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Manche glauben, auf die schwarze Katze folgt das Unglück.

© picture alliance / Sebastian Gol

Radkolumne „Abgefahren“: Achtung, schwarze Katze!

Unser Kolumnist ist nicht abergläubisch - also fast nicht. Schwarze Katzen sollten ihm jedenfalls nicht vors Rad laufen.

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer. Hier schreibt er im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Der Aberglaube ist in der Welt des Radsports weit verbreitet. Selbst normalerweise vernünftige Menschen sind davor offenbar nicht gefeit. Wenn ein Radprofi einen Sieg herausfährt, präsentiert er im Überschwang der Gefühle gerne öffentlich den verantwortlichen Glücksbringer. Es gibt Küsschen auf Ringe und Ketten, Tattoos werden in die Zielkamera gehalten oder mit dem Finger in den Himmel gezeigt. Es muss offenbar irgendwo unsichtbare Mächte geben, die den Erfolg erst möglich gemacht haben.

Ich halte von diesem Hokuspokus nichts. Mit Wattwerten, Herzfrequenzen und allerhand anderer Daten kann alles sachlich und objektiv erklärt werden, Erfolg wie Misserfolg. Nur wenn es um den Mythos der schwarzen Katzen geht, werde auch ich schwach. Die Farbe schwarz galt im Mittelalter als unheilbringend, schwarze Katzen wurden meist Hexen und Zauberern zugeordnet. Kommt der Stubentiger nun von rechts, bringt das Glück. Unheil droht, wenn eine schwarze Katze den Weg von links nach rechts kreuzt. In diesem Fall packt mich regelmäßig eine gewisse Unruhe, und ich neige zu irrationalen Übersprungshandlungen, so wie es vor einigen Tagen in Templin war.

Gut gelaunt fuhr ich dort diesen wunderschönen Uferweg am Schwielowsee entlang, kein Mensch weit und breit. Dann lief mir dieser schwarze Kater über den Weg, leider von links nach rechts. Das konnte auf jeden Fall nichts Gutes bedeuten. Mit aller Macht wollte ich das Schicksal besiegen. Kurzerhand drehte ich deswegen um, damit dieser kleine schwarze Teufel auf der linken Seite blieb, wo ja bekannterweise das Glück zuhause ist. Das schlaue Tier hatte aber wohl etwas dagegen und rannte zurück, wo es hergekommen war. Klarer Fall von Pech gehabt also.

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In den nächsten Tagen blieb ich vorsichtig. Die Vorzeichen waren einfach zu eindeutig. Als die Begegnung mit dem Unglücksboten schon fast vergessen war, passierte es schließlich. Bei einer kurzen Pause während des Radtrainings fiel mir mein tragbares Telefon aus der Rückentasche auf den Boden. Das Glas ging zu Bruch und damit auch große Teile meiner digitalen Radfahrwelt. Trotzdem fühlte ich so etwas wie Erleichterung. Denn wenn das Unheil, das mir von der schwarzen Katze in Templin vorhergesagt worden war, nur darin bestand, dass das Smartphone herunterfällt, konnte ich damit leben.

Ohne Schaden überstand ich sogar Freitag, den 13. Das Radtraining fiel entsprechend kurz aus, nur nicht zu viel Risiko gehen. Den Resttag verbrachte ich zuhause mit dem Austausch des Telefon- Displays. Als sogar das ohne Probleme klappte, dachte ich, das Pech sei endgültig besiegt. Nach einem langen Sonntag auf dem Rad freute ich mich schon, dass der ganze Aberglaube für diese Woche komplett ausgestanden war.

Doch beim Essen kippte die gute Laune bei mir dann schlagartig. Ich biss auf etwas sehr Hartes. Ein großer Teil meines Backenzahns verabschiedete sich daraufhin aus seiner gewohnten Umgebung. Die schwarze Katze sollte also recht behalten.

In Zukunft werde ich mich wohl nicht mehr zu früh in Sicherheit wiegen. Oder es wie die Menschen in Asien halten. Dort ist eine den Weg kreuzende Katze immer ein Glücksbringer, egal aus welcher Richtung sie kommt.

Michael Wiedersich

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