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So groß wie im Moment war der Konkurrenzkampf im Kader der Berliner vielleicht noch nie.

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Rückrundenstart gegen den VfB Stuttgart: So viel Konkurrenz war noch nie bei Hertha BSC

Die Auswahl war für Herthas Trainer Pal Dardai noch nie so schwierig. Auf beinahe jeder Position rangeln Spieler um einen Stammplatz. Wer hat die besten Chancen?

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Pal Dardai in irgendeiner Weise mit seiner Berufswahl hadert. Im Gegenteil. Der 41-Jährige hat seinen Traumjob gefunden, aber auch Traumjobs haben ihre Schattenseiten. Dardai hat schon häufiger erzählt, dass es ihm richtig weh tue, wenn er einigen seiner Spielern mitteilen müsse, dass sie nicht im 18er-Kader für den Spieltag stehen. Da ahnte der ungarische Trainer wahrscheinlich noch nicht, dass er in dieser Saison Gefahr läuft, zum Schmerzpatienten zu werden.

So groß wie im Moment war der Konkurrenzkampf im Kader von Hertha vielleicht noch nie. Selbst wenn die Talente Florian Baak, Palko Dardai, Sidney Friede und Julius Kade vornehmlich in der U 19 oder dem Regionalligateam zum Einsatz kommen werden, bleiben für jede Position so viele Bewerber, dass es definitiv Härtefälle geben wird. „Das ist schwierig“, sagt Dardai über die ihm anvertraute Moderation des Konkurrenzkampfs. Andererseits würden die Spieler vom Verein bezahlt, daher müssten sie das auch ertragen. „Ich habe kein schlechtes Gewissen.“

TOR

Wenn es einen Mannschaftsteil gibt, der vom Konkurrenzkampf unberührt bleibt, dann ist es die Torhüterposition. Stimmt gar nicht! Selbst um die Torhüterposition wird gerungen – um die Position des Ersatztorhüters. Jonathan Klinsmann, 20 als dritter Mann hinter Rune Jarstein, 33, und Thomas Kraft, 29, in die Saison gestartet, hat in seinem ersten Halbjahr in Deutschland deutliche Fortschritte gemacht und bei seinem Pflichtspieldebüt in der Europa League gute Kritiken bekommen. Das dürfte ihm auf Dauer nicht reichen. Als Sohn von Jürgen Klinsmann ist Ehrgeiz gewissermaßen in sein Erbgut eingeschrieben.

AUSSENVERTEIDIGUNG

Rechts in der Viererkette ist die Sache klar: Peter Pekarik, mit dem Hertha den auslaufenden Vertrag verlängern will, hat seinen Platz sicher – wenn Mitchell Weiser weiter vorne spielt. Das wird wohl auch am Samstag beim VfB Stuttgart (15.30 Uhr, live bei Sky) der Fall sein. Nationalspieler Marvin Plattenhardt, 26, war der einzige Feldspieler Herthas, der in der Hinrunde keine Bundesligaminute verpasst hat. Offiziell wird Maximilian Mittelstädt als sein Backup geführt, und der 20-Jährige kam am Ende der Vorrunde auch verstärkt zum Einsatz, allerdings nicht links in der Viererkette, sondern im linken Mittelfeld. Dass Mittelstädt auch auf Plattenhardt mehr Druck ausübt, würde in Herthas Trainerteam durchaus goutiert. Denn wer sich seiner Sache zu sicher ist, läuft auf Dauer Gefahr, ein bisschen träge zu werden.

INNENVERTEIDIGUNG

Sebastian Langkamp fliegt immer noch unter dem öffentlichen Radar hinweg. Dabei hat er sich deutlich verbessert. Langkamp, der am Montag 30 wird, spielt zwar selten spektakulär, aber er ist längst zu einem Stabilitätsfaktor in Herthas Spiel geworden. Trotzdem muss er um seinen Platz zittern – was weniger an ihm als an seinem Konkurrenten liegt. Niklas Stark, 22, spielt, wenn er fit ist, eigentlich immer. Dardai hat ihn oft ins Mittelfeld vorgezogen, aber auch da besteht an Bewerbern inzwischen kein Mangel mehr.

In der Winterpause sind Gerüchte aufgekommen, dass Eintracht Frankfurt an Jordan Torunarigha interessiert und der 20-Jährige nicht abgeneigt sei, weil er für seinen Geschmack bei Hertha zu selten spielt. Insofern ist es dumm gelaufen für Torunarigha, dass er zum Hinrundenabschluss Rot gesehen hat und in Stuttgart gesperrt ist. Es wäre die Möglichkeit gewesen, sich erst einmal festzuspielen, weil Karim Rekik verletzt fehlt. Jetzt wird es vermutlich so laufen wie in der Hinrunde: Rekik ist gesetzt – und Torunarigha muss warten.

DEFENSIVES MITTELFELD

Pal Dardai ist in dieser Woche gebeten worden, ein paar Sätze zur Entwicklung von Arne Maier zu sagen, von dem gerade alle schwärmen und der in Kürze wohl ein deutlich besser dotiertes Vertragsangebot vorgelegt bekommen wird. Dardai hat freundlich abgelehnt, weil Maier ohnehin überall lesen könne, „wie gut, wie toll“ er sei. „Der Junge soll bleiben, wie er ist.“ Maier, gerade 19 geworden, war die Entdeckung der Hinrunde. Er wird auch in Stuttgart in der Startelf stehen, an der Seite des gesetzten Per Skjelbred; er wird in der Rückrunde aber auch seine Pausen bekommen, in der Vladimir Darida, Niklas Stark oder Fabian Lustenberger ihn ersetzen dürfen.

OFFENSIVE AUSSENBAHN

Mathew Leckie hat gute Erinnerungen an den VfB Stuttgart. Im Hinspiel erzielte er zwei Tore, bis zum fünften Spieltag folgten zwei weitere – seitdem ist er leer ausgegangen. Der Australier wirkte zuletzt etwas müde. „Er muss sich ein bisschen steigern“, sagt Dardai. Dass Leckie gegen den VfB startet, ist nicht zwingend gesagt. Falls doch, dann vor allem deshalb, weil Mitchell Weiser eine von nur zwei Wochen Vorbereitung verpasst hat.

Auf links hat Mittelstädt zum Jahresende einige überzeugende Auftritte hingelegt. Anders als bei Salomon Kalou zeichnet sich sein Spiel durch eine gewisse Zielstrebigkeit und Dynamik aus. Das Duell könnte im Laufe der Rückrunde noch richtig spannend werden. In Stuttgart wird wohl der 32 Jahre alte Ivorer beginnen, nicht zuletzt weil er in den drei letzten Hinrundenspielen vier Tore erzielt hat.

OFFENSIVES MITTELFELD

Vladimir Darida kann im Mittelfeld auf der Sechs spielen, auf der Acht und sogar auf der Zehn, auch wenn der Tscheche kein echter Zehner ist. Das trifft eher auf Ondrej Duda zu, der bei Hertha aber weiterhin eine rätselhafte Erscheinung ist und in seiner aktuellen Verfassung schon glücklich sein kann, wenn er es überhaupt mal in den Kader schafft. An Valentino Lazaro kommt er definitiv nicht vorbei. Und auch für Darida wird es schwer, es sei denn, Lazaro kommt auf einer der beiden offensiven Außenbahnen zum Einsatz.

STURM

Pal Dardai hat die Wahl, ob er gegen den VfB den Ex-Stuttgarter Vedad Ibisevic spielen lässt oder den Ex-Stuttgarter Davie Selke. Sicher ist, dass der Ex-Stuttgarter Julian Schieber nach seiner Verletzungspause noch keine Option ist; sicher ist auch, dass Dardai mit seiner Entscheidung einem seiner Stürmer ziemlich weh tun wird. Und ziemlich sicher ist, dass dies Vedad Ibisevic sein wird. Da das gegnerische Tor auswärts naturgemäß etwas weiter entfernt ist als zu Hause, weil die eigene Abwehr tiefer steht, ist es fast zwangsläufig, dass Dardais Wahl auf den elf Jahre jüngeren und deutlich laufstärkeren Selke fällt. Das dürfte in der Rückrunde häufiger der Fall sein, obwohl Ibisevic Herthas Kapitän ist. Die Variante, mit beiden Stürmern aufzulaufen, ist gerade auswärts keine. In Heimspielen sieht das unter Umständen anders aus.

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