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Aushilfe für außen. Jonas Hofmann (3.v.r.) und Thilo Kehrer (r.) sind auf anderen Positionen zu Hause, spielen in der Nationalmannschaft aber als Außenverteidiger.

© dpa

Problemzone Außenverteidigung: Auch Hansi Flick muss improvisieren

Bundestrainer Flick lobt immer wieder die Qualität im Kader der Nationalmannschaft. In der Außenverteidigung aber muss er sich mit Notlösungen behelfen.

Antonio Rüdiger hat am Sonntag einen geruhsamen Vormittag im Hotel verbracht. Wenn er sich mit seinen Teamkollegen auf den Trainingsplatz begeben hatte, wäre das allerdings kaum anders gewesen. Das Abschlusstraining der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor dem WM-Qualifikationsspiel in Nordmazedonien fiel sehr reduziert aus. Ein bisschen im Kreis spielen, ein paar Abschlüsse, das war’s.

Rüdiger fehlte wegen leichter Rückenprobleme, stieg aber später ebenso wie der zuletzt angeschlagene Torhüter Manuel Neuer mit der Nationalmannschaft in Hamburg ins Flugzeug nach Skopje. Neuer wird nach Auskunft von Bundestrainer Hansi Flick am Montagabend wohl wieder als Kapitän auflaufen können.

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Für das Spiel, das den Deutschen bereits vorzeitig die Qualifikation für die WM in Katar bescheren kann, hat Flick alle Mann an Bord. Dass er keine personellen Probleme kennt, wäre allerdings eine unzulässige Schlussfolgerung. Es gibt eine Position, in der sich der Bundestrainer wie schon sein Vorgänger Joachim Löw in der Kunst der Improvisation versuchen und auf fachfremdes Personal zurückgreifen muss.

Seitdem Flick im Amt ist, hat er immer wieder auf die hohe Qualität in seinem Kader verwiesen. Nur ist diese Qualität leider ungleich verteilt. Während der Bundestrainer im zentralen offensiven Mittelfeld zwischen Kai Havertz, Florian Wirtz, Thomas Müller und Marco Reus wählen kann, hat er sich auf den Außenverteidigerpositionen zuletzt mit einem Innenverteidiger (Thilo Kehrer, links) und einem offensiven Mittelfeldspieler (Jonas Hofmann, rechts) beholfen.

Einer muss es ja machen

Das Problem ist nicht neu. Die äußeren Positionen in der Abwehrkette gelten schon seit Jahren als Problemzone des deutschen Fußballs. Weil im Zuge der Akademisierung durch die Nachwuchsreform zu Beginn des Jahrtausends viele technisch begabte Mittelfeldspieler auf den Markt gekommen sind, ist die interne Umschulung keine ganz neue Erfindung. So wie früher halt irgendjemand ins Tor musste, so muss jetzt eben jemand hinten rechts spielen. Oder links.

Ein gewisses strategisches Geschick, wie es zentrale Mittelfeldspieler in der Regel mitbringen, schadet auf der Position nicht. Je enger und undurchdringlicher es in der Mitte wird, desto mehr sind auch auf den Außenbahnen spielmacherische Qualitäten gefragt – und trotzdem war es eine zumindest mittelschwere Überraschung, als im vergangenen Monat gegen Armenien Jonas Hofmann plötzlich hinten rechts verteidigte. Der Profi von Borussia Mönchengladbach, 29 Jahre alt und in der Nationalmannschaft ein Spätberufener, sieht das recht nüchtern. „Wenn man flexibel einsetzbar ist, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, auf dem Platz zu stehen“, sagt er.

Der Gladbacher, der über eine gute Spielintelligenz und ein sauberes Passspiel verfügt, war schon für die EM ein möglicher Kandidat für die Position des Außenverteidigers; allerdings in einer Dreierkette. In einer Viererkette ist das Ganze noch mal ein anderer Schnack. „Am Anfang ist es schon ein Testen“, sagt Hofmann. „Aber man ist schon so ehrgeizig, dass man sich da reinfuchst.“ Er hat Videos von anderen Rechtsverteidigern studiert, um sich bestmöglich auf die ungewohnte Rolle vorzubereiten. „Das ist der Anspruch an mich selbst.“

Gut genug für die Besten?

Dreimal hintereinander haben Hofmann und Kehrer bei der Nationalmannschaft jetzt die Flügelzange gebildet. Es spricht einiges dafür, dass dies auch an diesem Montag gegen Nordmazedonien wieder der Fall sein wird, obwohl es mit David Raum (links) und Lukas Klostermann (rechts) noch möglichen Ersatz im Kader der Nationalmannschaft gäbe. Aber Flick ist als Bundestrainer bisher nicht durch exzessive Wechsel aufgefallen.

Hofmann hat der Bundestrainer nach dem 2:1-Erfolg gegen Rumänien auf Nachfrage sogar ausdrücklich gelobt. „Er hat wieder gezeigt, dass er in der Offensive eine hohe Qualität hat, aber auch in der Defensive gewillt ist, mitzuarbeiten und seinen Mann zu stehen.“ Der Gladbacher hatte in Hamburg einiges gut gemacht. Einiges aber auch nicht so gut. Wenn die Rumänen nach Ballgewinnen schnell umschalteten, hatte er Probleme hinterherzukommen. Dafür eroberte Hofmann einige Bälle durch beherztes Eingreifen umgehend zurück.

Doch wie für die Nationalmannschaft als Ganzes bleibt auch für ihn eine Frage bisher unbeantwortet: Reicht die Qualität für Gegner gehobener Qualität? Könnte Hofmann auch gegen Frankreich in der Viererkette auflaufen, wenn er vornehmlich in der Defensive gefragt wäre? „Derzeit haben wir Gegner, gegen die ich mit meinem Offensivdrang sicher gut aufgehoben bin“, sagt er. Gegen Island, Armenien oder Rumänien ist nicht die Defensive das Problem; die größte Herausforderung ist, „den offensiven Drang ein bisschen unter Kontrolle zu halten und nicht wie ein Wilder nach vorne zu stürzen“.

Nach der ansehnlichen Premiere als Außenverteidiger gegen Armenien ist Adi Hütter, der Trainer von Borussia Mönchengladbach, gefragt worden, ob es eine Option sei, Hofmann auch im Verein hinten rechts spielen zu lassen. Hütter hat das kategorisch ausgeschlossen.

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