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Schrei zum Glück. Torwart Silvio Heinevetter hielt gegen Magdeburg einen Siebenmeter in der letzten Sekunde.

© Maurizio Gambarini/dpa

Paraden und Psychotricks: Silvio Heinevetter spaltet Handball-Deutschland

Gegen Magdeburg zeigte Silvio Heinevetter sein bestes Spiel seit Monaten. Und doch hinterließ sein Auftritt auch ein paar Fragezeichen.

Vorgeschriebene Drehbücher beinhalten stets ein gewisses Risiko. Im Sport können sie zum Beispiel an der Realität scheitern – so wie am Dienstagnachmittag in der Max-Schmeling-Halle. Für das Bundesliga-Heimspiel gegen Magdeburg, den letzten Pflichtakt eines erfolgreichen Kalenderjahres 2017, hatten sie bei den Füchsen Berlin alles darauf ausgelegt, Petar Nenadic ordentlich zu verabschieden: extralange Ankündigung beim Einlauf der Teams und Extra-Runden nach der Schlusssirene für einen extravaganten Spieler. So weit das Skript. Obwohl der Serbe vor seinem Wechsel nach Veszprem ein großartiges letztes Spiel im Füchse-Trikot hinlegte, war ein anderer Kollege im Fokus: Torhüter Silvio Heinevetter hielt beim 23:23 gegen seinen Ex-Klub und Lieblingsgegner wie ein Teufel. Mit insgesamt 15 Paraden zeigte er sein bestes Spiel der letzten Monate. Obendrein tat Heinevetter das, was er – abgesehen von körperlichen Verrenkungen – am besten kann: Er polarisierte.

Nach Heinevetters pariertem Siebenmeter in der Schlusssekunde, der den Berlinern einen Punkt und bis auf Weiteres Tabellenplatz zwei einbrachte, suchte der Torhüter zum x-ten Mal an diesem Nachmittag die Nähe zu Robert Weber, dem Magdeburger Rechtsaußen, der gerade unter maximalem Druck gescheitert war. Bereits vor der Ausführung des Strafwurfs hatte Heinevetter Blickkontakt zum Österreicher aufgenommen und ihm ein paar unschöne Sachen an den Kopf geworfen, so dass nun über dem herausragenden Auftritt des Nationaltorhüters ein paar Fragezeichen kreisten: Darf Heinevetter das? War es noch Teil des normalen Psychospielchens zwischen Keeper und Schütze? Oder doch grob unsportlich, übertrieben und unangemessen?

In dieser Saison war Heinevetter oft solide, aber nur selten herausragend

„Gehört alles zum Spiel dazu“, sagte Heinevetter wenig später. Die Magdeburger und im Speziellen ihr mitgereister Anhang sahen das naturgemäß anders. Heinevetter war jedenfalls gut beraten, sich nicht allzu dicht an den rot-grünen Gästeblock heranzuwagen, obwohl Handball- Fans für gewöhnlich friedliche Zeitgenossen sind. Vor allem in den sozialen Netzwerken wurde das Verhalten des 33-Jährigen später ausführlich diskutiert. Einige Kommentatoren schimpften ihn einen Selbstdarsteller, andere stellten seine Tauglichkeit als Nationalkeeper und Vorbild in Frage, wiederum andere verteidigten ihn mit dem Hinweis, es gebe immer weniger richtige Typen im Profisport, also solle man doch froh sein über Emotionalität und Entertainment.

Velimir Petkovic ist 61 Jahre alt und besitzt einen Facebook-Account, trotzdem wollte der Füchse-Trainer nicht auf etwaige Foren-Diskussionen und Internet- Kommentare eingehen. Petkovic beurteilte einzig und allein die sportliche Leistung seines Torhüters, und da war Heinevetter über jeden Verdacht erhaben. „Ich wünsche mir, dass er immer so eine Leistung zeigt“, sagte Petkovic, „und ich werde im Training alles dafür tun.“

Indirekt schwang da allerdings durchaus Kritik vom Cheftrainer mit, weil Heinevetter in den zurückliegenden Monaten viel solide bis gute Spiele gemacht hatte, aber so ein Ausreißer nach oben wie gegen den SCM war ganz selten dabei gewesen. In der Torhüter-Statistik der Handball-Bundesliga stand vor dem 19. Spieltag kein Berliner Keeper unter den 15 besten ihres Faches. „Den besten 15“, wiederholte Petkovic ungläubig. „Wie können wir so weit oben stehen bei so einer Statistik?“, fragte der Trainer im Selbstgespräch und lieferte die Antwort gleich mit: Normalerweise geht das nicht.

„Silvio ist genau zum richtigen Moment zurückgekommen“, sagte Petkovic abschließend, „jetzt, wo ihn die Nationalmannschaft braucht.“ Vor dem Start der Europameisterschaft in Kroatien am 12. Januar könnte es aus deutscher Sicht in der Tat schlechtere Nachrichten geben als einen Silvio Heinevetter in Topform.

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