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Einsam im Stadion. Bisher durften zu den Spielen des 1. FC Union etwa 4300 Zuschauer. Das könnte sich bald ändern.

© Andreas Gora/dpa

Schlechte Nachrichten für Berlins Profiklubs: Senat will Zuschauerobergrenzen senken

Noch dürfen die sechs Berliner Profiklubs wenigstens vor stark reduzierter Kulisse spielen. Doch das könnte in Kürze vorbei sein – vielleicht schon am Dienstag.

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Einerseits sollen soziale Kontakte in Corona-Zeiten möglichst reduziert werden. Andererseits pilgern Sportfans zu Hunderten oder gar Tausenden zu den Spielen ihrer Vereine. Wie passt das zusammen? Normalerweise genauso gut oder schlecht, wie eine Sperrstunde für Kneipen und die Rush-Hour in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Problem ist dabei nur die Botschaft, die mit jubelnden Zuschauern in Stadien oder Hallen vermittelt wird.

Das hat inzwischen auch die Politik erkannt. Vor dem Spiel des 1. FC Union gegen den SC Freiburg am vergangenen Samstag im Stadion An der Alten Försterei sprach Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) von einem „falschen Signal“ und forderte die Fans der Köpenicker dazu auf, dem Spiel besser fern zu bleiben. 4300 Besucher kamen trotzdem, weil sie es laut geltender Obergrenzen für Freiluftveranstaltungen und einem angepassten Hygienekonzept auch durften.

Die Zuschauer hielten sich fast ausnahmslos an die Maskenpflicht und das Gesangsverbot und machten mit allerlei mitgebrachten Utensilien trotzdem ordentlich Lärm. „Wir bemühen uns, Lösungen zu entwickeln, um notwendigen Infektionsschutz und gesellschaftliches Leben miteinander zu verbinden. Wir nehmen die Pandemie ernst und wir nehmen unsere Verantwortung als Veranstalter wahr“, schrieb Präsident Dirk Zingler am Sonntag an Unions 37.000 Mitglieder.

Der Klub sieht sich zu Unrecht im Fokus der Kritik. Und das Funktionieren des Hygienekonzepts im Spiel gegen Freiburg ist laut Zingler ein „wichtiges und richtiges Zeichen, wenn wir zeigen, dass Veranstaltungen mit geringem Infektionsrisiko möglich sind“.

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Dennoch sieht es so aus, als könnte es bis auf Weiteres das letzte Bundesliga- Spiel in Berlin vor wenigstens ein paar tausend Zuschauern gewesen sein. Wenn Hertha BSC am Sonntag den VfL Wolfsburg im Olympiastadion empfängt, wird das wohl vor weitgehend leeren Rängen passieren. Der Klub stoppte am Montag den Ticketverkauf und nannte bei Twitter als Grund die „aktuelle Pandemielage“.

Das Olympiastadion fasst mehr als 70.000 Zuschauer, zuletzt durften weniger als 5000 hinein.
Das Olympiastadion fasst mehr als 70.000 Zuschauer, zuletzt durften weniger als 5000 hinein.

© Andreas Gora/dpa

Von ganz ungefähr kommt das nicht. Denn der Senat berät an diesem Dienstag über schärfere Regelungen und eine erneute Änderung der Infektionsschutzverordnung, um die Infektionsketten des Coronavirus zu unterbrechen. Berlin ist Risikogebiet, die stadtweite Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner liegt inzwischen bei über 122 mit steigender Tendenz. Der Schwellenwert von 50 ist schon seit mehr als zwei Wochen überschritten.

Kalayci kündigte am Montag weitere Verschärfungen der geltenden Regeln an. Und die werden auch den Berliner Sport betreffen. Nach Tagesspiegel-Informationen wird Rot-Rot-Grün über eine Reduzierung der bisher geltenden Personenobergrenzen für Veranstaltungen debattieren. Ob der Senat diese am Dienstag auch tatsächlich beschließen wird, ist völlig offen. Es ist durchaus möglich, dass die Landesregierung den von Freitag auf Mittwoch vorgezogenen Corona-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abwartet.

Bisher gilt die Obergrenze von 5000 Personen bei Veranstaltungen im Freien und 1000 Personen in Innenräumen. Eine Reduzierung auf eine konkrete Obergrenze wurde am Montag bei der Staatssekretärsrunde zur Vorbereitung der Senatssitzung nicht diskutiert. Es soll aber in der Gesundheitsverwaltung Überlegungen geben, die maximal zulässige Personenzahl auf 500 für Veranstaltungen draußen und auf 300 drinnen festzulegen, sofern es keine Maßnahmen gibt wie Be- und Entlüftungssysteme. Dann könnte es auch Ausnahmen geben.

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Die Grünen-Sportpolitikerin Nicole Ludwig sieht eine Reduzierung von Personenobergrenzen nicht als ein geeignetes Mittel um die Neuinfektionen einzudämmen. „Der Punkt sind nicht die Obergrenzen. Seit Monaten bemühen sich die Sportvereine über alle Maßen, die Hygieneregeln einzuhalten“, sagte Ludwig. Und das verursache enorme Mehrkosten.

Derzeit wird bereits im Handball, Volleyball und Basketball wieder gespielt, im Eishockey hoffen sie nach mehreren Verschiebungen noch auf einen Saisonstart im Dezember. Anders als der Fußball sind diese Sportarten auf Zuschauer angewiesen, weil es keine lukrativen Fernsehverträge mit den Ligen gibt. „Wirtschaftlich macht das für uns eigentlich keinen Sinn“, sagt Kaweh Niroomand.

Kaweh Niroomand ist Manager der BR Volleys und Sprecher der sechs Berliner Profiklubs.
Kaweh Niroomand ist Manager der BR Volleys und Sprecher der sechs Berliner Profiklubs.

© imago images/Nordphoto

Für den Manager der BR Volleys ist die Bindung zu Fans und Sponsoren im Moment wichtiger als die Ticketeinnahmen. Auch deshalb hofft er auf Augenmaß statt Symbolpolitik von den Verantwortlichen, zumal es für das Konzept zur Zulassung von Zuschauern noch vor ein paar Monaten „großes Lob aus der Gesundheitsverwaltung“ gegeben hätte.

Ähnlich sieht das sein Kollege Bob Hanning von den Füchsen Berlin. Aus seiner Sicht besteht deshalb auch „keine Notwendigkeit, daran etwas zu ändern. Wir halten uns penibelst an sämtliche Regeln in der Halle und die Anfahrtswege zur Arena sind nicht sonderlich frequentiert.“ Die Füchse empfangen am Sonntag Wetzlar in der Max-Schmeling-Halle, die maximal möglichen 750 Tickets wurden bereits verkauft. Sollten nun plötzlich keine Zuschauer oder weniger zugelassen werden, wäre das Hanning zufolge für den Klub „verheerend“. „Wir sind ja derzeit nicht einmal bei den 20 Prozent Auslastung in der Halle, ja nicht mal bei einem Zehntel. Von daher wünsche ich mir von der Politik, dass sie Dinge, die bislang geklappt haben, nicht kaputt macht.“

Ähnlich sieht es Niroomand: „Wir haben ein ausgefeiltes Hygienesystem und aktuell lässt sich festhalten, dass sich der Sport nicht zu einem Hotspot der Pandemie entwickelt hat.“ Natürlich kann der Volleys-Manager verstehen, dass sich die Politik rein moralisch verpflichtet fühlt, etwas tun zu müssen. „Aber warum dort anpassen, wo es schon funktioniert?“

Auch für die Basketballer von Alba Berlin sind die Fans ein wichtiges Thema. Aber momentan hat der Klub größere Probleme. Nach dem Euroleague-Spiel bei ZSKA Moskau am 16. Oktober wurde ein Spieler der Berliner positiv auf das Coronavirus getestet. Es folgten sechs weitere Infektionen von Teammitgliedern. Seitdem befindet sich die Mannschaft in Isolation, insgesamt wurden bereits fünf Spiele abgesagt.

Hochsicherheitszone. Bei den Spielen von Alba Berlin gilt Maskenpflicht, Gesangsverbot und es wird auf viel Abstand zwischen Profis und Fans geachtet. Dennoch haben sich sieben Teammitglieder von Alba infiziert.
Hochsicherheitszone. Bei den Spielen von Alba Berlin gilt Maskenpflicht, Gesangsverbot und es wird auf viel Abstand zwischen Profis und Fans geachtet. Dennoch haben sich sieben Teammitglieder von Alba infiziert.

© imago images/Camera 4

Das Training wird vermutlich kommende Woche wieder aufgenommen, am 5. November steht das erste Spiel nach der unfreiwilligen Pause auf dem Programm. Dann empfängt Alba in der Euroleague den FC Barcelona in der Arena am Ostbahnhof. Zu den ersten zwei Heimspielen im Oktober waren 700 Zuschauer zugelassen, in der gesamten Halle galt Maskenpflicht und ein Anfeuerungsverbot.

Gar nur 214 Fans waren bei den Eisbären jüngst bei zwei Testspielen im Sportforum Hohenschönhausen erlaubt. Auch hier durfte nicht gesungen, sondern nur geklatscht werden. Mitte November soll ein Testturnier im Eishockey starten, die Berliner sind dabei, wissen aber noch nicht, ob sie im Wellblechpalast oder am Ostbahnhof spielen werden. „Wir müssen sehen, wie sich das alles entwickelt und hoffen, dass wir dazu Ende der Woche etwas sagen können“, sagt Geschäftsführer Peter John Lee.

Falls die Pandemie auch in Deutschland außer Kontrolle geraten sollte, wovor so mancher Experte warnt, könnte der eigentlich als Warmlaufen für die Saison angedachte Wettbewerb im Eishockey aber zum Ende aller Hoffnungen auf einen geregelten Spielbetrieb werden. „Die Eisbären sind abhängig davon, was die anderen machen“, sagt Lee. „Aus heutiger Sicht wäre es ja schon ein Traum, wenn wir wenigstens 1000 Zuschauer hätten.“ Wahrscheinlich ist das nicht, im Gegenteil: Dem professionellen Sport und seinen vielen Fans droht in diesem Herbst ein weiteres böses Erwachen.

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