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Mal was Neues. Auch das Radfahren zu einer ungewohnten Uhrzeit kann eine neue Inspiration sein.

© Tobias Hase/dpa

Radkolumne "Abgefahren": Frühe Eule fängt keinen Wurm

Neue Inspirationen zu suchen, sind wichtig im Radsport. Auch wenn es nur das Training zu einer ungewohnten Tageszeit ist. Das kann dann schwerfallen.

Es gibt in der Schlafforschung die beiden Vogeltypen, die den unterschiedlichen menschlichen Schlafrhythmus beschreiben. Die Lerche steht für den Typ Frühaufsteher, der auch eher früh ins Bett geht. Das Gegenteil dazu ist die Eule, der Typ Langschläfer, der spät ins Nachtlager findet. Ich gehöre klar zum zweiten Typ, was sich auch in der Durchführung meiner radsportlichen Aktivitäten niederschlägt. Wenn es geht, fahre ich erst mit dem Rad los, wenn ich richtig wach bin und gut gefrühstückt habe.

Neulich ging es im Gespräch mit dem Schützling mal wieder um den richtigen Zeitpunkt des Radtrainings. In Anbetracht der derzeit warmen Temperaturen tagsüber ist das ein ernstes Thema für jemanden, der ambitioniert mit dem Rennrad unterwegs ist und außerdem noch einem geregelten Beruf nachgeht. Da bleibt theoretisch für das Hobby nur die Zeit nach der Arbeit. Doch dann ist zu viel Ozon in der Luft, die Straßen sind voll und warm ist es meist auch. Ganz abgesehen davon ist die Motivation nach einem langen Arbeitstag auf einem eher niedrigen Niveau. Und nachts braucht man auch seinen Schlaf.

Theoretisch gäbe es eine Alternative: „Man könnte auch morgens um fünf Uhr schon trainieren fahren. Da ist die Luft sauber und du bist dann frisch um 8.30 bei der Arbeit.“ Das sagte ausgerechnet ich, eine bekennende Eule, dem Schützling. Keine Ahnung, was in mich gefahren war. Der Schützling fand die Idee aber so toll, dass er mich drei Tage später zum gemeinsamen Training verpflichtete.

Pünktlich um fünf Uhr ging es kurz nach Sonnenaufgang mitten in der Woche los. Eine Stunde vorher hatte mich der Wecker aus dem viel zu kurzen Schlaf gerissen. Um möglichst wenig Zeit zu verlieren, hatte ich ausnahmsweise alle fahrradrelevanten Dinge schon am Vorabend vorbereitet. Sogar die Radklamotten lagen bereit. Das hatte ich das letzte Mal vor 30 Jahren gemacht, als ich noch Rennen gefahren bin. Auf das Frühstück verzichtete ich, der Espresso aus der Siebträgermaschine musste reichen.

Tiere flüchten vor den Fahrrädern

Mit der aufgehenden Sonne im Rücken fuhren wir über die Glienicker Brücke nach Potsdam. Von da aus ging es weiter Richtung Werder und dann auf dem Havelradweg bis zur Fähre nach Ketzin. So viele Störche, Reiher und Hasen an der Strecke, noch dazu im lebenden Zustand, habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die Tiere zeigten sich jedoch ein wenig überrascht ob der frühen Störung und suchten meist schnell das Weite.

Von Ketzin führte die Strecke dann mit einem kleinen Schlenker über Seeburg nach Gatow und über die Havelchaussee zurück nach Hause. Pünktlich um 8:10 Uhr waren wir wieder in Zehlendorf. Der Schützling ging zur Arbeit und auch ich nutzte den Vorteil, den ganzen Tag noch vor mir zu haben. Nach einer Dusche legte ich mich noch einmal eine Stunde aufs Ohr. Man will ja schließlich nicht aus dem Rhythmus kommen.

Michael Wiedersich ist Radsporttrainer und Sportjournalist und schreibt hier wöchentlich seine Radkolumne im Wechsel mit Tagesspiegel-Volontär und Läufer Felix Hackenbruch.

Michael Wiedersich

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