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Siege verleihen Flügel. Im fünften Aufeinandertreffen gelang den Leipzigern der erste Erfolg gegen den FC Bayern. Sandro Wagner (r.) konnte sich immerhin noch über sein Tor zum 1:0 freuen, doch danach waren die Sachsen, hier Ibrahima Konaté, überlegen und gewannen verdient.

© Matthias Rietschel/Reuters

RB Leipzig zeigt, wie man Bayern schlägt: Mit dem Mut der Verzweiflung

RB Leipzig gewinnt erstmals gegen den FC Bayern München, weil sich Trainer Ralph Hasenhüttl für Mut und gegen Verzsagtheit entscheidet.

Für einen Moment wirkte es so, als wäre die Zeit eingefroren. „Nee“, hatte Hasan Salihamidzic auf die Frage geantwortet, ob die 1b-Besetzung der Bayern mit der Aufgabe gegen Rasenballsport Leipzig vielleicht überfordert gewesen sei. Dann schwieg der Sportdirektor der Münchner. Seine Gesichtszüge strafften sich, er blickte so eisig wie der Wind, der durch das umgebaute Zentralstadion in Leipzig gepfiffen hatte. Nichts rührte sich, nichts zuckte. Und zumindest in diesem Moment konnte man ahnen, dass die Bayern doch ein bisschen genervt waren von der 1:2-Niederlage gegen den Vizemeister der Vorsaison.

„Schlimm ist es nicht, wurmen tut es trotzdem“, sagte Innenverteidiger Mats Hummels, der nach dem Spiel ausführlich Auskunft erteilte und trotz der ersten Pflichtspielniederlage gegen die Leipziger überhaupt sehr aufgeräumt wirkte. Es ist ja auch nichts passiert. Meister - zum sechsten Mal hintereinander - werden die Bayern trotzdem. Vielleicht am nächsten Spieltag in knapp zwei Wochen, zu Hause gegen Borussia Dortmund. Was natürlich um einiges schöner wäre, als in Leipzig bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt feiern zu müssen. Allerdings sind die Münchner auch am Osterwochenende noch einmal auf fremde Hilfe angewiesen. Ein Sieg gegen den BVB reicht nicht, zudem müsste der SC Freiburg beim FC Schalke einen Punkt holen.

Doch ganz egal, wann es passiert – es wird passieren. „Wichtig ist, dass wir einen Riesenvorsprung haben“, sagte Bayerns Trainer Jupp Heynckes. Nach einem Auftritt wie dem in Leipzig wundert man sich allerdings: Wieso eigentlich? Die vermeintlich Übermannschaft der Bayern wirkte alles in allem ziemlich irdisch, ihr Auftritt war ungewohnt fehlerhaft, unpräzise und wenig inspiriert. „Wir haben von Anfang an nicht so in unser Spiel gefunden“, klagte Heynckes. Und so bleiben nach diesem Spiel zwei Fragen: Wie gut sind die Bayern wirklich? Und wie schlecht war in dieser Saison eigentlich die Liga?

Gegen Teams mit Fünferkette spielen die Bayern jede Woche

Der Auftritt der Leipziger war immerhin ein Beispiel dafür, wie man den Bayern begegnen sollte. Nicht mit Fatalismus - klappt ja eh nicht -, nicht über alle Maßen verzagt und komplett eingeschüchtert. Der Auftritt der Leipziger war ein eindeutiges Plädoyer für mehr Mut. „Die Leipziger haben es gut gemacht“, sagte Bayerns Sportdirektor Salihamidzic. „Sie haben gekämpft, waren griffiger und in den Zweikämpfen frischer.“

Das war auch insofern bemerkenswert, als die Leipziger nach ihren bisherigen Erfahrungen mit den Bayern allen Grund zur Verzagtheit gehabt hätten. Viermal hat es dieses Duell in der langen und ruhmreichen Geschichte der Rasenballsportler bisher gegeben. Viermal musste sich der Emporkömmling aus Sachsen dem alten Adel aus München geschlagen geben. Dass es beim fünften Mal anders ausging, hing mit einer radikalen Entscheidung des Leipziger Trainers Ralph Hasenhüttl zusammen. Er schickte seine Mannschaft in einer ungewohnten 3-4-3-Formation aufs Feld, und die Dreierkette in der Abwehr war tatsächlich eine Dreierkette und nicht etwa, wie so oft in solchen Fällen, eine Fünferkette.

Gegen Teams mit Fünferkette spielen die Bayern jede Woche; genau das aber habe man nicht tun wollen, erklärte Hasenhüttl. Der Plan war, sich „nicht hinten reinnageln“ zu lassen, sondern forsch drauf zu gehen und die Bayern mit Wucht zu attackieren. „Wir wollten nicht, dass sie in ihren Rhythmus kommen“, sagte Leipzigs Trainer. So geschah es. Der Rhythmus des Spiels - eine ewige Abfolge von Ballgewinnen und Ballverlusten - erinnerte über weite Strecken an experimentellen Jazz, der den Bayern gar nicht gefiel. Trotzdem sagte Jupp Heynckes: „Für uns ist es kein Beinbruch, gegen eine so gute Mannschaft zu verlieren.“

Das ist natürlich das Problem der Liga: dass die meisten der anderen Bundesligisten eben nicht die fußballerische Qualität der Leipziger besitzen, um den Bayern offensiv zu begegnen; dass Mut bei vielen anderen Mannschaften nichts anderes als Übermut wäre. Die Leipziger konnten den Plan ihres Trainers umsetzen, obwohl sie das neue System nur einmal trainiert hatten. Hasenhüttl stellte sich nach dem Abschlusstraining die Frage: „Verunsichern wir die Jungs oder helfen wir ihnen damit?“ Am Ende entschied er sich für den Systemwechsel, gerade weil die Leipziger noch nie gegen die Bayern gewonnen hatten: „Okay, probieren wir halt mal was anderes.“ Es war also nicht einfach nur Mut, mit dem die Leipziger den Bayern begegnet waren. Er war schon fast der Mut der Verzweiflung.

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