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Die deutschen Eishockeyspieler feiern einen völlig unerwarteten Sieg über Kanada.

© Pettar Arvidson,imago,Bildbyran

Olympische Spiele: Was bleibt von Pyeongchang 2018?

Im Sport gibt es sie noch, diese Momente, in denen für unmöglich Gehaltenes möglich wird. Doch der Kampf um die Glaubwürdigkeit bleibt hart. Ein Kommentar.

Von Katrin Schulze

Und plötzlich sind diese Olympischen Spiele im fernen Südkorea den Menschen in Deutschland so nah. Begeistern, rühren, verfangen. Selbst die, die sonst nichts mit Sport anfangen können, spüren, dass etwas Besonderes geschehen sein muss. So war es am Freitag, als eine deutsche Eishockeynationalmannschaft gegen die Eishockeynation Kanada erstmals überhaupt in ein olympisches Finale einzog. Das ist, als bezwängen die Kanadier in einem Halbfinale der Fußball-WM Deutschland. Eigentlich unvorstellbar. Und so war es bei einem anderen olympischen Moment, der hängen bleiben und nachhallen wird.

An einem hochpolitischen Tag, Kanzlerin Angela Merkel empfing den türkischen Ministerpräsidenten, Südafrika bekam einen neuen Präsidenten, die Münchner Sicherheitskonferenz stand bevor, an diesem Tag also redete halb Deutschland über die Kür eines Paares im Eiskunstlaufen. Die erste Meldung in der „Tagesschau“ am Abend lautete: Aljona Savchenko und Bruno Massot haben einen Sensationssieg erreicht. Ihr Vortrag auf dem Eis von Pyeongchang hatte etwas Unvorhergesehenes, Erhabenes und Unschuldiges gleichermaßen. Er war eine Revolution des Paarlaufens, ein sporthistorischer Moment – und doch viel mehr.

Echte Emotionen

Dass die Kür, die in Europa mitten in der Nacht ausgestrahlt wurde, so vielen ans Herz ging, sagt viel über die Kraft des Sports aus. Aber auch über dieses erschöpfte, gestresste Land. Hat die Darbietung einer Deutschen aus der Ukraine und eines Deutschen aus Frankreich nicht eine ganz eigene Geschichte erzählt? Für einen Moment die Sehnsucht nach Ablenkung, nach purer Unterhaltung und Schönheit gestillt? Zum Innehalten animiert in diesen hektischen, kritischen Zeiten?

Im Sport gibt es sie eben noch, die Momente, in denen für unmöglich Gehaltenes möglich wird. Immer noch vermögen Sportler Emotionen wecken wie es kein Politiker dieser Welt kann – auch wenn das Misstrauen gegenüber beiden gestiegen ist. Schließlich haben auch bei diesen Winterspielen wieder Athleten versucht, ihr Ziel mit unfairen Mitteln zu erreichen. Das Internationale Olympische Komitee wird sich noch klarer positionieren und, wenn nötig, einen Ausschluss ganzer Nationen durchboxen müssen, damit die Glaubwürdigkeit und Freude an Olympia, die sich der Sport in den vergangenen zwei Wochen ein Stück weit zurückerkämpft hat, nicht wieder verloren gehen.

Echter Gewinn

Dass die bleibenden, die weitreichendsten Momente dieser aus deutscher Sicht so erfolgreichen Spiele nicht unbedingt die Medaillen im Biathlon oder Rodeln sein werden, sondern jene im eher dopingunverdächtigen Eiskunstlaufen und im Eishockey, kann für den Sport und die Gesellschaft ein echter Gewinn sein. Sie wurden nicht auf abgelegenen Pisten mit Kunstschnee oder neukonstruierten Bahnen, die danach brachliegen, errungen, sondern in einer Halle, wie sie in jeder größeren Stadt steht. Die Erfolge sind nachvollziehbar und nachhaltig.

Wer weiß, ob sich einige Skeptiker Olympischen Spielen in Deutschland nicht doch wieder öffnen – so wie die Politiker, die sich jetzt dafür einsetzen. Gewiss hat Pyeongchang 2018 die großen politischen Erwartungen nicht erfüllt – eine Annäherung zwischen Nord- und Südkorea war vielleicht ein bisschen viel verlangt. Man sollte sich aber gleichwohl davor hüten, die Wirkung der kleinen großen Sportmomente zu unterschätzen.

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