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Laura Lindemann

© dpa

Olympia 2016 in Rio: Triathletin Lindemann: Angriffslustige Aufsteigerin

Erst 2012 begann Laura Lindemann mit Triathlon. Heute startet die Potsdamerin in Rio – doch bis dahin war es eine Belastungsprobe.

Im Harz ist sie in Tempointervallen die Berge hinaufgefahren, im Elbsandsteingebirge hat sie beim Radtraining Anstiege simuliert, wie sie auf der Strecke des olympischen Triathlons in Rio de Janeiro zu erwarten sind. Eines hat Laura Lindemann allerdings nicht geübt: Wie sie eine Hängepartie durchsteht. Denn das nervenaufreibende Hin und Her des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), ob die 20 Jahre alte Potsdamerin überhaupt starten darf, stellte sie schwer auf die Probe.

Das Nominierungs-Hickhack um die weltbeste Nachwuchstriathletin setzte Lindemann sehr zu. Für Laura Lindemann schlug das Pendel hin und her zwischen dabei sein oder nicht dabei sein. Es gab eigentlich keinen Zweifel daran, dass Deutschland die zweifache Junioren-Weltmeisterin zusammen mit der sportlich qualifizierten Anne Haug nach Rio schickt. Mehr Bestätigung als Überraschung war es, als die Deutsche Triathlon Union die gebürtige Berlinerin für einen der fünf Rio-Startplätze vorschlug, die dem Verband zustanden. Die endgültige Nominierung durch den DOSB schien reine Formsache.

Dass es zunächst anders kam, ist ein unsägliches Kapitel der Nominierungspolitik des DOSB. Denn nichts anderes war das Einknicken des DOSB vor der Klage der Saarländerin Rebecca Robisch, nachdem sie sich nicht auf der Vorschlagsliste des Triathlon-Verbandes fand. Es ist natürlich Robischs gutes Recht gewesen. Aber um sich ja nicht zu streiten, verteilte der DOSB lieber gar keine Rio-Tickets – und versagte einer ganzen Disziplin die Wertschätzung. Vor allem aber Laura Lindemann. So musste erst der Weltverband, die Internationale Triathlon Union, intervenieren, dass Deutschland neben Anne Haug doch noch einen Triathleten nach Rio schickt. Und so entschied sich der DOSB noch in letzter Sekunde für Laura Lindemann.

Vor vier Jahren wechselte sie vom Schwimmen zum Triathlon

Es wäre ein fatales Zeichen an jeden Nachwuchssportler gewesen, wäre es nicht passiert. Sicher, Lindemann ist jung genug, auch in vier Jahren noch an Olympischen Spielen teilzunehmen. Aber schon jetzt ist sie absolut in der Lage, sich mit den Besten der Welt zu messen. Schließlich kann der DOSB nicht einerseits feiern, dass Lindemann mit 20 Jahren den Sprung von den Junioren in die Spitze der Weltelite bereits geschafft hat, dass sie bei Weltcup-Rennen wie zuletzt in Hamburg unter die Top Ten kam oder bei der Mixed-Team-Weltmeisterschaft die Bronzemedaille gewann. Sie anderseits dann fallen zu lassen – es wäre eine Farce gewesen.

Wenn regelmäßig gefragt wird, wo denn die jungen deutschen Talente sind, die sich in olympischer Mission bewähren können: Laura Lindemann ist eine Antwort darauf. Ihr Trainer Ron Schmidt schwärmt regelrecht von der Gelassenheit der Sportschülerin vor und auch während der Wettkämpfe. „Laura ist absolut klar im Kopf, sie weiß genau, was sie kann und was sie will“, sagt Schmidt.

Diese Charaktereigenschaft half ihr auch vor vier Jahren beim Wechsel vom Schwimmen zum Triathlon. Aufhören, als es mit dem Schwimmen nicht mehr wie erhofft vorwärtsging, war keine Option für sie. Mit 16 Jahren mit dem Leistungssport aufzuhören, kam nicht in Frage für sie. Obwohl es ihr zunächst nicht leicht fiel, die höheren Trainingsumfänge zu meistern, und sie die langen Einheiten gar als langweilig empfand. Umso rasanter kamen die Erfolge. Schon 2013, ein Jahr nach ihrem Umstieg zum Triathlon, wurde Laura Lindemann bei den Junioren Vize-Europameisterin und Dritte der Weltmeisterschaft. 2014 und 2015 holte sie jeweils Gold bei der Junioren-EM sowie bei der Junioren-WM. Im vergangenen Jahr schaffte sie schließlich fast nahtlos den Übergang zur Elite der Erwachsenen und überzeugte im Weltcup. 13. wurde sie bei ihrem ersten Rennen der Weltserie in Abu Dhabi.

Ihre Angriffslust ist der erste Schritt zum Erfolg

Die Angriffslust, mit der sie ihre Rennen bestreitet, ist der erste Schritt zum Erfolg – noch bevor der Startschuss fällt. Als Laura Lindemann die Nachricht erreichte, dass sie nicht nach Rio fahren dürfe, saß sie gerade im Trainingslager im Elbsandsteingebirge auf einer Hollywoodschaukel, starrte einen Moment gedankenleer in die Luft, atmete durch und ging in die Offensive. Laura Lindemann schrieb einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht, um ihre Olympia-Teilnahme zu erbetteln, sondern um auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass sportliche Werte wie Mut und Fairness vom höchsten deutschen Vertreter dieser Tugenden, dem DOSB, missachtet werden.

Mission erfüllt, könnte man meinen, nachdem Laura Lindemann schließlich doch nominiert wurde. Sie will ihren Startplatz rechtfertigen. „Ich werde es mit Leistung zurückgeben“, sagt sie. Dabei will Bundestrainer Dan Lorang sie in Rio nicht mit Erwartungen überfrachten. „Sie soll Erfahrung sammeln und kann befreit antreten“, sagt der Luxemburger. Ein Platz unter den ersten zehn sei möglich. „Wenn es mir gelingt, mein eigenes Rennen zu gestalten, ist das mein großes Ziel“, sagt die Potsdamerin. Nur dabei sein an diesem Samstag – ganz im Sinne des olympischen Gedankens – das reicht Laura Lindemann eben nicht.

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