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Patrick Franziska kommt wie Timo Boll und Bundestrainer Jörg Roßkopf aus Südhessen.

© imago images / Schreyer

Patrick Franziska vor der Team-EM im Tischtennis: „Ich kann auch gegen die Allerallerbesten gewinnen“

Patrick Franziska stand lange im Schatten von Boll und Ovtcharov. Inzwischen nicht mehr. Er spricht über die EM, Siege gegen Chinesen und die Odenwald-Luft.

Patrick Franziska, 27, hat mehrere EM-Titel und WM-Medaillen gewonnen. Doch im deutschen Tischtennis standen lange nur Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov im Fokus. In den letzten Monaten aber hat Franziska reihenweise Top-Spieler geschlagen. Er steht im Kader des deutschen Teams für die EM in Nantes, die am Dienstag beginnt.

Herr Franziska, der Tischtennis-Weltverband ITTF hat im August ein Video mit den zehn schönsten Ballwechseln der Australian Open veröffentlicht. Sie waren an drei Ballwechseln beteiligt, unter anderem auch an dem auf Platz eins.
Das war eine Szene aus dem Spiel gegen Xu Xin.

Genau, das Halbfinale gegen die Nummer eins der Welt aus China.
Es war das beste Spiel, das ich je gemacht habe. Dafür gehe ich jeden Tag in die Halle zum Training. Leider habe ich trotz eines Matchballs verloren. Das Spiel hat mir zunächst ein paar schlaflose Nächte bereitet, aber es hat mich auch stolz gemacht. Ich habe mir erst viel später die Highlight-Ballwechsel angesehen. Natürlich freut es mich, ein paar gute Dinger gespielt zu haben. Insgesamt war Australien bislang mein bestes Turnier überhaupt.   

Sie haben gegen Xu Xin knapp verloren, aber vorher mit Fan Zhendong erstmals einen chinesischen Topspieler geschlagen. War das mehr als nur ein Sieg bei einem Turnier?
Ich hatte schon ein paar knappe Spiele gegen ihn, aber es hat der letzte Punch gefehlt. Als ich dann nach 0:2-Satzrückstand zum 2:2 ausgeglichen habe, habe ich zum ersten Mal gedacht: Heute knacke ich ihn.

So kam es.
Das gab mir ganz viel neues Selbstvertrauen und die Erkenntnis, dass ich auch gegen die Allerallerbesten gewinnen kann. Das habe ich ins Spiel gegen Mattias Falck mitgenommen…

Den Vize-Weltmeister aus Schweden.
Ich hatte drei Matchbälle gegen mich und habe noch gewonnen. Ich war mir immer sicher, dass meine Bälle kommen können, auch wenn es nicht so läuft. Das war in der Vergangenheit nicht so.

Danach in Malaysia haben Sie mit Liang Jingkun den nächsten Chinesen besiegt. Es war Ihr Sommer. Noch im Frühjahr wurden Sie der „unsichtbare Dritte“ hinter Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov genannt. Vor kurzem waren Sie in der „FAZ“ der „China-Schreck“. Das ging schnell.

Und hört sich gut an. Timo und Dima stehen seit langem vorn. Zurecht. Kein anderer Deutscher kam richtig ran. Es ehrt mich, die Lücke zu füllen.

Lückenfüller! Warum so bescheiden?
Na, noch ist es ja so.

Sie waren Europameister im Team und Doppel, haben WM-Medaillen gewonnen. Trotzdem standen Sie im Schatten. War das gut oder schlecht?
Beides. Ich konnte ruhiger arbeiten. Aber natürlich wünscht man sich, mehr wahrgenommen zu werden. Auf Rang 30 oder 40 der Weltrangliste ist man ja kein ganz Schlechter.

Mit Timo Boll sind Sie seit langem befreundet, haben im selben Verein angefangen wie er. Auch mit Dimitrij Ovtcharov verstehen Sie sich sehr gut. Aber auf einmal geht es auch für Sie um einen Olympia-Startplatz im Einzel. Entsteht ein neues Konkurrenzdenken?
Wenn wir gegeneinander spielen, sind wir Einzelsportler. Abseits des Tisches erwarte ich allerdings keine Veränderungen. Priorität bei Olympia wird ohnehin die Mannschaft haben.

Wie groß sind die Chancen, China bei den Olympischen Spielen 2020 Thron zu stoßen?
Versuchen tun wir das schon lange. Stand jetzt sind die Chancen so gut wie vielleicht noch nie. Wir sind drei Spieler, die an einem guten Tag jeden Chinesen schlagen können.

Sie sind 15. in der Weltrangliste, 2015 waren sie schon einmal weit oben. Was ist dann passiert?
Ich habe jetzt das Selbstvertrauen, auch bei 9:9 zu wissen, welchen Schlag ich machen will. Das war ein langer Prozess. Bis zu meinem Wechsel von Düsseldorf nach Saarbrücken 2016 war das nicht so einfach. Dann habe ich begonnen, mehr selbst zu bestimmen: Wann trainiere ich was? Wann mache ich Pausen? Das alles hilft mir unwahrscheinlich im Match. Ich weiß bei allem, das ist meine Entscheidung, dazu stehe ich.

Am Dienstag beginnt die Team-EM in Nantes. Boll, Ovtcharov, Franziska – bei dieser Besetzung gibt es sicher nur ein Ziel?
Natürlich wollen wir den Titel. Wir sind alle super drauf. Die European Games in Minsk haben wir relativ souverän gewonnen. Den Status als Nummer eins in Europa wollen wir untermauern.

Ende April war die WM, Ende Juni folgten die European Games, nun die EM. Ist das zu viel?
Diese Ballung ist ein bisschen schade. Vom Prestige her ist der EM-Titel immer wichtig. Aber wir hatten uns auf die European Games mehr vorbereitet, weil es da um Olympia-Tickets ging. Wenn es so viele Höhepunkte gibt, kannst du dich nicht auf alle gleich gut vorbereiten.

War das mal anders?
Ja. Mit weniger Turnieren und einem anderen Weltranglisten-System. Es blieben zwischendurch drei bis vier Wochen Zeit für richtige Trainingsblöcke. Aber für Wettkämpfe bin ich Sportler geworden. Und ich bin 27, noch kann ich gut regenerieren

Bundestrainer Jörg Roßkopf, Timo Boll und Sie kommen alle aus derselben Gegend. Warum ist Südhessen so ein gutes Pflaster in Sachen Tischtennis?
In der Region gibt es viele Vereine mit sehr guter Nachwuchsarbeit. Der Kreis hat ein gutes Sichtungsprogramm. Bei uns dreien war es aber vor allem Trainer Helmut Hampl, der sehr schnell auf uns aufmerksam geworden ist, unser großes Potenzial erkannt und dann perfekt gefördert hat. Und dann spielt natürlich die frische Odenwälder Luft eine Rolle (lacht).   

Timo Boll und Sie spielen gemeinsam Doppel. Bei der WM kam eine Erkrankung Bolls dazwischen, kurz danach haben sie aber die Weltmeister Ma Long/Wang Chuqin aus China in China klar geschlagen. Warum gibt es die Kombination nicht schon viel länger?
Wir haben bei unseren wenigen gemeinsamen Turnieren bereits früher sehr gut gespielt. Aber Timo hat nicht so oft Doppel gespielt und ich bin mit Jonathan Groth aus Dänemark Europameister geworden. Mit Blick auf Olympia sollten Timo und ich uns einspielen und haben uns sofort wieder fast blind verstanden.

Zwei Südhessen erobern doch noch zusammen die Doppel-Welt?
Das wäre sehr schön. Das würde ich unterschreiben.

Es dürfte auch Timo Bolls kleiner Tochter gefallen.
Ich bin oft bei Timo zu Hause gewesen und habe mich viel um sie gekümmert. Früher wollte sie immer, dass Timo und ich gegeneinander unentschieden spielen. Das ist im Tischtennis leider schwer.

Mit Timo Boll spielen Sie sehr gut zusammen, im Mixed mit Petrissa Solja haben sie zuletzt WM-Bronze geholt. Das Gemeinsame scheint Ihnen in der Individualsport Tischtennis zu liegen.
Ich habe das Glück, dass Timo und Petti beide eine super Übersicht haben. Und beide sind Linkshänder. Das sind perfekte Voraussetzungen.

Kann man es lernen, ein guter Doppelspieler zu werden?
Ein bisschen schon, aber man muss es auch drin haben. Ich finde es einfach schön, im Team zu gewinnen. Das war schon als Kind beim Fußball so. Und als ich elf oder zwölf war, habe ich im Verein öfter mit meinem Opa Doppel gespielt. Ich habe für ihn die Bälle aufgehoben, weil er einen Hüftschaden hatte. Und er hatte einen komischen Schläger und ein sehr unorthodoxes Spiel (lacht).   

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