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Lebensgefährlich. Aus dem Hertha-Block werden Raketen aufs Spielfeld geschossen.

© Britta Pedersen/dpa

Update

Pyro bei Union gegen Hertha: „Raketen aufs Spielfeld? Ich glaub‘, es hackt“

Viel Krampf, wenig Fußball – das Berliner Derby ist sportlich keine Offenbarung. Dafür bringen sich die Fans nachhaltig in Erinnerung. Leider negativ.

Rafal Gikiewicz hat einen ereignisarmen Abend hinter sich. Der Torhüter des 1. FC Union musste wirklich nicht viel tun, um beim 1:0-Erfolg gegen Hertha BSC die Null zu halten, spektakuläre Paraden sind von ihm nicht erinnerlich. Trotzdem hallen nach dem Spiel „Gikiewicz! Gikiewicz“-Rufe durch die Alte Försterei. Und die hat sich der Torhüter auch redlich verdient.

Die beste Parade des Spiels gelingt ihm sozusagen nach dem Schlusspfiff. Vor der Waldseite mit den Fans des 1. FC Union machen gerade die ersten Vermummten Anstalten, sich bei den gegnerischen Fans persönlich vorzustellen. In Freundschaft würden sie eher nicht kommen. Doch Gikiewicz greift beherzt zu, und tatsächlich gelingt es ihm, unter dem Jubel der Zuschauer einen möglichen Sturm des Hertha-Blocks zu verhindern.

Zu diesem Zeitpunkt fliegen immer noch Raketen aus der Gästekurve durch den Köpenicker Nachthimmel – vornehmlich aufs Spielfeld, wo die Unioner ihren ersten Derby-Heimsieg überhaupt gegen Hertha feiern, aber auch Richtung Sitzplatztribüne. Und einige Raketen werden so von unten gegen das Stadiondach abgefeuert, dass sie gleich im Nachbarblock mit Anhängern Unions einschlagen.

Schiedsrichter Deniz Aytekin berichtet später, dass ein Zuschauer verletzt worden sei. Raketen in die Ränge zu schießen „gehört sich nicht“, sagt Unions Trainer Urs Fischer. „Aber ich empfand es nicht als tragisch, weil alle ruhig und irgendwie sachlich geblieben sind.“

[Mehr zum Thema: Torhüter verhindert Platzsturm – wie Rafal Gikiewicz die Union-Chaoten stoppte]

Trotzdem ist es das traurige Ende eines Derbyabends, der sportlich erst kurz vor Schluss durch ein Elfmetertor des eingewechselten Sebastian Polter zugunsten des Aufsteigers entschieden worden ist. Das passt zu diesem Novemberabend in Köpenick. Die Darbietungen beider Mannschaften sind fast durchgängig dürftig: viel Kampf, viel Krampf, wenig Fußball. Die einprägsamsten Derbybilder kommen diesmal von den Rängen – und es sind am Ende keine schönen Bilder.

Brennende Schals. Herthaner (im Bild) wie Unioner verbrennen jeweils Utensilien der Gegenseite.
Brennende Schals. Herthaner (im Bild) wie Unioner verbrennen jeweils Utensilien der Gegenseite.

© Tobias Schwarz/AFP

Dass es in solchen Spielen knistert, ist mehr als eine Metapher. Derby wird nicht nur auf dem Rasen gespielt, sondern vor allem auf den Rängen. Kurz vor dem Anpfiff kommt es zur ersten Entladung, als auf beiden Seiten die Choreografien präsentiert werden. „Spreeathen ist Weiß und Rot“, verkünden die Unioner. „Es gibt nur ein Berlin und das ist mein Berlin“, kontern die Herthaner. Auch fortan geht der Trashtalk – mit entsprechenden Transparenten – zwischen den Blöcken weiter.

[Mehr zum Thema: Pyro-Krawall beim Berlin-Derby – im Kampf gegen die Zündler muss sich endlich etwas tun]

Aber es bleibt nicht bei Worten. In der Kurve der Gäste werden quasi mit dem Anpfiff pyrotechnische Erzeugnisse gezündet, eine erste Rakete fliegt in den Nachbarblock. Das erste Bundesliga-Derby beider Klubs hat gerade erst begonnen, da muss Schiedsrichter Aytekin es auch schon wieder unterbrechen – es ist nicht das letzte Mal an diesem Abend.

Pyrotechnik von hüben und drüben. Was hat das noch mit Fußball zu tun?
Pyrotechnik von hüben und drüben. Was hat das noch mit Fußball zu tun?

© dpa

Gleich zu Beginn der zweiten Hälfte brennt es an allen Ecken und Enden. Erst zündeln die Unioner, kurz darauf legen die Gäste nach. Dichter Rauch zieht Richtung Platz, drei Raketen folgen. Eine landet hinter der Mittellinie in der Schnittstelle von Herthas Viererkette, eine andere fliegt gefährlich nah Richtung Unions Trainerbank. Urs Fischer, der Coach des Aufsteigers, springt verschreckt von seinem Sitz auf.

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„Zum Glück ist niemand verletzt worden“, sagt Aytekin, dem es nun reicht. In Absprache mit der Polizei schickt er die Mannschaften in die Kabinen. „Raketen aufs Spielfeld? Ich glaub', es hackt“, sagt Stadionsprecher Christian Arbeit. Für sechs Minuten wird die Begegnung unterbrochen, und als sie läuft, macht Arbeit noch einmal klar, dass bei weiteren Zündeleien der Spielabbruch drohe.

Davon, dass die Fans beider Klubs mal miteinander befreundet waren, ist nichts mehr zu spüren. Die Ultras bedienen die Klaviatur der gewöhnlichen Fußballfeindschaften. So wie eine Viertelstunde vor Schluss, als die Union-Fans am Zaun vor der Waldseite blau-weiße Schals, Trikots, Fahnen präsentieren.

Später verbrennen Herthas Fans Devotionalien in Rot-Weiß. „Beide Seiten haben sind nicht vorbildlich verhalten“, sagt Herthas Coach Ante Covic. Wie du mir, so ich dir. Dummheit kennt keine Farben.

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