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Überholt. Beim Hopman Cup war für Angelique Kerber und Alexander Zverev noch alles gut.

© Tony Mcdonough/dpa

Schwache deutsche Wimbledon-Bilanz: Von wegen Tennis-Boom in Deutschland

Ob Angelique Kerber und Alexander Zverev eine neue Tennis-Euphorie entfachen können, ist fraglich. Frühere Verdienste zählen nicht mehr. Ein Kommentar.

Es ist gerade mal sechs Monate her, da herrschte Euphorie im deutschen Tennis. Angelique Kerber und Alexander Zverev hatten in Perth als deutsches Duo im Finale des Hopman-Cups gegen die Schweiz nur ganz knapp verloren. Boris Becker sagte damals: „Es bewegt sich was, das ist klar zu erkennen.“ Deutschland stelle mit Kerber die Wimbledonsiegerin und in Zverev den Weltmeister. Das sei „schon allerhand“. Und er forderte bei dieser Gelegenheit gleich noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Tennissport in Deutschland, damit es wieder einen Boom geben könne.

Die auf Perth folgenden Ergebnisse des Jahres 2019 legen allerdings den Schluss nahe, dass der Boom bis auf Weiteres abgesagt ist. In Wimbledon haben es gerade einmal zwei Spieler aus Deutschland im Einzel in die dritte Runde geschafft. Es ist die schlechteste Bilanz beim wichtigsten Tennisturnier seit zwölf Jahren. In der aktuellen Jahreswertung dürfte sich nach Wimbledon wohl kein deutscher Profi mehr unter den besten Zehn der Welt befinden. Es sei denn, Julia Görges oder Jan-Lennard Struff gelingt in Wimbledon der ganz große Coup. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht.

Ist nun alles, was vor so kurzer Zeit noch so rosig aussah, plötzlich hoffnungslos geworden? Die Antwort liegt irgendwo in der Mitte und bei den beiden besten deutschen Spielern ist sie im Kopf zu finden. Kerber spielt immer dann groß auf, wenn von ihr nicht unbedingt Wunderdinge erwartet werden. In der Rolle der Gejagten fühlt sie sich fast schon traditionell unwohl, unter Druck kann sie ihr Topniveau nur selten abrufen.

Zverev steht sich weiterhin zu oft selbst im Weg, im Moment wirkt es auch ein bisschen so, als würde er sein Spiel nicht weiterentwickeln können. Dass das sicherlich auch mit den Problemen außerhalb des Platzes zu tun hat, erklärt vieles, aber auch nicht alles.

In den kommenden Wochen müssen Kerber und Zverev sich jeden Erfolg erst wieder erarbeiten, frühere Verdienste zählen nicht mehr. Es ist die Kunst von Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic oder einer Serena Williams, sich immer wieder neu fokussieren zu können und nicht zu lange in der Vergangenheit zu verharren. Fakt ist allerdings auch, dass es um das deutsche Tennis zuletzt schon schlechter bestellt war. Ob Kerber und Zverev allerdings dafür taugen, wirklich eine neue Tennis-Euphorie zu entfachen, das ist im Moment wieder ein gutes Stück fraglicher geworden.

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