zum Hauptinhalt
Präsident in der Provinz. Der DFB-Chef Reinhard Grindel schaute am Samstag beim Pokalspiel von Bayern München beim niedersächsischen SV Drochtersen/Assel zu. Wegen des WM-Scheiterns steht auch er unter Druck.

© Carmen Jaspersen/dpa

Reinhard Grindel nach dem WM-Debakel: Der Kapitän ohne Kommandos

DFB-Präsident Reinhard Grindel versucht sich erneut an dem Fall Mesut Özil und an Reformen. Einen Rücktritt hält er für ausgeschlossen. Doch das allein wird nicht reichen.

Reinhard Grindel ist nicht zu beneiden. Der 56 Jahre alte Präsident des Deutschen Fußball-Bundes musste den Jahrhundertsommer durcharbeiten. Okay, er hat ja auch ein Jahrhundertscheitern zu managen, das desaströse Vorrundenaus der Nationalmannschaft bei der WM in Russland. Mehr als zwei Tage in Österreich seien nicht drin gewesen, erzählte Grindel nun in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Die Vorgänge des Sommers hätten ihn auch persönlich sehr berührt. „Dann ist es besser, wenn man als Kapitän vor Ort auf der Kommandobrücke entscheidet“, sagte er.

So sieht Grindel sich gern, als Kapitän auf der Brücke, der die Kommandos gibt. Nur hat er leider gar keine Kommandos gegeben, nichts ist entschieden worden seit der peinlichen 0:2-Niederlage gegen Südkorea, die die deutsche Nationalmannschaft als Gruppenletzter aus dem WM-Turnier fegte. Alles hängt letztlich von Joachim Löw ab, dem Bundestrainer. Der darf sich bis Ende August Zeit nehmen für seine WM-Analyse. Eine quälend lange Zeit.

Solange Löw schweigt, gibt es keinen neuen Sachstand. Seit dem 27. Juni ist nicht viel passiert, für Grindel gab es keinen Grund unablässig Wacht zu halten auf der Kommandobrücke. Zwei Dinge sind passiert, die die Nationalmannschaft betreffen und damit in gewisser Weise auch Grindel. Erst ist Mario Gomez aus der Nationalelf zurückgetreten, dann Mesut Özil. Letzterer nicht ohne gerade gegen Grindel schwere Vorwürfe zu erheben. Auf den DFB-Präsidenten persönlich bezogen schrieb Özil am 22. Juli in seiner dreiteiligen Erklärung: „Ich werde nicht länger der Sündenbock sein für seine Inkompetenz und Unfähigkeit, seinen Job gut zu machen.“

Im Fall Özil hat Grindel viele Position eingenommen

Anderntags ließ Grindel eine DFB-Pressemitteilung verbreiten, ein persönliches Wort blieb aus. Wenn man so will, dann hat Grindel es jetzt, fast vier Wochen später nachgereicht. Im Umgang mit Özil räumte er Fehler ein. „Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen. Da hätte ich klare Worte finden sollen. Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel. Dass er sich da vom DFB im Stich gelassen fühlte, tut mir leid“, sagte Grindel.

Hintergrund ist ein Foto Özils und Ilkay Gündogans in London mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am 13. Mai. Anderntags hatte Grindel dies kritisiert. Es sei nicht gut, „dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen. Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere beiden Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.“ Kurz nach dem WM-Aus hat Grindel Özil unmissverständlich zu einer Erklärung aufgefordert. Am Wochenende sagte er nun: „Ich hätte mir eine solche Erklärung auch gewünscht, wenn wir Weltmeister geworden wären.“ Im Fall Özil hat Grindel inzwischen viele Position eingenommen. Auch deshalb hat der DFB-Kommandobrückenkapitän dieses Thema nie in den Griff bekommen.

Rummenigge warf dem DFB fehlende Professionalität vor

Seit dem WM-Aus steckt der DFB in einer Krise. Grindel gilt der breiten Öffentlichkeit als angeschlagen. Einen Rücktritt hält er aber für ausgeschlossen. „Ich habe sehr großen Rückhalt bei den Landesverbänden und in der Bundesliga“, sagte Grindel. Wir groß er wirklich ist, wird sich zeigen, wenn Löw der Start in die Nationenliga Anfang September gegen Weltmeister Frankreich misslingt und Deutschland Ende September nicht den Zuschlag für die EM 2024 erhält.

Anfang August noch hatte Karl-Heinz Rummenigge den DFB-Chef massiv angegriffen. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern sprach von fehlender Professionalität in der DFB-Führung. Die Verbandsspitze sei „durchsetzt von Amateuren“. Grindel neige „zum Populismus, um öffentlich Beifall zu bekommen. Das hängt womöglich damit zusammen, dass er nicht aus dem Fußball, sondern der Politik kommt“, sagte Rummenigge.

So zu verstehen ist Grindels Überlegung, nun wieder eine größere Nähe zwischen dem Nationalteam und den Fans herzustellen. Es soll mehr öffentliche Trainings geben und die Ticketpreise für Länderspiele sinken. Zudem will er den albernen Begriff „Die Mannschaft“ abschaffen. Das allein wird nicht reichen, ganz gleich wie viel er arbeitet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false