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Bad mit Hose. Die High-Tech-Anzüge im Schwimmen sind verboten, Paul Biedermann kommt bei der EM trotzdem gut zurecht.

© dpa

Schwimm-EM: Paul Biedermann: Mit dem Hammer auf die letzte Bahn

Schwimm-Weltmeister Paul Biedermann liebt den Kampf Mann gegen Mann, aber im 200-Meter-Freistil-Finale bei der Schwimm-EM in Budapest fehlt der große Rivale Yannick Agnel.

Es war eine Pflichtübung, sie hatte nichts Spannendes an sich. Paul Biedermann spulte am frühen Dienstagabend sein Programm runter, mehr nicht. 1:46,88 Minuten benötigte er bei der Schwimm-EM für 200 Meter Freistil, damit zog er in Budapest souverän ins Finale am Mittwoch ein. „Es war ein schönes Rennen“, sagte Biedermann. „Ich habe aber noch ein bisschen Reserven.“ Eigentlich wollte er eine Zeit von 1:47,5 Minuten, nun war er schneller als eigentlich geplant. Pflicht erfüllt.

Aber der letzte, ganz große Reiz fehlt fürs Finale. Yannick Agnel ist über 200 Meter Freistil nicht gemeldet. Biedermann kann keine Revanche nehmen für seine Niederlage gegen den Franzosen über 400 Meter. Er hätte es gerne getan. Das Duell hätte ihn genauso gereizt wie der Kampf um den Titel. Seine Chancen auf Gold über 200 Meter Freistil heute im Finale sind jetzt größer geworden.

Aber der Titel allein ist nicht der große Reiz. Biedermann ist Weltrekordler über diese Strecke, er tritt als Titelverteidiger an, er hatte schon vor Budapest gesagt: „Als Weltmeister kämpfe ich nicht um Bronze.“ Der 24-Jährige möchte es diesem jungen Franzosen zeigen, sportlich fair natürlich. Agnel hatte ihn über 400 Meter Freistil geschlagen, das fordert ihn heraus. Sicher, Biedermann hatte taktische Fehler gemacht, er hatte zu spät das Tempo erhöht, er war sowieso über 400 Meter Freistil in dieser Saison nicht so gut in Form wie sonst. Vor Budapest war er in diesem Jahr nie schneller als 3:48,77 Minuten geschwommen, Agnel aber hatte vor drei Wochen nach 3:46,26 Minuten angeschlagen. Im Finale schwamm Biedermann dann immerhin 3:46,30 Minuten. Aber, Pech, Agnel war 13 Hundertstelsekunden schneller.

Das Duell an sich reizt Biedermann. Der Zweikampf Mann gegen Mann, Bahn an Bahn. „Er beißt sich rein in diese Duelle“, sagt Bundestrainer Dirk Lange. Rennen gewinnt man im Kopf, und Biedermann gewinnt Duelle auf den letzten 50 Metern. „Wenn man merkt, dass der Mann neben einem noch frisch ist, und wenn man sieht, dass der sogar zulegen kann, kommt der Mann mit dem Hammer. Dann verkrampft man“, hat er mal gesagt. Den Gegner, dessen Schmerzen so groß sind wie die eigenen, mürbe machen, das ist sein beliebtestes Spiel.

Deshalb können die Gegner ihn auch nicht mehr sonderlich beeindrucken mit ihren Psychotricks. Ausgelebt werden diese Spielchen am liebsten im Callroom, dort, wo die Athleten warten, um dann zu den Startblocks zu latschen. US-Amerikaner kommen grundsätzlich als Letzte, und sie sind am lautesten. Aber je lauter sie sind, je demonstrativer sie ihr Spielchen bieten, umso deutlicher teilen sie Biedermann auch mit: Wir respektieren dich. Bei der WM 2009 in Rom wechselten die US-Amerikaner vor der 4-x-200-Meter-Freistil-Staffel ständig die Stühle. Niemand sollte erkennen, wer an welcher Position startet. So etwas machen sie normalerweise nicht. Aber kurz zuvor hatte Biedermann den 14-maligen Olympiasieger Michael Phelps über 200 Meter Freistil abgehängt. Vor dem Rennen hatte Biedermann seinem Trainer Frank Embacher zugezischt: „Den Phelps mache ich fertig, Heute isser dran.“

Biedermann ist keines dieser Sensibelchen in der Schwimmszene, die jammern, wenn mal die Betten zu hart oder zu weich sind. Er verzichtete länger als viele andere auf High-Tech-Anzüge, er trainierte jahrelang in Halle an der Saale in einem Becken, auf dessen Boden sich ein Algenteppich ausgebreitet hatte. Und als die Halle abgerissen wurde, zog er mit seiner Gruppe in eine Halle um, in der normalerweise Rentner und andere Freizeitschwimmer ihre Bahnen ziehen und wo der Doppel-Weltmeister wie eine störende Boje wahrgenommen wurde. In der Umkleidekabine hörte er mit seinen Kumpels, wie sich die Rentner über die Anwesenheit der Topschwimmer beklagten. Er vernahm es mit souveränem Lächeln.

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