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Deutsche Weltklasse. Leider wird Leroy Sané nicht nur von serbischen Gegenspielern attackiert.

© Swen Pförtner/dpa

Sané und Gündogan rassistisch beleidigt: Ein Tiefpunkt – und trotzdem besteht Hoffnung

Beim Länderspiel Deutschland gegen Serbien soll es zu üblen Beleidigungen gekommen sein. Das ist erschreckend, überrascht aber kaum. Ein Kommentar.

Von David Joram

Wenn es stimmt, was der Sportjournalist André Voigt über seinen Besuch beim Länderspiel Deutschland gegen Serbien berichtet, ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Voigt, der privat in Wolfsburg auf der Tribüne saß, schildert in einem emotionalen Facebook-Video, wie drei Zuschauer hinter ihm die deutschen Nationalspieler Leroy Sané und Ilkay Gündogan zutiefst rassistisch beleidigt hätten. Wenn Sané am Ball war, soll das N-Wort gefallen sein, "Affenmenschen" habe man ihn genannt, "Bimbo". Und Gündogan sei schlicht "der Türke" gewesen. Nun ermittelt die Wolfsburger Polizei.

In den sozialen Netzwerken ist der Aufschrei groß. Natürlich. Rassismus ist Rassismus und bleibt Rassismus. Es ist immer wieder erstaunlich, dass es Menschen gibt, die darüber zweigeteilter Meinung sind. Doch just dies berichtet André Voigt; dass er mit jenen offenbar Zurückgebliebenen noch habe diskutieren müssen. Noch trauriger gar: Im Stadion, so schildert es jedenfalls Voigt, habe "keine Sau in diesem Block" auf die abgrundtiefen Beleidigungen der drei Männer reagiert.

Sané und Gündogan sind Projektionsflächen

Warum ist das so? Dass auf "das totale Fallenlassen jeglicher Menschlichkeit" (Voigt) achselzuckend reagiert wird? Dass die "Heil-Hitler"-Rufe, die Voigt vernommen haben will, offenbar toleriert werden. Eine einfache Erklärung wäre: So sind sie eben, die Fußballfans. Fanatisch, nationalistisch, rassistisch.

Es ist ein Ansatz, der etwas zu kurz greift. Sané und Gündogan sind - ähnlich wie es "der Nachbar" Boateng war - Projektionsflächen. Für die einen, die Freunde der Willkommenskultur, stehen Sané und Gündogan für die moderne Bundesrepublik, für ein Land ohne Diskriminierung, für Chancengleichheit und Respekt. Gündogan und Sané, der mit seinem Wuschelkopf noch ein bisschen bunter und aufregender wirkt als viele seiner Kollegen, verkörpern Fortschritt. Sie selbst werden das kaum so sehen, sie sind Fußballprofis. Wurzeln spielen da keine Rolle, es geht schlicht um Leistung.

Den anderen, den Gestrigen, geht es aber um Wurzeln. Sie finden, dass jene mit vermeintlich anderen Wurzeln symbolhaft für die "linksgrünversiffte" Bundesrepublik stehen, in der es Spieler wie Gündogan sogar zum DFB-Kapitän bringen! Schlimmer geht's ja kaum, sagen sie sich - und reagieren mit einem Hass, der Grenzen sprengt. Dass es diesen Rassismus gibt, auch in dieser Ausgeprägtheit, ist weder neu noch überraschend. Beim Fußball wird er lediglich offenbar - und das ist gut so.

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Dieser faszinierende Sport ist ja deshalb so faszinierend, weil sich alle für ihn interessieren. Hier trifft sich die Gesellschaft noch, reich und arm, doof und schlau, links, rechts - und, ja, auch rechtsradikal. Wer schon mal in der Kurve stand, der weiß, dass dies so ist und schon immer so war. Hier schlummern die Probleme der Gesellschaft nicht, hier brechen sie aus. Derb und direkt. Der Fußball bietet aber nicht nur eine Plattform für die herrschenden Missstände, er kann auch der Ort sein, der Aufklärung betreibt, der Dialoge fördert, der im besten Fall wie ein Korrektiv wirkt. Eben weil er seine dunklen Flecken kennt.

So schockierend die Eindrücke des Kollegen Voigt auch sein mögen, es bleibt die Hoffnung, dass eine Reaktion folgen wird. Die Kraft dazu hat dieser Sport. Er wird sie beibehalten.

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