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Auch im neuen Gleisdreieckpark hat es nicht lange gedauert, bis ihn sich die Sportler erschlossen haben.

© Doris Spiekermann-Klaas

Olympia war gestern: Berlin wird Hauptstadt des Trendsports

Das Finale der Champions League ist vorbei, die Olympiabewerbung gescheitert. Berlin muss sein Sportkonzept jetzt weiterentwickeln - in der Spitze und der Breite.

Wie ein Raumschiff war das Ereignis auf dem Rasen gelandet. An Bord die besten Fußballspieler der Galaxis, Messi, Pirlo, Xavi. Mit ihnen kamen Sportfunktionäre, Politiker, Unternehmenslenker. Die ganze Welt schaute auf Berlin, das Olympiastadion feierte eine rauschende Ballnacht, und kurz darauf hob das Raumschiff namens Champions-League-Finale wieder ab. Party vorbei, aufräumen!

Das wichtigste Fußballspiel des Jahres hat Berlin noch einmal als Bestätigung genommen, eine Weltsportmetropole zu sein. Es war aber auch ein neunzigminütiger Trost dafür, dass Berlin den wichtigsten Wettbewerb des Jahres verloren hatte. Das innerdeutsche Duell um Olympische Spiele. Da kam einfach ein kleinerer Ort ohne Olympiastadion daher und schnappte Berlin die Bewerbung weg. Auf Jahrzehnte hinaus haben sich Olympische Spiele in Berlin damit erledigt.

Was ist geblieben nach der gescheiterten Olympiabewerbung?

Und jetzt? Geblieben ist bei manchen Verantwortlichen des Berliner Sports Enttäuschung und Leere. Eine Diskussion hat begonnen darüber, was der Sport in dieser Stadt kann, will und soll. Olympia hat die Bevölkerung jedenfalls nicht mitgerissen. Die Welt kommt auch ohne die Spiele her. Jetzt muss sich der Berliner Sport vergewissern. Dabei rückt gerade der Sport in den Blickpunkt, der gar nicht olympisch ist. Es sind Bewegungsformen, in denen es nicht einmal Meisterschaften gibt.

Die Stadt steht Kopf. Für Bewegungsformen wie Parkour bietet sich Berlin ideal an, etwa hier am Potsdamer Platz.
Die Stadt steht Kopf. Für Bewegungsformen wie Parkour bietet sich Berlin ideal an, etwa hier am Potsdamer Platz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Jahrzehntelang hatte Berlin für Olympia trainiert. Viele internationale Sportveranstaltungen auch deshalb in die Stadt geholt, um aller Welt seine Olympiatauglichkeit zu zeigen. Umso schmerzhafter war die Erfahrung, dass die deutschen Sportfachverbände mehrheitlich Hamburg für den besseren Kandidaten hielten. 18 zu 12 lautete ihr Votum, vier Verbände stimmten für beide Städte. Inzwischen haben sich schon 18 Verbände in Berlin gemeldet und mehr oder weniger offen erklärt, sie hätten doch für Berlin gestimmt.

Dahinter mag auch die Angst stecken, dass Berlin sich als Veranstaltungsort zurückziehen könnte. Seine Sportanlagen, seine internationale Strahlkraft nicht mehr wie bisher zur Verfügung stellt. 2,7 Millionen Euro gibt der Senat jedes Jahr aus, um große Sportveranstaltungen zu bezuschussen. Für ein besonderes Ereignis wie eine Leichtathletik-WM oder -EM kommen noch ein paar Millionen dazu.

In den letzten 14 Jahren richtete Berlin 41 Welt- und Europameisterschaften aus

Nicht zuletzt wegen dieser Zuschüsse hat Berlin in den vergangenen 14 Jahren 41 Welt- und Europameisterschaften ausgerichtet. Jetzt stellt sich die Frage, ob Sportmetropole zu sein nach wie vor bedeutet, einfach eine Meisterschaft nach der nächsten zu sammeln. „Wir haben uns im Weltmaßstab einen Ruf erarbeitet“, sagt Andreas Statzkowski, der für Sport zuständige Staatssekretär im Senat. Bis zur Fußball-WM 2006 sei Berlin im Ausland in erster Linie wegen seiner Kultur und seiner Geschichte bekannt und attraktiv gewesen. Dank Fußball-WM, Fanmeile, Leichtathletik-WM inzwischen aber eben auch durch Sport. Diese Position will der Senat nicht aufgeben.

Aber es wird sich etwas ändern. „Die Adresse Berlin wurde von manchen Verbänden als zu selbstverständlich wahrgenommen“, sagt Statzkowski. „Wir werden noch stärker bei Veranstaltungen prüfen, wo der Mehrwert für die Stadt liegt.“ Drei Kriterien seien zunächst von Bedeutung: Welchen Stellenwert hat die Sportart in Berlin, wie viele Zuschauer werden erwartet und welche soziale Aussage hat die Sportart? Über allem steht jedoch das, was Statzkowski „Stadtrendite“ nennt. 50 Millionen Euro könnten durch das Finale der Champions League in Berlin geblieben sein. „Dazu kommt noch der Imagewert.“ Bei Investitionskosten von fünf Millionen Euro ist das für Statzkowski ein starker Ertrag.

Ein bisschen Glanz will Berlin gerne an Hamburg verschenken

Ein bisschen sportlichen Glanz kann und will Berlin aber gerne an Hamburg verschenken. Damit die deutsche Olympiabewerbung größere Chancen hat. „Hamburg muss sich international positionieren, und Berlin steht da als Partner an der Seite“, sagt Klaus Böger, der Präsident des Landessportbunds Berlin (LSB). Bisher ist Hamburg international vor allem mit seinem Marathon und Triathlon aufgefallen. „Die überwiegende Mehrheit der Sportveranstaltungen, die bis 2017 stattfinden, sind schon vergeben. Wir dürfen uns nicht vorschnell um alles bewerben, was auf dem Markt ist“, sagt Hamburgs Sportsenator Michael Neumann. „Wir müssen uns gezielt um Veranstaltungen bemühen, die insbesondere in den asiatischen und afrikanischen Raum ausstrahlen.“

Berlin hat sich schon eine Reihe großer Sportveranstaltungen gesichert

Berlin hat sich dagegen schon eine ganze Reihe an Ereignissen für die nächste Zeit gesichert (siehe Übersicht unten). Und mit den Verbänden überlegt der Senat, sich um die Bahnrad-WM 2020 zu bewerben, weil das Velodrom eben befahren werden müsse, oder um die Basketball-WM 2023. Auch bei der möglichen Fußball-EM 2024 in Deutschland würde Berlin wieder im Zentrum stehen.

Die Beachsoccer-WM könnte sich Statzkowski 2019 aber auch gut in Berlin vorstellen oder einen BMX-Wettbewerb. Mit dem Mellowpark gebe es schließlich einen herausragenden BMX-Standort, der sich vom Jugendprojekt zum Verein entwickelt habe. Solche Gedankenspiele zeigen, dass in Berlins Sport gerade eine Neuausrichtung stattfindet. Es soll nicht mehr zu viel vom Gleichen geben. Berlin ist nicht nur Sportmetropole – hier ist auch der Metropolensport zu Hause. Trendsportarten, die für ein bestimmtes Lebensgefühl stehen, die Klettervariante Bouldern etwa. Oder Parkour, die Eroberung von Mauern, Treppen und anderem Stadtinventar durch Balancieren, Sprünge, Klimmzüge.

Es gibt sogar Sportarten, die in Berlin erfunden worden sind, Speedminton, eine Mischung aus Badminton, Tennis und Squash, das ohne Netz gespielt wird. Oder Hockern, bei der auf einem Hocker Kunststücke gemacht werden wie auf einem Skateboard.

Die Parks der Stadt sind schon lange öffentliche Sporträume

Viele der neuen Bewegungsformen sind in den Parks zu sehen. Die sind schon lange öffentliche Sporträume, vor allem für Läufer oder Fußballspieler. Doch es kommen immer wieder neue Arten von Sport dazu. Über Apps und soziale Netzwerke verabredet man sich hier zum Sporttreiben, zum Yoga, zum Auspowern, läuft gemeinsam Strecken ab, übt an Geräten. Hinter mancher dieser Aktionen steckt die Sportartikelindustrie, andere sind frei von kommerziellen Interessen. Berlin wird so zum Sportlabor.

Der Vereinssport muss darauf reagieren. „Wir wollen niemand in Vereine zwingen, aber die jungen Sportler werden irgendwann älter und oft auch Eltern. Da bieten wir mit unseren Vereinen Know-how an“, sagt Klaus Böger, als LSB-Präsident der oberste Repräsentant des Berliner Vereinssports. Die Senatsverwaltung verstärkt sich personell, auch um das eigene Leitbild weiterzuentwickeln. Die Sportökonomin Gabriele Freytag, selbst früher Volleyball- und Beachvolleyballspielerin und zuletzt Direktorin der Führungsakademie des DOSB, beginnt im Juli als Referatsleiterin. Zu ihren Aufgaben könnte auch ein neues Parksportkonzept gehören.

Der öffentliche Raum wird immer sportlicher, und der Senat könnte mit den Bezirken überlegen, wo noch alles Sport getrieben werden kann. Andreas Statzkowski würde am liebsten die Siemensbahn, die stillgelegte S-Bahn-Trasse durch Charlottenburg, herrichten. Das wäre auf jeden Fall ein ehrgeiziges Ziel für den Sport in Berlin: reglose Ecken in Bewegung zu bringen.

Höhepunkte im Berliner Sportkalender
28. Juni bis 5. Juli: WM im Modernen Fünfkampf im Olympiapark

27. Juli bis 5. August: European Maccabi Games, Europas größte jüdische Sportveranstaltung im Olympiapark

28. bis 30. August: Speedminton-WM im Horst-Korber-Sportzentrum und Olympiapark

5. bis 20. September: Basketball-EM. Die EM findet in fünf europäischen Städten statt. In der Berliner Arena am Ostbahnhof wird vom 5. bis 10. September die Vorrundengruppe B ausgetragen, in der auch die deutsche Mannschaft spielt

21. und 22. November: Cheerleading-WM in der Max-Schmeling-Halle

2016

5. bis 10. Januar: Olympiaqualifikation Volleyball der Männer mit acht Mannschaften in der Max-Schmeling-Halle

5. und 6. März: Eisschnelllauf-WM Allround im Sportforum Hohenschönhausen

12. bis 15. Mai: Final Four der Basketball-Euroleague in der Arena am Ostbahnhof

September: Polo-EM auf dem Maifeld

2017

3. bis 10. Juni: Internationales Deutsches Turnfest

19. bis 22. Oktober: Bahnrad-EM im Velodrom

2018

Leichtathletik-EM im Olympiastadion

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