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Der Jesuitenpater Yonghae Kim, 58, und der evangelische Pfarrer Christian Bode, 40, sind das Seelsorger-Duo für die deutsche paralympische Mannschaft.

© Thilo Rückeis

Seelsorger bei den Paralympics: „Wir beten auch für Gold“

Im Hintergrund sind sie immer mit dabei: Kirchliche Seelsorger begleiten das deutsche Team bei den Paralympics. Im Interview berichten sie über Druck, Niederlagen und Freundschaft.

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Olympia in München 1972 gilt als Geburtsstunde der seelsorgerischen Begleitung von Großveranstaltungen. Seit 1992 gibt es sie auch bei den Paralympics. Wozu braucht es die Kirche?

BODE: Wenn es um Höchstleistung und Druck geht, ist es wichtig, dass jemand von außen dabei ist, der sich in einem System, in dem sonst keiner Zeit hat, Zeit nimmt. Wir waren erstmal bei den Wettkämpfen unterwegs. Da führen wir kurze Gespräche. Ausführlicher wird’s im paralympischen Dorf oder im Gottesdienst im Alpenhaus.

Warum kommen Sportler zu Ihnen?

BODE: Am Anfang steht das Thema Druck. Jeder Athlet hat viele Jahre auf diesen einen Moment hingearbeitet. Es geht darum, den Sportlern das Gefühl zu geben, dass wir das mittragen.

KIM: Die Botschaft „Ich bin bei euch“ ist wichtig.

Was raten Sie einem Sportler, der Angst hat?

BODE: Ein Leitsatz in der Seelsorge heißt: Ratschläge sind auch Schläge. Es geht um Anteilnahme, Verständnis, wenn die ersten Wettkämpfe gelaufen sind. Wenn die Bodenwelle über Sieg oder Niederlage entschieden hat. Wenn es mit dem Gold nicht geklappt hat, braucht es keine schlauen Bibelverse, sondern ein offenes Ohr, eine herzliche Umarmung oder eine starke Schulter. Einfach Träne, Trauer, Frust, Scheitern aushalten.

Wenn es nur ums Zuhören geht – können das nicht auch Familie und Freunde?

BODE: Ich bin der festen Überzeugung, dass der christliche Glaube hilft, Sieg und Niederlage zu verarbeiten. Gerade im Sport verdichtet sich das. Das kann keiner leisten, der ganz eng dran ist.

Sollten Sie schon mal für Gold ein gutes Wort bei Gott einlegen?

BODE: Wir sind ja keine Heilsbringer, aber klar: Wenn mich jemand darum bittet, bete ich auch für Gold. Und dafür, dass jemand in dem richtigen Moment seine Leistungen abrufen kann. Wenn es dann auch noch klappt – und es am Ende heißt, weil ich dafür gebetet habe: großartig!

KIM: Dieser Erfolg, die Goldmedaille zu bekommen, ist ja nur das Ende des Events. Das ist aber nicht das eigentliche Ziel. Das Ziel der Athleten, ist es, gegen sich selbst zu gewinnen.

Gibt es ethische Grundsätze, die sich aus dem christlichen Glauben auf den Sport übertragen passen? Etwa: Liebe deinen Gegner auch auf der Piste?

BODE: Die evangelische Kirche in Deutschland hat gerade eine Ethik-Kommission einberufen, weil das ein großes Thema ist. Der Sport steckt in einer tiefen Krise. Da geht es um Glaubwürdigkeit, Korruption, Doping. Da wäre es aber falsch, zu denken, jetzt berufen wir das ein, weil wir mit dem moralischen Zeigefinger kommen. Wir als Kirche sind gut beraten, einen Dialog auf Augenhöhe zu führen und unsere ethischen Grundsätze einzubringen.

KIM: Mein Eindruck ist, die Athleten haben zu viel Konkurrenzdenken. Es sollte ein Raum für Freundschaft gelassen werden, um einen Austausch für die Kulturen zuzulassen. Dafür ist fast keine Gelegenheit, wenn man sich auf Trainings und Wettkämpfe konzentrieren muss. Auch wenn sie noch so wichtig sind.

Die intensiven Eindrücke bei den Paralympics sind sicher schwer zu verarbeiten, oder?

BODE: Sportler erleben das hier als einen paralympischen goldenen Käfig, in dem sie zwei Wochen leben. Ich glaube viele verarbeiten die Spiele erst später. Ich vertraue darauf, dass mit dem nötigen Abstand, das Positive bleibt. Das was Paralympics macht und das was man in seinen Lebensrucksack stecken darf.

Und das wäre?

BODE: Ein großes Fest der Völker. Ein Fest der Begegnung, von dem Signale ausgehen können, die größer sind, als alle Vernunft, würde ich fast kirchlich sagen.

Das Gespräch führten Ann-Kathrin Hipp und Ronja Ringelstein.

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