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Verteidiger mit Drang nach vorne. Valentino Lazaro ist bei Hertha gesetzt.

© AFP/John MACDOUGALL

Rechtsverteidiger bei Hertha BSC: Valentino Lazaro ist der neue Mitchell Weiser

Valentino Lazaro als Rechtsverteidiger schreibt bei Hertha BSC das Modell Weiser fort. Der Österreicher musste erst dazu überredet werden.

Bei der letzten öffentlichen Trainingseinheit in dieser Woche ließ Trainer Pal Dardai auf kleine Tore spielen, zehn gegen zehn. Die Torhüter trainierten separat, und hinten im Käfig übte eine weitere Gruppe. Es waren aber keine Rekonvaleszenten, die sich gerade wieder an den Kader heranarbeiten. Es waren Spieler, die derzeit außen vor sind: Sidney Friede, Pascal Köpke, Alexander Esswein – und Lukas Klünter.

Zwei Millionen Euro hat Hertha BSC im Sommer für den Kölner Klünter gezahlt, der die frei gewordene Position von Mitchell Weiser rechts in der Viererkette übernehmen sollte. Für Berliner Verhältnisse war das eine gewaltige Investition. Bisher aber hat Klünter noch nicht nachweisen können, dass er das Geld wert ist. Nach einem guten Drittel der Saison kommt er auf exakt einen Einsatz und einen Ballkontakt. In Wolfsburg wurde Klünter eingewechselt – in der Schlussminute. Seitdem schaffte er es kein einziges Mal mehr in den Kader. „Es ist eine sehr schwierige Situation für Lukas“, sagt Dardai. „Den rechten Verteidiger wechselst du sehr selten aus.“

„Das Schwierigste war, ihn zu überreden“

Diese Aussage lässt sich statistisch zweifelsfrei belegen. Bei Hertha gibt es genau zwei Spieler, die bei allen zehn Pflichtspielen dieser Saison in jeder Sekunde auf dem Platz standen: der erst 19 Jahre alte Mittelfeldspieler Arne Maier, der allerdings am heutigen Samstag bei Fortuna Düsseldorf (15.30 Uhr, live bei Sky) eine schöpferische Pause bekommen könnte. Und eben der rechte Verteidiger. Dass der bei Hertha Valentino Lazaro heißt, das hätte vor der Saison wohl auch kaum jemand gedacht. Am wenigsten vermutlich Lazaro selbst. „Ich bin natürlich viel lieber weiter vorne“, sagt er.

Im offensiven Mittelfeld hat der Österreicher in der vergangenen Saison, seiner ersten bei Hertha, einen überaus positiven Eindruck hinterlassen. Dass Dardai ihn eine Reihe nach hinten versetzte, war alles andere als zwingend – und hat Lazaro auch nicht gerade in Ekstase versetzt. „Das Schwierigste war, ihn zu überreden“, erzählt Dardai. „Natürlich denkt er erst einmal: Ich bin Angreifer. Was soll ich da hinten?“ Aber der Ungar hat Lazaro davon überzeugt, dass die neue Position ihrer Bezeichnung zum Trotz eine offensive ist – oder besser: sein soll. „Bei eigenem Ballbesitz bist du ein richtiger Angreifer.“ So wie bei Lazaros Tor gegen Borussia Mönchengladbach, als er den Ball an der Mittellinie eroberte, mit einem Diagonallauf in den Strafraum startete und schließlich per Kopf vollendete.

Lukas Klünter würde die Rolle wohl eher auf die klassische Art interpretieren, nach vorne wie hinten immer die Linie entlang. Mit Lazaro schreibt Dardai hingegen das Modell Weiser fort. Mitchell Weiser war für Herthas Trainer „unser kleiner Spielmacher“, weil er die Seitenlinie nur widerwillig als Autorität akzeptierte und sich stets als Freigeist verstand. So ähnlich ist das auch bei Lazaro, dem Dardai ebenfalls Spielmacherqualitäten bescheinigt. „Irgendwann hat es ihm gefallen“, sagt er.

Dardai sagt: Wir sind sehr zufrieden

Mal mehr, mal weniger. „Meine Qualitäten sollen nicht verloren gehen, sonst macht es keinen Spaß mehr“, sagt der 22-Jährige. Spiele wie das vor einer Woche gegen Leipzig, wo er kaum mal an den Ball kommt und eigentlich nur zum Verteidigen gezwungen ist, besitzen für Lazaro einen beschränkten Spaßfaktor. „Das ist gar nicht meins“, sagt er. „Ich bin der, der weiter vorne den Gegner anlaufen will. Das motiviert mich mehr.“ Wann immer sich ihm eine Gelegenheit bietet, sich ins Angriffsspiel einzuschalten, „sieht man mich nach vorne sprinten“.

Neu ist die Position für Lazaro nicht. Er hat sie schon in Salzburg gespielt, gelegentlich auch in der österreichischen Nationalmannschaft. Natürlich hat er sich Dardais Anliegen nicht widersetzt. Und da es bisher ja auch ganz gut funktioniert, versteht er auch, „dass es für den Trainer keinen Grund gibt, was zu ändern“. Dardai findet, dass Lazaro immer besser geworden sei, was sich vor allem auf die Gewöhnung an den defensiven Part bezieht. Anfangs hatte der Österreicher noch Schwierigkeiten, mögliche Gefahrensituationen richtig einzuschätzen und sich entsprechend zu positionieren. Er selbst spricht von einer Raumgefühlssache.

Herthas Trainerteam hat mit ihm konkret daran gearbeitet. Offenbar mit Erfolg. „Er hat auch gegen die Top-Mannschaften gut verteidigt, die Angreifer abgelaufen“, sagt Dardai. „Wir sind sehr, sehr zufrieden.“ Die extremste Erfahrung hat Lazaro im Spiel gegen die Bayern gemacht, als er sich in der ersten Hälfte immer wieder Franck Ribéry in undankbaren Eins-gegen-eins-Situationen ausgeliefert sah, die der Franzose meistens für sich entschied. Nach der Pause drängten die Bayern zwar, aber Ribéry fiel nun deutlich weniger auf. Valentino Lazaro sagt: „Es macht Spaß, wenn man sieht, wie man sich mit ein paar Kniffen verbessern kann und sich auch gegen solche Gegner leichter tut.“

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