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Schnell unterwegs. Dorothea Brandt soll heute mit der deutschen 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel eine Medaille gewinnen.

© dpa

Schwimm-EM: Dorothea Brandt: Mit Bananenkuchen zur Medaille

Die Freistil-Spezialistin Dorothea Brandt startet nach einer Leidenszeit bei der Schwimm-Europameisterschaft in Budapest als neue deutsche Hoffnung.

Berlin - Den Bananen-Pekannuss-Kuchen backt sie am liebsten, kein anderer gelingt ihr besser. Dorothea Brandt serviert ihn dann den Freunden an ihrem Esszimmertisch, mit leicht feierlichem Gesicht, das gehört zum Ritual. Oft ist es dann Samstagnachmittag, Zeit also für die lockere Atmosphäre. Und Dorothea Brandt ist einen Schritt weitergekommen. Noch einen, einen von vielen, doch viele liegen auch noch vor ihr. „Es ist noch ein langer Weg“, seufzt sie, „bis ich in mir ruhe.“ Viele ihrer Freunde haben nichts mit Schwimmen zu tun, das ist wichtig. Die meisten Freunde sind einfach Leute aus einer anderen Welt, die unbefangen auf sie zugehen, die nur Dorothea Brandt, die Marketing-Studentin, kennen. Und die Halt geben, wenn sie Halt braucht. „Durch meine Freunde bin ich ausgeglichener geworden“, sagt sie.

Ein „soziales Netzwerk“ nennt sie das. Jemand musste sie auffangen. Man kann sich Dorothea Brandt wie eine Flipperkugel vorstellen. Damals trudelte sie durch den sportlichen Alltag, „zickig und ungerecht“, unberechenbar also, und überall, wo sie aneckte, gab’s Lärm oder andere Reaktionen. „Als Trainer hätte ich die Sportlerin Brandt hochkant aus der Gruppe geworfen“, sagt sie. Es klingt ziemlich abgeklärt. Aber jetzt ist sie auch 26 Jahre alt.

Eine der Gruppen, in der sie jetzt steckt, heißt „Perspektivkader London 2012“. Dorothea Brandt von der SG Neukölln ist eine der Olympiahoffnungen. Und natürlich eine Hoffnung bei der Schwimm-EM in Budapest. „Ich traue ihr viel zu“, sagt Chef-Bundestrainer Dirk Lange. Schon heute schwimmt sie in der 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel. Es geht um eine Medaille. Über 50 Meter Freistil startet sie am nächsten Wochenende.

Die bemerkenswerte Entwicklung der Dorothea Brandt hat viel damit zu tun, dass eine sensible Frau, von Selbstzweifeln geplagt, zu schnell in eine ungewohnte Welt eintauchte. Es war keine böse Welt, sie hatte nur klare, raue Regeln, und Dorothea Brandt hatte das Gefühl, sie greife ins Leere, wenn sie Halt suchte. Nüchtern gesehen kam die Schwimmerin Brandt 2003 auch aus sportlichen Gründen aus Hamburg nach Berlin. Gefühlt landete sie „in der Hölle“. Sie hatte ihre Nestwärme verlassen, jetzt lebte sie in einer Stadt, die sie als „schrecklich“ empfand und in der sie keine Freunde hatte. Dazu noch Trainingsformen, die sie nicht kannte. Alle Impressionen und Gefühle verdichteten sich zu einer bedrohlichen, alles überrollenden Masse.

Sie landete in der Gruppe von Norbert Warnatzsch, dem Coach von Franziska van Almsick und Britta Steffen. Einer dieser Trainer der alten Schule, die viel verlangen. Und die Neue hatte immer das Gefühl, seinen und ihren Ansprüchen hinterherzuschwimmen. „Du bist trainierbar“, sagte er ihr mal, „aber du musst mehr kämpfen als jede andere.“

Sie ist eine sehr attraktive Frau, das erhöhte noch den Druck. IMG nahm Dorothea Brandt 2003 unter Vertrag, ein Ritterschlag. IMG, der größte Sportvermarkter der Welt, verpflichtet nur ganz wenige deutsche Schwimmer. Bei IMG sah man in Brandt eine mögliche Mini-Zweitausgabe einer Franziska van Almsick.

Das vermeintliche Covergirl war viel zu sehr in seinen Selbstzweifeln gefangen, als dass es sich etwas auf den Vertrag eingebildet hätte. Aber unterbewusst verstärkte der Kontrakt den Druck. Zeitweise war sie die Langsamste in der Gruppe, sie hatte das Gefühl, „allein zu schwimmen“. Genau das habe ihr dann „die Beine weggezogen“. Gute Resultate hatte sie vor allem auf der Kurzbahn, aber internationale Erfolge, auf der 50-Meter-Bahn, die bleiben aus.

Den Druck entlud sie durch permanente Diskussionen mit Warnatzsch. „Wir hatten viele Krisen miteinander“, sagt sie. Aber in dem erfahrenen Warnatzsch steckt auch eine Vaterfigur, die mit Problemfällen umgehen kann. „Er hat mich angetrieben und mir zugehört, alles genau im richtigen Moment“, sagt Brandt. Aber ihre Teamkolleginnen nervte sie irgendwann mit ihrem Gejammer und ihren Zickereien. „Ich habe meine Klagen zu oft nach draußen getragen“, gibt sie zu. Sie überlegte eine Rückkehr nach Hamburg, Warnaztsch überredete sie zu bleiben.

Seine Beharrlichkeit spielt eine große Rolle bei ihrer Entwicklung zur Olympiahoffnung. Den Rest übernahmen die Freunde, die sie fand. „In dieser Phase habe ich erfahren, wie unheimlich wichtig sie sind.“ 2008 verpasste sie die Olympiateilnahme nur knapp, in diesem Jahr gewann sie bei den deutschen Meisterschaften über 50 Meter Freistil und 50 Meter Brust und schwamm bei der Mittelmeer-Tour über 50 Meter Freistil auf Rang fünf der Weltjahresbestenliste. Dorothea Brandt greift nicht mehr ins Leere.

Aber noch immer kann vieles kippen. Es ist nicht lange her, da hätte sie „Gründe aufzählen können, warum ich nicht in den Perspektivkader gehöre“.

Den Vertrag mit IMG hat sie 2008 gekündigt. Sie fand das nur konsequent. „Ich habe ja keine Erfolge erzielt.“

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