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Unioner sind stolz auf ihre Geschichte - und auf die Stimmung im Stadion.

© Annegret Hilse/Reuters

Schluss mit dem Union-Bashing: „Lasst mir mein Fußball-Märchen!“

Neu-Berliner, Fußball-Hipster – na und? Zyniker werfen mir vor, auf eine Inszenierung des 1. FC Union reinzufallen. Für mich ist es Liebe. Ein Kommentar.

Eines vorneweg. Ich wuchs in England als Fan von Bayern München und West Ham auf. Aber 2013 wollte ich zu einem Berliner Verein, und Fußball gucke ich nicht so gerne durch das Fernglas in einem halb leeren Leichtathletikstadion. Also ging ich in die Alte Försterei. Seitdem bin ich, verdammter Neu-Berliner Fußball-Hipster, in den 1. FC Union verliebt.

Ich verstehe, dass der Union-Hype manche nervt. Während viele seit dem Aufstieg von dem „etwas anderen Klub“ schwärmen, gibt es immer mehr, die Union schlechtreden. Anpacken beim Stadionbau, Blutspenden, Weihnachtssingen – alles überromantisierte Klischees, sagen diese Zyniker. Auch mein Kollege Christoph Dach geißelte kürzlich die Selbstinszenierung. Schluss mit diesem Union-Bashing!

Romantisiert wird Union sowieso eher von anderen. „Wir haben hier keinen Mythos, sondern eine Geschichte mit ein paar Erfolgen und vielen Niederlagen“, sagte mir Vereinschronist Gerald Karpa.

Nicht immer gelingt Union der Versuch, die Fannähe mit kommerziellem Pragmatismus zu balancieren – wie zuletzt im berechtigten Aufschrei um den neuen Sponsor Aroundtown. Unaufrichtig ist es trotzdem nicht, einen Mittelweg zwischen ehrlichem Amateurverein und geldgeilem Megaklub zu suchen.

Das schlechte Gewissen der Gentrifizierer

Unioner sind zwar stolz auf ihre Geschichte und auf die unfassbare Stimmung in der Alten Försterei. Doch stolz ist man in Köpenick eher für sich. Manche sind sogar erstaunt, dass sich die Außenwelt überhaupt für Union interessiert. Am Abend des Aufstiegs begegnete ich in einer Fankneipe einem Mann, der nicht sicher war, was ihn mehr schockierte: dass Union erstklassig war oder dass er den Aufstieg mit einem Engländer und zwei Australiern in der „Tanke“ feierte.

Dabei sind wir keine Exoten mehr. Es gibt jede Menge Angelsachsen-Unioner, die mit dem schlechten Gewissen der ewigen Gentrifizierer nach Köpenick pilgern. Wer mitfiebert, wird freundlich aufgenommen. Zuletzt brachte ich einen Engländer mit Deutschkenntnissen auf Niveau A2 ins Stadion. Die Dame neben uns wollte nicht ruhen, bis er jeden Fangesang auswendig konnte.

Über solche Begegnungen freue ich mich – und bin deshalb umso zorniger, wenn ich von westdeutschen Freunden höre, der Klub sei voller Nazis. Ich bin nicht so naiv zu glauben, es gäbe keine rechtsextremen Union-Fans. Verallgemeinerungen sind aber falsch und helfen nicht denen, die auf den Rängen ihre Stimme gegen Rassismus erheben. Als weder Ossi noch Wessi meine ich darin einen faulen Snobismus gegenüber dem Osten zu erkennen: Die Dortmunder Fanszene stempelt man trotz der dortigen Probleme mit rechten Fans nicht so ab.

Und erst die Hymne: „Die Mannschaft weiß, dass wir hinter ihr steh’n/ Und wer das nicht kapiert, der soll zu Hertha jeh’n!“ Die meisten Unioner haben kein Problem mit Hertha. Genau wie ich.

Vielleicht falle ich mit meiner Union-Liebe auf eine Inszenierung herein und das alles ist nur ein Märchen aus Ost-Berlin. Aber dazu ist der Fußball da: um Märchen zu schreiben. Wer das nicht kapiert, der soll wirklich zu Hertha jeh’n.

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