitän, als einen, der immer vorgibt, wo es lang geht, sieht er sich auch nicht. Aber Buchmann hat das Anführen gelernt. Im Rennen gibt er innerhalb seines Teams Bora hansgrohe Anweisungen. Dann arbeitet auch mal der slowakische Sprinter Peter Sagan für ihn. Sagan, der Rockstar des Pelotons, der nie um einen Spruch verlegen ist, ist das Gegenteil von Buchmann. Im Rennen aber, da harmonieren sie. Sie nennen sich dementsprechend „Band of Brothers“ – die Brüderbande.

„Wir sind in diesem Jahr alle gewachsen, haben uns alle entwickelt“, sagt Buchmann. Kein Vergleich mehr zu den Zeiten, als das Team noch mit einer Wildcard zur Tour kam. „Damals wurden wir von den anderen Teams kaum ernst genommen und hatten es schwer, einfach nach vorne zu fahren“, sagt er. Das war 2015. Das hat sich geändert.

Die positive Entwicklung des Rennstalls ist auch einer der Gründe für Buchmanns Erfolg. Bora hansgrohe wird im Peloton respektiert. Zunächst wegen Sagan, dem dreifachen Weltmeister und sechsmaligen Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour, bei der er auch in diesem Jahr bislang die Sprintwertung dominiert. Aber immer mehr wird auch Buchmann als individueller Fahrer geschätzt. „Das erste Mal habe ich es 2017 gemerkt, als ich Siebter bei der Dauphiné wurde. Da wurde schon mehr auf mich geachtet, auch bei der Tour“, sagt er. In diesem Jahr wurde er gar Dritter beim Tourvorbereitungsrennen Criterium du Dauphiné. „In diesem Jahr merke ich, dass man mich auf dem Zettel hat. Ich werde nicht einfach so weggelassen“, erzählt er.

Dass er nun auf Platz fünf vorstieß, hat vor allem damit zu tun, dass Buchmann bislang fast fehlerfrei fährt. Er war zwar auf der ersten Etappe in einen Sturz verwickelt, erlitt aber nur eine Platzwunde an der Lippe. Im Teamzeitfahren verlor seine Mannschaft lediglich 26 Sekunden auf Team Ineos um Titelverteidiger Geraint Thomas. Weitere sieben Sekunden auf Thomas verlor Buchmann auf der Planche des Belles Filles, als der Waliser einen famosen Bergsprint hinlegte. Buchmann erwies sich da immerhin als einer der Besten der Verfolger.

Seine aktuelle Top-Position verdankt er auch einer respektablen Mannschaftsleistung am Montag. Bora hansgrohe fuhr sehr aufmerksam, als der Seitenwind ins Peloton stob. Gleich sechs der acht Fahrer waren vorn, als das Feld sich lang hinzog und schließlich riss. Die Helfer im Team machten Druck und sorgten gemeinsam mit den Teams Ineos und Deceuninck Quick Step dafür, dass der Abstand zu den Rivalen wuchs und wuchs. Sprint-Kapitän Sagan wurde immerhin Fünfter der Etappe. Buchmann und Konrad, die beiden Bergkapitäne, gewannen eine Minute auf viele Rivalen.

Damit ist ein Teilziel erreicht. „Es ist wichtig, dass man die erste Woche fehlerfrei absolviert und keinen Rückstand hat“, gab Buchmann als Zwischenziel aus. Das hat vor dem Ruhetag am Dienstag geklappt, die Basis ist gelegt.

Bevor die Erwartungen an ihn jedoch in den Himmel wachsen, sei an die Vuelta 2018 erinnert. Es war die erste große Rundfahrt, die Buchmann als Kapitän bestritt. Auch da lag er dank einer aggressiven und mutigen Fahrweise lange auf den Plätzen zwei bis vier. Am Ende aber baute er ab, kam nicht einmal mehr unter die besten zehn.

Hat er aus den Fehlern in Spanien gelernt? Sicherlich. Reicht dies aber aus, verbunden mit einem weiteren physischen Entwicklungsschritt, um bei der Tour unter die ersten zehn Fahrer zu gelangen? Buchmann ist überzeugt davon. „Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Es ist ein realistisches Ziel“, sagt der Ravensburger. Dafür muss er weiterhin konzentriert mitfahren und fehlerfrei bleiben. Dann könnte sogar das Podium dabei herausspringen. Tom Mustroph

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