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Jeder gegen jeden. In diesem Jahr wollen sieben Berliner Klubs in die Bundesliga des Segelns einsteigen.

© DSBL GmbH/Lars Wehrmann

Segel-Bundesliga: Bundesliga könnte Segeln revolutionieren

Segeln findet meist weitab vom Publikum statt. Das soll jetzt die Segel-Bundesliga ändern als eine Meisterschaft der Klubs. Eine bahnbrechende Idee, denn sie macht aus einem Sport der Individualisten einen Wettkampf der Vereine.

Ein grell-gelbes Boot zieht auf dem Wasser seine Bahnen. Es ist früh dran und noch allein. Das laue Lüftchen ist wie gemacht für die vier Segler an Bord der Yellow Danger, die in diesem Frühjahr schon vor allen anderen auf dem Wannsee sind. Immer wieder die gleichen Manöver. Immer wieder die gleichen Handgriffe. „Da gibt es Tricks“, sagt Skipper Daniel Ebeling später. Vor allem die Handhabung des Gennakers muss akribisch einstudiert werden, jedes Manöver ist ein Ballett auf dem Wasser. Der Gennaker, ein bauchiges, asymmetrisch geschnittenes Segel, das am Bugspriet vor dem Schiff gesetzt wird, ist aus sehr leichtem Tuch und hat seine Tücken. Schon ein falscher Schritt von einem der Crewmitglieder kann es einfallen lassen. Nicht gut wäre das, der Vortrieb dahin.

Und vielleicht bald viel mehr. Ebeling und seine Crew bereiten sich auf eine Rennserie vor, an der große Hoffungen hängen. Und das Wort Ehre spielt auch eine Rolle. Denn der Potsdamer Yacht Club, für den Ebeling und seine Leute starten wollen, zählt zu den renommiertesten Adressen des Segelsports in Deutschland. Gegründet vor über hundert Jahren und mit mehr als tausend Mitgliedern entspricht es seinem Selbstverständnis, zum exklusiven Kreis jener 18 Klubs zu zählen, die seit einem Jahr eine eigene Bundesliga als Wettkampfformat unterhalten, so dass es über den Begriff „erstklassig“ auf diesem Gebiet keinen Zweifel mehr gibt.

Bislang waren die Potsdamer nicht dabei. Sie hätten gekonnt, als die Idee einer nationalen Liga des Segelns im April 2013 Gestalt annahm. Aber irgendwie fehlte der Elan, das ging anfangs vielen Klubs so. Die Regatta-Asse waren nicht so leicht für etwas zu begeistern, das sie nicht für sich, sondern für ihre Klubs tun sollten.

Deutscher Vereinsmeister 2013 wurde der Norddeutsche Regattaverein, mit etwa 2000 Mitgliedern einer der größten Segelklubs in Deutschland. Der Vizemeister kam aus Friedrichshafen am Bodensee. Eines der Reviere, auf dem um Punkte gesegelt wurde, war die Hamburger Alster (Foto).
Deutscher Vereinsmeister 2013 wurde der Norddeutsche Regattaverein, mit etwa 2000 Mitgliedern einer der größten Segelklubs in Deutschland. Der Vizemeister kam aus Friedrichshafen am Bodensee. Eines der Reviere, auf dem um Punkte gesegelt wurde, war die Hamburger Alster (Foto).

© SBL

Dabei ist die Erfindung des Bundesliga-Formats eine bahnbrechende Idee. Sie macht aus einem Sport der Individualisten, bei dem für gewöhnlich einzelne Segler mit eigenen Booten gegeneinander antreten, einen Wettkampf der Vereine. Die entsenden ihre besten Teams zu den sechs Regatta-Wochenenden, die zwischen Ostsee und Alpen stattfinden, Boote und Material werden von den Organisatoren gestellt, dem Jahresmeister wird schließlich eine edle Silberschale als Wanderpokal überreicht. Im Vordergrund steht die Vereinsleistung, und es ist die oftmals lange Tradition, die solche Leistungen ermöglicht. „Die Vereine haben jahrzehntelang gegeben“, sagt Joachim Hellmich, eine Manager der Segelbundesliga, „jetzt gibt der Segler zurück.“

Mehr als 60 Vereine haben sich neu angemeldet

Diesem Perspektivenwechsel konnten zunächst wenige Funktionäre etwas abgewinnen. Das Geld ist knapp auch beim irrtümlich als Gentleman’s Sport bezeichneten Segeln. Lange liegen die großen Erfolge der Deutschen bei Olympia zurück. Folglich bangen die Verbandsoberen, das neue Format könnte Sponsorengelder aus dem Hochleistungssektor abziehen und olympische Kampagnen schwächen.

Oder macht es den Sport insgesamt attraktiver? Könnte Segeln, das oft abseits des Publikums stattfindet, sich durch einen Dauerwettbewerb der Vereine neue Geldquellen erschließen? Warum sollte nicht auch auf dem Wasser funktionieren, was in anderen Sportarten üblich ist?

Die Mannschaft des Vereins Seglerhaus am Wannsee zählte in der Saison 2013 zu den Besten. Sie wurde insgesamt dritter.
Die Mannschaft des Vereins Seglerhaus am Wannsee zählte in der Saison 2013 zu den Besten. Sie wurde insgesamt dritter.

© SBL

"Was wir brauchen, ist Leidenschaft", sagt Hellmich, was ein bisschen sehr nach simplem Motivationspathos klingt. Aber Hellmich nennt auch Zahlen. So habe die erste Bundesliga-Saison 150 Millionen Medienkontakte generiert, was in der Welt des Marketings die Währung ist. Damit seien sogar die Leistungen des Sailing Team Germany (STG), der von Jochen Schümann ins Leben gerufenen Nationalmannschaft, an Aufmerksamkeit übertroffen worden. Für die Leute hinter dem STG ist diese Konkurrenz kein Problem. Denn sie sind es auch, die als Gesellschafter an der Bundesliga beteiligt sind. Die Szene ist klein.

Mit der Gründung eines Liga e.V. haben sich die Gründungsvereine kürzlich eine rechtsverbindliche Interessenvertretung geschaffen. Ihr steht mit Eckard Diesch ein Olympiasieger vor. Die Gebrüder Diesch hatten 1976 im FD Gold gewonnen. Der Gründung des Liga e.V. gingen heftige Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Segel Verband (DSV) voraus, eine Sitzung der Liga-Vereine bei der Bootsmesse in Düsseldorf soll von DSV-Funktionären regelrecht "gestürmt" worden sein. Hintergrund des Streits war die Frage, wie die Liga in den DSV integriert werden könnte. "Es haben massive Machtkämpfe stattgefunden", sagt Diesch dazu. Und der DSV hat sich durchgesetzt. "Er hat einen Käfig aufgestellt", sagt Diesch der "Schwäbischen Zeitung", wenngleich der Käfig "recht großzügig" sei.

Nach der ersten Saison haben sich mehr als 60 Vereine neu angemeldet. So groß ist der Zuspruch, dass eine Zweite Liga etabliert wird. In der Relegation von Glücksburg am kommenden Wochenende dürfen die besten fünf Klubs in die Ersten Liga aufrücken, weitere 18 segeln fortan zweitklassig, mit Aufstiegschancen für die fünf Bestplatzierten. Allein aus Berlin und Umgebung werden neben dem Potsdamer Yacht Club sechs weitere Vereine anreisen. Einer davon sagt, dass er „allen anderen Angst einjagen“ könnte.

Sie seien eine „eingespielte Clique“, sagt Thomas Patzelt, Präsident des ebenfalls am Wannsee gelegenen Segelklubs Ahoi. „Wir wären nicht dabei, wenn wir nicht auch gewinnen wollten.“ Da es sich um schnelle, kurze Rennen handelt, haben auch weniger geübte Segler eine Chance. Ein guter Start reicht manchmal schon. Der Modus sieht vor, dass jeder einmal gegen jeden antritt.

Vor einem Jahr haben sie im Ahoi allerdings noch „weggehört“, als das Liga-Thema aufkam. Sie fühlten sich nicht berufen in einem Verein, der nur 150 Mitglieder und entsprechend wenig Boote zur Verfügung hat. Glücklicherweise ist aber eine J 80 darunter, der Acht-Meter- Bootstyp, mit dem die Ausscheidungsregatten absolviert werden. Als sie begriffen, erzählt Patzelt, dass der geringe finanzielle Aufwand den Ahoi plötzlich „auf dieselbe Stufe stellt wie die Großen“, haben sie das beste Team in ihren Reihen zu finden versucht.

Die meisten Segler müssen ihre Karriere irgendwann aufgeben - um Geld zu verdienen

Daniel Ebeling hat nachgesehen. Es gingen etliche Olympiateilnehmer und Weltmeister in Glücksburg an den Start. Doch läge deren aktive Zeit meist lange zurück. Nun bietet die Bundesliga diesen „Schläfern“ die Gelegenheit zum Wiedereinstieg ins Leistungssegeln, das Niveau sei sehr hoch. „Wir gehören unbedingt dazu“, sagt er über seine Erstligatauglichkeit.

Wobei Ebeling und seine Mitstreiter zusammen 125 Jahre Segelerfahrung mitbringen. Sie sind auf dem Wasser, seit sie mit fünf Jahren in einen Opti stiegen. Und Ebeling hat Weltcup-Rennen absolviert. Heute geht es dem Charlottenburger wie den meisten: Die Segelkarriere musste er irgendwann aufgeben, um sich eine Existenz aufzubauen, bei dem 46-Jährigen ist es die eines Verkaufsleiters für ein mittelständisches Unternehmen. Aber jeden Mittwochnachmittag ist er nicht zu erreichen. Da segelt er.

Viel Zeit ist nicht mehr, bis das Potsdamer Quartett bereit sein muss. Aber Ebeling selbst, der breitschultrige Mann mit Zopf, der schnell denkt und schnell redet, steigt am zweiten Trainingswochenende als Steuermann aus. Die Folgen eines Skiunfalls zwingen ihn. Er war vor ein paar Wochen auf der Piste gestürzt und auf den Hinterkopf geprallt. Trotz des Helms, den er trug, zog er sich einen traumatischen Ausfall des Sehnervs zu. Nun wird ihm bei hektischen Bewegungen schwindelig, sein Orientierungssinn leidet. Er werde ersetzt von einem Klubkameraden, der ebenso gut steuern könne wie er, sagt Ebeling und sucht derweil Videomitschnitte im Netz, um seinen Jungs zu zeigen, worauf sie achten sollen. Es ist schon wie beim Fußball.

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