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Lässt sich aushalten. Seitdem Hertha die Trainingskabinen umgestaltet hat, hält sich Sebastian Langkamp deutlich länger an seinem Arbeitsplatz auf.

© Imago/Metodi Popow

Serie: Berliner Sportler und ihr Arbeitsplatz: Hertha BSC: Sebastian Langkamp fühlt sich wohl in Westend

Herthas Verteidiger Sebastian Langkamp geht seit Anfang des Jahres noch ein bisschen lieber zu seiner Arbeit.

Wir treffen Sebastian Langkamp im Parterre. In der Geschäftsstelle hat Hertha BSC vor kurzem einen Sitzungsraum in eine Lounge zum Chillen gewandelt, mit blanken Ziegelwänden, ausladenden Sofas. Langkamp ist zum ersten Mal hier. „Kann man aushalten“, sagt Herthas Verteidiger, habe aber mit seinem Arbeitsplatz herzlich wenig zu tun. Genau darum soll es gehen, um den Arbeitsplatz eines Fußballprofis. „Für mich ist das am ehesten der Trainingsplatz und unsere Kabine“, sagt Langkamp. Und das Olympiastadion? „Für mich ist das mehr die Spielwiese“, sagt Langkamp. Da schauen dann auch mal alle zwei Wochen 50.000 Menschen zu. Da zählen nur die Resultate, Sieg oder Niederlage. Die eigentliche, tägliche Arbeit aber findet nebendran statt auf dem riesigen Gelände des Olympiaparks.

Fußballprofis sind Wandervögel, sie wechseln die Vereine, nicht selten vor Ablauf der Vertragslaufzeit. Oder sie verlängern, bleiben, werden heimisch. Langkamp sagt, dass er in Berlin „echt Anlaufschwierigkeiten“ gehabt habe. Mitte 2013 kam er aus Augsburg. „Wenn die Leute nicht wissen, dass du hier auch lebst, denken sie, du bist Tourist, dann behandeln sie dich entsprechend“, erzählt der 28-Jährige. Er habe ein bisschen gebraucht, um Anschluss zu finden. „Mittlerweile grüßt man sich in der Nachbarschaft.“ Langkamp lebt in Mitte.

Auch das Verhältnis zu seinem Arbeitsplatz hat sich über die Jahre verändert. Am Anfang sei man fremd, er habe erst alles und alle kennenlernen müssen. Inzwischen ist das Verhältnis inniger. „Ich will jetzt nicht sagen häuslicher, aber ich fahre auf jeden Fall mit einem guten Gefühl zur Arbeit.“

Vor gar nicht so lange Zeit hat Hertha den Trainingstrakt saniert. 13 Jahre lang logierten die Profis in der zweiten Etage eines Seitenflügels, nun sind sie ins Erdgeschoss gezogen. Die Engländer, die das Olympiagelände vor der Wende genutzt haben, hatten hier ihre Squash-Courts. Fünfeinhalb Meter Deckenhöhe. Die Räume, in Herthas Vereinsfarben Blau und Weiß gehalten, haben es Langkamp angetan. „Hätten Sie mich vor zwei Jahren gefragt, was man verbessern sollte, hätte ich gesagt: alles.“ Mittlerweile finden die Profis alles, was sie sich wünschen. Langkamp zählt auf: Spa-Bereich mit Sauna, Eisbecken, Whirlpool, eine Küche, einen Aufenthaltsraum, dazu eine Zone zum Chillen mit Spielkonsolen, Flatscreens und Smartboards. „Man ist gern hier, kann die Sauna nutzen und muss nicht extra in einen Fitnessclub fahren.“

Allein die Kabine misst 66 Quadratmeter. Jeder Spieler hat seinen festen Platz. In seinem Spind bewahrt Langkamp – ganz Minimalist – ein paar persönliche Dinge auf. Ein Bild von Freunden, eins von der Familie. „Das gehört auch dazu, damit man sich wohlfühlt. Wenn man morgens als erstes den Spind aufmacht, denkt man nicht gleich an die Arbeit, sondern an schöne Dinge.“ In der Kabine sitzt Langkamp zwischen Jens Hegeler und Sami Allagui. Bis zum Sommer saß Johannes van den Bergh direkt neben ihm, der hat den Verein gewechselt, jetzt ist der Platz zu Allagui hin frei.

Sebastian Langkamp, der beim FC Bayern in der Jugend gespielt hat, ehe er über den Hamburger SV, den Karlsruher SC und den FC Augsburg in Berlin landete, ist morgens einer der Ersten auf dem Gelände. Wenn um zehn Uhr trainiert wird, ist er spätestens um halb neun in der Kabine. „Ich brauche ein bisschen mehr Zeit für die Prävention.“ Aufwärmen, Stabilitätsübungen, Physiotherapie, jeder habe so sein Programm, das er abspule. Andere Spieler würden sogar hier frühstücken, „das mache ich zum Beispiel nicht“.

Hertha spielt irgendwie schöneren Fußball, seitdem die Kabinen in einem schöneren Zustand sind

Die Umgestaltung hat auch dazu beigetragen, dass die Spieler freiwillig ein bisschen mehr machen. Früher habe er sich überwinden müssen, erzählt Langkamp. Deshalb hatte er privat noch einen Trainingsraum in Mitte für sein individuelles Training angemietet, „weil ich mich hier nicht so wohlgefühlt habe“. Aber das ist Geschichte. Und spielt Hertha nicht auch irgendwie schöneren Fußball, seitdem die Kabinen in einem schöneren Zustand sind? Langkamp lacht. Je nach dem, sagt er, in der Rückrunde der vorigen Saison, „wo wir das eine oder andere Spiel nicht mehr so erfolgreich gestaltet haben, kam schon der Vorwurf, dass das hier zu einer Wohlfühloase geworden ist. Das ist also immer eine Interpretationssache.“

Viele Profis von Hertha BSC wohnen traditionell wegen der Nähe zum Olympiagelände im alten Westen – auch sie schätzen einen kurzen Arbeitsweg. „Bei mir ist es so: je weiter weg, desto besser“, erzählt Langkamp. Er habe sich jeden Kiez angeschaut, der für ihn in Frage gekommen sei, Charlottenburg, Mitte, Tiergarten, Prenzlauer Berg. „Ich bin so, dass ich abseits des Fußballs einfach nichts mit Fußball am Hut haben möchte.“ Er will inkognito unterwegs sein, und das sei in Mitte wunderbar möglich. Nicht, dass er sich in seiner Freizeit nicht für Fußball interessiere, nur „für mich ist eine gewisse Lebensqualität, dass ich abseits des Fußballs ein normales Leben führen kann“.

Da überrascht es wenig, dass Langkamp seine Karriere nach der Karriere nicht im Fußball-Business sieht. „Ich kann für mich persönlich sagen, dass ich danach nicht mehr im Profifußball tätig sein möchte.“ Vielleicht werde er was im Nachwuchs machen, aber ganz sicher nicht in Berlin. Langkamp will zurück in seine alte Heimat Münster, wo Familie und Freunde leben. „Aber ich habe hoffentlich noch einige Jahre vor mir.“

Trotzdem denkt er voraus. Er habe seine Ideen, baue sich gerade ein zweites Standbein auf. „Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Zeit abläuft oder der Verein sagt, wir holen zwei jüngere Spieler, dann wird das Thema intensiviert.“ Langkamp kennt das Geschäft und möchte vorbereitet sein. Schon jetzt trifft er sich regelmäßig mit zwei, drei Leuten. „Wir nehmen uns eine Stunde Zeit, und jeder trägt seine Ideen vor, die vielleicht komisch klingen, aber gar nicht so bleiben müssen, wenn man sieht, was so alles auf den Markt geht.“ Dass zum Beispiel heutzutage Essen mit dem Fahrrad ausgefahren wird – „ich mein’, da hätte ich auch drauf kommen können, oder?“

- Bisher erschienen: Wasserspringer Patrick Hausding und die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (6.11.), Natascha Keller und das Hockeystadion an der Wilskistraße (9.11.).

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