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Grün ist die Hoffnung, grau die Realität. Auch der 1. FC Union hofft, seine Fans bald wieder empfangen zu dürfen.

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Profiklubs dringen auf verbindliche Corona-Regeln: Der Spitzensport taumelt dem Abgrund entgegen

Die Profiklubs brauchen ihre Fans zum Überleben. Doch die Politik kann ihnen nicht sagen, ob und wann Zuschauer wieder zugelassen werden können.

Keine Zuschauer bis Ende Dezember in den Hallen und Stadien? Was bedeutet das für den Sport? Die Profiklubs sind schwer alarmiert, nachdem am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder sich darauf geeinigt hatten, dass Großveranstaltungen bis mindestens Ende Dezember 2020 nicht stattfinden sollen.

Hoffnung macht den Klubs der Einschub, dass dies nur für Veranstaltungen gilt, „bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist“. Im Umkehrschluss bedeutet das: Jene Vereine, die die Auflagen garantieren können, dürfen theoretisch Fans zulassen.

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Doch an dieser Stelle wird es kompliziert. Ab wie vielen Zuschauern ist eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung der Hygieneregeln noch möglich? Und mit welchem Ressourcenaufwand – personeller wie finanzieller Natur – ist die Einhaltung der Auflagen verbunden? Hinzu kommt, dass beide Fragen von Austragungsort zu Austragungsort unterschiedlich beantwortet werden dürften.

Das wiederum würde bedeuten, dass die zugelassene Kapazität an Zuschauern in den Hallen und Stadien stark variiert. Die Chancengleichheit wäre nicht gewährleistet – und genau das würde einer einheitlichen Lösung in der Frage nach der Wiederzulassung von Zuschauern entgegenstehen. Das alles heißt: Gewiss ist einmal mehr nur die Ungewissheit. Im Moment kann noch kein Mensch sagen, was konkret die vermeintlichen Beschlüsse vom Donnerstag für den Sport zu bedeuten haben. Eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien soll bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen.

Der Wunsch nach Planbarkeit ist groß

Die Unsicherheit, das wurde am Freitag deutlich, geht den Vertretern aus dem Sport zunehmend auf die Nerven. Das Echo war fast sportartenübergreifend das Gleiche: Der Wunsch nach Planbarkeit ist groß. „Es wäre schon wichtig, dass allmählich mal verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen man planen kann“, sagte etwa Stefan Holz von der Basketball-Bundesliga der dpa. Das nicht aufzulösende Problem: Die Pandemieentwicklung ist weiter nicht absehbar, einen festen Rahmen kann es unter diesen Bedingungen gar nicht geben.

Die Aussichten sind dabei für sämtliche Sportarten – mit Ausnahme vielleicht des Bundesligafußballs – düster. Bis zu 40 Prozent und mehr betragen im Basketball, Eishockey, Handball oder Volleyball die Einnahmen aus dem Ticketing und Catering. Im Gegensatz zur Fußball-Bundesliga können die meisten Sportarten die wegfallenden Gelder nicht auffangen, weil sie wenig bis gar keine TV-Gelder beziehen. Viele Vereine sind mit existenziellen Sorgen konfrontiert.

Marco Baldi von Alba Berlin sieht sämtliche Profiligen in einer sehr schweren Lage.
Marco Baldi von Alba Berlin sieht sämtliche Profiligen in einer sehr schweren Lage.

© imago images/isslerimages

Das Signal, das am Donnerstag von der Politik ausging, verstärkte diese Sorgen. „Die Lage ist für die Sportarten sehr, sehr kritisch“, sagte Marco Baldi, Geschäftsführer des Basketballklubs Alba Berlin. Die Ballsportarten im Profibereich seien dafür konzipiert, dass viele Menschen daran teilnehmen. „Ist das nicht mehr gegeben, schlägt das massiv ins Kontor“, erläuterte Baldi gegenüber dem Tagesspiegel.

Der 58-Jährige glaubt, dass eine komplett einheitliche Lösung nicht möglich sei. „Es gibt Spezifika zu berücksichtigen. Wie sind die Parkmöglichkeiten, wie die Zugangsmöglichkeiten in die Hallen und Stadien, wie ist das Belüftungssystem? All das und mehr muss eine Rolle spielen in der Beantwortung der Frage, wie viele Zuschauer zugelassen werden können.“

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Geht es nach den Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC und dem 1. FC Union, soll an den bisherigen Plänen festgehalten werden. Laut der lokalen Senatsverordnung sind ab dem 1. September Großveranstaltungen bis 5000 Teilnehmer in Berlin unter freiem Himmel gestattet. Bedingung ist, dass das Hygiene-Konzept von den lokalen Gesundheitsämtern abgesegnet wird. „Im Moment gehen wir davon aus, dass bis Jahresende mit 5000 Teilnehmern geplant werden kann“, zitierte die „Bild“-Zeitung am Freitag Herthas Finanzchef Ingo Schiller.

Der 1. FC Union wiederum gab am Freitag bekannt, sein Testspiel gegen den Zweitligisten 1. FC Nürnberg am 5. September mit den in Berlin dann maximal erlaubten 5000 Teilnehmern durchführen zu wollen. Die Köpenicker bleiben also ihrem Kurs ungeachtet der Konferenz am Donnerstag treu, mit einem umfangreichen Coronatestvorhaben möglichst schnell wieder ihre Fans im Stadion der Alten Försterei empfangen zu können.

Die DFL versteht die Signale aus der Politik nicht als Absage an bisherige Pläne

Ähnlich verfährt auch die Deutsche Fußball Liga (DFL). Wie diese am Freitag kommunizierte, sei geplant, im November mit der Umsetzung des bundeseinheitlichen Verfahrens zur Rückkehr von Fans zu starten, sofern das Infektionsgeschehen dies erlaube. „Unabhängig davon erteilt der Bund-Länder-Beschluss vom gestrigen Tage Großveranstaltungen (...) offensichtlich keine grundsätzliche Absage“, hieß es von Seiten der DFL.

Der Fußball machte am Freitag nicht den Eindruck, als würde er die Verabredungen der Politik als Hinweis verstehen, weniger zu drängeln in Sachen Wiederzulassung von Zuschauern. Trotz der TV-Gelder stehen auch die Fußballklubs unter großem finanziellen Druck.

Dass der Sport die Chance bekommt, seine Besucher zurückzugewinnen, hofft auch der Landessportbund Berlin (LSB). „Wir blicken mit Interesse auf das Leichtathletikmeeting Istaf am 13. September mit 3500 Zuschauern“, sagte LSB-Präsident Thomas Härtel. Der LSB Berlin sei dafür, dass man solche Ereignisse nutze, um Erfahrungen zu sammeln, gerade auch mit Blick auf den Fußball. „Wir denken, dass es besser ist, sich an Großveranstaltungen heranzutasten, als diese generell abzulehnen.“

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