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Podestplätze bei Olympia sind für Russland Usus.

© dpa

Putin trifft es weniger hart als erwartet: Sportrichter verhängen zweijährige Olympia-Sperre gegen Russland

Der Sportgerichtshof Cas halbiert den Doping-Bann. Das ist immer noch schmerzlich für die Kremlführung, die dem Sport viel Bedeutung beimisst.

Es gibt im Moment nun wirklich wichtigere Dinge als den Sport. Im Kreml sah man das am Donnerstag aber mit Sicherheit anders. Der Internationale Sportgerichtshof Cas hatte tags zuvor bekanntgegeben, sein Urteil über Russlands Doping-Bann zu fällen.

Am Nachmittag herrschte dann Klarheit: Der Cas verwarf die Empfehlung der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada insofern, als Russland nur in den nächsten zwei statt vier Jahren keine großen Sportveranstaltungen selbst austragen darf. In dieser Zeit müssen die Athletinnen und Athleten des Riesenreichs unter neutraler Flagge bei den Sportevents wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen antreten. Als Erstes berichtete die New York Times darüber.

Konkret betrifft das unter anderem die Sommerspiele im nächsten Jahr in Tokio (wenn sie denn stattfinden können), die Winterspiele ein Jahr später in Peking sowie die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Das Urteil ist noch nicht letztinstanzlich. Russland kann vor dem Schweizer Bundesgericht in Berufung gehen. Die Chancen auf Erfolg sind hierbei aber verschwindend gering.

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Das abgemilderte Urteil trifft Russlands Kremlführung trotzdem hart. Dort herrscht immer noch ein Sportverständnis, das aus Sowjetzeiten rührt. Russland hat eine – mit Blick auf die Medaillen – glänzende Historie im Leistungssport. Das liegt vor allem daran, dass es mit Ausnahme von China kaum ein Land gibt, bei dem das sportliche Höher, Schneller, Weiter so sehr Staatsauftrag ist. Russlands Präsident Wladimir Putin, der sich gerne mal in Eishockeymontur ablichten lässt, misst dem Sport eine große Bedeutung bei.

Schon im Vorfeld hatte sich Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, überraschend deutlich für harte Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. „Wir erwarten ein klares und hartes Urteil als sichtbares Signal für den weltweiten Kampf gegen das Doping“, sagte er. „Alles andere wäre nach dem, was in Russland offenkundig an Verwerflichem passiert ist, eine bittere Enttäuschung.“ Hörmann teilte mit dieser Einschätzung auch die Mehrheitsmeinung in der Welt des Sports.

Die Chance auf Rehabilitation wurde kolossal verspielt

Passiert war, dass Russland offensichtlich systematisches Doping betrieben hatte. Herausgekommen war es auch, weil Personen, die unmittelbar in das Doping-System eingebunden waren, das Betrugsgebilde zum Einsturz brachten.

So machte der Direktor des russischen Anti-Doping-Labors, Grigori Rodschenkow, vor vier Jahren bekannt, dass er und seine Mitarbeiter bei den Winterspielen 2014 in Sotschi die Urinflaschen womöglich dopingbelasteter russischer Athletinnen und Athleten gegen saubere Urinflaschen ausgetauscht hatten. Sogar der russische Geheimdienst soll mitgeholfen haben.

Russland wurde teilweise vom Sport ausgeschlossen, bekam dann im vergangenen Jahr die Chance auf Rehabilitation – die kolossal verspielt wurde. Die russische Anti-Doping-Agentur Rusada, die mit Anti-Doping offenbar nichts am Hut hat, soll positive Dopingtests von 145 Athletinnen und Athleten gefälscht oder gelöscht haben. Auch hier hatte ein Insider den entscheidenden Hinweis gegeben.

Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. Das bekannte Zitat wurde zu DDR-Zeiten auch gerne im Sport angewandt. Doch die Zeiten, in denen man vom russischen Riesenreich im Sport etwas lernen konnte, sind lange vorbei. Die Russen haben sich gehörig blamiert in den vergangenen Jahren. Die nächste Strafe auf den mutmaßlich von oben orchestrierten Betrug folgte am Donnerstag.

Putin und seine Mitstreiter werden vermutlich in den kommenden Tagen und Wochen das Narrativ bedienen, nach dem an Russland ein Exempel statuiert werde und in anderen Ländern ebenfalls gedopt werde. Diese Töne waren bereits in der Vergangenheit aus dem Kreml zu hören, der ehemalige Regierungschef Dmitri Medwedew tat sich hier hervor.

Auch Kritik am Internationalen Sportgerichtshof Cas wurde laut. Dessen Unabhängigkeit wurde und wird gerade von russischer Seite in Frage gestellt. Tatsächlich nicht völlig zu Unrecht. Die Sportverbände haben gewichtigen Einfluss auf das rechtsprechende Organ. Es gibt bis heute ein enges Band zwischen Verbänden und Sportgerichtsbarkeit. Auf der anderen Seite ist unter Rechtsexperten unzweifelhaft, dass die Einhaltung der Verfahrensgarantien gewährleistet und der Cas trotz seiner Struktur ein faires Gericht ist.

Die Frage wird nun sein, ob Russland die erneute Strafe als Anlass nimmt, sein Sportsystem endlich zu reformieren. Oder ob es weiterhin Medaillen sammeln will um jeden Preis.

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