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Kein Zugriff. Gegen Russland verlor das deutsche Rugby-Team 3:57.

© J. Keßler/dpa

Rugby in Deutschland: Ärger ums Trinkgeld

3:57, 6:85, 0:64 - das deutsche Rugby-Team verliert oft und hoch. Schuld daran ist auch ein Streit mit dem Capri-Sonne-Besitzer Hans-Peter Wild.

Muhammad Ali war „the greatest“, gar keine Frage. Er selbst hielt sich natürlich schon während seiner Boxkarriere für den Besten aller Zeiten. Mit einer gewissen Großmäuligkeit jedenfalls tat Ali häufig kund, dass niemand so groß wie Ali sein konnte, mit einer Ausnahme: „Wenn ihr das seht, greift zu. Es ist das Größte, so wie ich – für alle Zeiten“, sagte Ali Ende der 1970er Jahre. Dabei präsentierte er in einem Werbespot das Softgetränk Capri Sonne. So wie es Hans-Peter Wild wollte.

Wild, Sohn des Capri-Sonne-Gründers Rudolf Wild, ist mittlerweile 76 Jahre alt und über drei Milliarden Schweizer Franken reich. Er fädelte nicht nur den Ali-Coup ein, sondern etablierte die Trinkplastikbeutel auch als Weltmarke. Wie Ali denkt auch Wild groß. Das gilt vor allem für sein Hobby Rugby.

In vielen Ländern boomt die Sportart, Zahlen belegen das. 74 500 Fans besuchten am 3. Februar das Eröffnungsspiel des Six-Nations-Turniers in Cardiff. Wales zerlegte Schottland 34:7, das Six-Nations-Turnier, die inoffizielle Europameisterschaft, blieb mit einem Schnitt von 72 000 auch in der Folge ein Zuschauermagnet. Einer Studie des Fußballverbands Uefa zufolge ist es das bestbesuchte Sportereignis weltweit, vor der National Football League (NFL) oder der letzten Fußball-WM. Wales liebt das körperbetonte Spiel, weitere Hochburgen sind England, Frankreich, Australien, Südafrika, Argentinien und Neuseeland. Hinzu kommen Länder wie Japan, das die WM 2019 ausrichtet, Kanada, Rumänien oder die USA, wo Rugby ebenfalls einen enormen Aufschwung erlebt. Und in Deutschland?

Blamage gegen Russland

Da geht der Trend gerade in die andere Richtung. Am Sonntag verlor das deutsche 15er-Team gegen Russland das EM-Gruppenspiel 3:57! Es war die fünfte krachende Niederlage im fünften Spiel.

Hinter dem Desaster steckt ein Streit zwischen dem Deutschen Rugby-Verband (DRV) und Hans-Peter Wild. Die 2007 von Wild gegründete Stiftung WRA (Wild Rugby Akademie) verlängerte den Kooperationsvertrag mit dem Verband zuletzt nicht. Was dem Verband an Fördermitteln entgeht, zeigt ein Rückblick in den letzten Sommer. Da kaufte Wild das französische Spitzenteam Stade Francais aus Paris.

Wild will den Sport professionalisieren. Einige Millionen investierte er schon in die WRA, die mit diesen Mitteln wiederum den deutschen Rugby-Verband unterstützt hat. Das ist erstmal passé. Wild wirft dem Verband vor, kein tragfähiges, professionelles und langfristiges Konzept zu haben. Er will mehr Kontrolle über die Gelder, die er investiert. „Die Grundhaltung des Deutschen Rugby Verbandes, dass ich bezahlen soll und die Funktionäre kassieren, ist nicht akzeptabel“, sagt Wild.

Weil die Rugby-Siebener-Variante olympisch ist, gingen alle Fördergelder vom DOSB in die Siebener-Variante und nicht, wie von Wild gefordert, in die 15er-Variante. Außerdem will Wild mehr Kontrolle über das 15er-Nationalteam und es am liebsten selbst vermarkten. Der Verband, dem rund 120 Vereine angehören, will die Vermarktung aber selbst übernehmen.

Der ehemalige Präsident Klaus Blank – er trat am 8. Februar von seinem Amt zurück – sagt, dass Wild „zu wenig Bezug zum operativen Geschäft seiner Rugby Akademie“ habe. Dessen Mitarbeiter hätten ihn zu keinem Zeitpunkt richtig beziehungsweise aufrichtig informiert. Seinen Rücktritt begründete Blank so: „Das letzte Jahr war hart. Ich habe meinen Gesundheitszustand zu oft ignoriert, rufschädigende Äußerungen mehr oder weniger hingenommen, verletzende und meist von einem zweifelhaften Account kommende E-Mails gelöscht und anonyme Beschimpfungen am Telefon einfach weggedrückt“, erklärte er. Wer damit gemeint ist, bleibt offen. Wer Blanks Nachfolge antritt, ebenfalls. Das könnte sich im Juli beim Deutschen Rugby-Tag klären.

7er-Variante boomt

Trotz der ungeklärten finanziellen und personellen Lage im Verband boomt die olympische 7er-Variante in Deutschland immer noch – weil der DOSB sie weiter fördert. Deutschland verpasste zwar die Teilnahme an der höchsten Spielklasse im Qualifikations-Finale gegen Spanien; trotzdem galt das knappe Scheitern als kleines Ausrufezeichen im Kampf um internationale Anerkennung. Dass der deutsche Markt Potenzial hat, zeigen die Oktoberfest Sevens. Das erstmals im Münchner Olympiastadion ausgetragene Turnier lockte im vergangenen Jahr die Weltelite ins Land, darunter die Teams aus Südafrika, Australien und England.

Vor dem Streit zwischen WRA und Verband befand sich auch das beim Six-Nations-Turnier gespielte 15er-Rugby im Aufwind. Durch teils sogar sensationelle Ergebnisse in der WM-Qualifikation, die sogar im Free-TV zu sehen war, nährte das deutsche Team Hoffnungen auf eine erstmalige WM-Teilnahme. In der Weltrangliste kletterte die Auswahl bis auf Rang 22. Die gute Zusammenarbeit zwischen Verband und WRA trug Früchte. Auf Vereinsebene überragte im 15er-Rugby vor allem der von Wild geförderte Heidelberger RK, der auch Deutscher Meister wurde.

Wie sehr Wild die Sportart durchdrungen hat, zeigt sich nicht nur am Neckar. Ein Großteil der nominellen A-Mannschaft sowie das Trainerteam um Kobus Potgieter, das bei der WRA angestellt ist, verweigerte im November 2017 weitere Einsätze für Deutschland. Wie Wild votieren auch die Kapitäne Sean Armstrong und Michael Poppmeier für „richtungsweisende Änderungen“. Erst dann werde man den Boykott beenden. Die Spieler führen an, dass die Kommunikation zwischen Verband und Mannschaft mangelhaft sei, ebenso die Betreuung vor den Spielen. Weiterhin solle es eine längerfristige Planung der Spiele und bessere medizinische Versorgung während der Spiele geben.

Keine Impulse durch neuen Trainer

Die Vorwürfe der Spieler weißt Ex-Präsident Blank zurück: „Wir haben den Spielern sehr gute Rahmenbedingungen sowie eine hervorragende medizinische und sportwissenschaftliche Betreuung zur Verfügung gestellt. Es gab keinen entscheidenden Wunsch der Mannschaft, die der Deutsche Rugby-Verband im Rahmen dieser Testspielserie nicht erfüllt hat.“

Fest steht, dass sich die Ergebnisse seit dem Streit der Spieler deutlich verschlechterten. Gegensteuern sollte der Uruguayer Pablo Lemoine, der im Januar als neuer Cheftrainer vorgestellt worden war. Zunächst blieb der erhoffte Aufschwung aber aus, das neu formierte Nationalteam unterlag gegen Rumänien deutlich mit 6:85. Vor fast genau einem Jahr, hatte man Rumänien noch besiegt. Auch das Spiel gegen Georgien endete in einem Desaster – 0:64!

Die wichtigste Frage für die Zukunft des 15er-Rugbys in Deutschland ist deshalb eng mit Hans-Peter Wild verknüpft. Kann jemand den Förderer und Liebhaber ersetzen? Oder zumindest seine Capri-Sonnen-Millionen? Im Verband müssen sie nun vielleicht so denken wie Muhammad Ali. Groß.

Ari Morgenstern

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