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Unfassbar. Dass Kanada im Eishockey nicht golden glänzte, kommt einer nationalen Tragödie gleich.

© Reuters

Olympia-Enttäuschung: Kanada trauert wegen Eishockey und Curling

Eishockey und Curling sind nationale Angelegenheiten in Kanada - in beiden Sportarten enttäuschten die Teams aber in Pyeongchang.

Das Elend ließ sich kaum in Worte fassen. Heulend und einsam verstreut saßen und standen die kanadischen Eishockeyspieler auf dem Feld, ehe einer sich doch noch durchrang und das Versagen drastisch wie angebracht einordnete: „Wir haben unser Land im Stich gelassen“, sagte Verteidiger Mat Robinson unumwunden. 3:4 gegen Deutschland, das Aus im Halbfinale und tags darauf nur Bronze bei Olympia. Unfassbar. Deutschland hatte bei den letzten Olympischen Spielen ja nicht einmal die Qualifikation geschafft. Und Kanada war doppelter Titelverteidiger – hat überhaupt im Eishockey neunmal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze bei Olympischen Spielen gewonnen. Ja, es hatte auch schon Niederlagen gegeben. Aber gegen Deutschland? Da gibt es kaum 20 000 Spieler. In Kanada sind es 630 000 – bei 30 Millionen Einwohnern, wohlbemerkt.

Das Spiel im Morgengrauen kanadischer Zeit hinterließ die Nation in Schockstarre. Dann klagten die Zeitungen ihr unvorstellbares Leid. „Ein dunkler Tag“, jammerte der „Toronto Star“, „eine riesige Enttäuschung“ die „National Post“, sogar von einem "Stoß mit dem Speer in die Eingeweide" war die Rede. „Schludrig und undiszipliniert“ sei man gegen diese Truppe von „no names“ angetreten. Andere machten die Schuldigen gleich bei der NHL aus. Die amerikanische Profiliga hatte Kanadas Besten die Teilnahme verwehrt. „Blut klebt nun an ihren Händen“, schrieb die „Vancouver Sun“. Vor dem Aus der Männer hatten schon die Frauen nur Silber gewonnen.

All das ist schwer zu verkraften. Kanada ist das Mutterland des modernen Eishockeys. Mit Wayne Gretzky kommt die größte Legende dieser Sportart aus dem Land. Seit 1994 ist Eishockey sogar per Gesetz Nationalsport: Kinder auf Schlittschuhen mit Puck und Schläger in den Wäldern finden sich selbst auf den Geldscheinen wieder.

"Der schlimmste Tag"

Jetzt leiden sie in Kanada. Denn es war bei diesen Spielen ja nicht nur „hockey“, das die Nation enttäuschte. Es war auch Curling. Mit etwa einer Million Spielern ist Kanada die größte Curling-Nation der Welt – die beste ist sie nun nicht mehr. Männer wie Frauen blieben ohne Medaille. Dass es im neuen Mixed-Wettbewerb Gold gab – ein schwacher Trost. Der „Toronto Star“hatte schon nach der Curling-Enttäuschung gefragt: „War das der schlimmste Tag in der Olympia-Historie?“ Kaum 24 Stunden später kam noch Eishockey obenauf.

In all dem Drama ging völlig unter, dass Kanada seine Olympischen Spiele so erfolgreich wie nie abschließen wird. Einen Tag vor dem Ende der Spiele haben die Athleten 29 Medaillen gesammelt. Aber Medaillenzählen ist eben nicht alles. Das zeigt sich im Fall Kanadas mehr denn je. Die Ehre der Nation wird meist in einzelnen Disziplinen gerettet oder verloren. Und Kanada, das sich als Einwanderungsland anders als sein Nachbar USA dieser Tage per se für Vielfalt und Teamgeist mit Mannschaftssport feiert, hat in eben diesem heftig im Selbstverständnis gelitten.

Da nützt alles Gold in Freestyle, Shorttrack und Eiskunstlauf nichts. Und doch gab es aus kanadischer Sicht in diesen bitterkalten Tagen von Pyeongchang auch herzerwärmende Momente. Etwa durch Eric Radford, der als erster sich offen homosexuell bekennender Paarläufer eine Medaille gewann. Seine Eispartnerin Meagan Duhamel gewährte einem Beagle Welpenschutz und rettete ihn so vor dem koreanischen Kochtopf. Sie werden zwischen Vancouver und Montreal wohl noch eine Weile brauchen, bis sie für diese freudigen Emotionen wieder Raum finden können.

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