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Abschiedsrunde. Darja Domratschewa und Ole Einar Björndalen beim 17. Biathlon World Team Challenge in der Arena auf Schalke.

© Friso Gentsch/dpa

Ole Einar Björndalen: Der Kannibale läuft nicht mehr

Mit Ole Einar Björndalen und Darja Domratschewa verabschieden sich zwei Größen des Biathlons. Der letzte Vorhang fällt in Gelsenkirchen.

Läuft der noch? Es gibt Namen, die untrennbar mit Sportarten verbunden sind, selbst bei denen, die sich nur rudimentär für Sport interessieren. Das ist doch der eine, der früher schon mitgemacht hat, heißt es dann, die Klitschkos beim Boxen, Usain Bolt auf der Tartanbahn – und Ole Einar Björndalen beim Biathlon. Also, läuft der noch, der Björndalen? Nun, seit spätestens Samstagabend muss man sagen: Nein, der Björndalen läuft nicht mehr.
Mit Tränen in den Augen hatte sich Björndalen schon im April auf einer Pressekonferenz vom Weltcup-Geschehen verabschiedet, Herzrhythmus-Störungen gaben dem Norweger ein Zeichen, dass es mit 44 Jahren mal genug ist mit Leistungssport. Doch so ein richtiges Abschiedsrennen hatte es eben nicht gegeben, was Björndalen nun im Fußballstadion von Schalke nachholte. Die „World Team Challenge“ erhielt damit dann doch mal einen Charakter, der über den eines Showevents hinausging: Björndalen kreiselte noch einmal durch die Arena, auch seine Frau Darja Domratschewa – wie Björndalen ebenfalls erfolgreichste Biathletin bei Olympischen Spielen – gab dort ihren Abschied, auch sie hat ihre Karriere im Sommer beendet. „Das war unglaublich“, sprach Björndalen im Anschluss ins ZDF-Mikrofon, Tränen gab es dieses Mal keine.

Es ist immer so eine Sache mit langen Sportkarrieren, nicht alle Legenden schaffen den Übergang in ein normales Leben zum richtigen Zeitpunkt. Björndalen hatte schon zwei Mal vor seinem jetzigen Rücktritt einen Abschied geplant gehabt: 2014 nach den Olympischen Spielen in Sotschi, da gewann er dann aber mit 40 Jahren Gold im Sprint und mit der Mixed-Staffel – nicht das schlechteste Zeichen, dass man noch konkurrenzfähig ist. Björndalen machte weiter, wollte dann 2016 aufhören, überlegte es sich aber erneut anders – und wurde schließlich bei der WM 2017 in Hochfilzen noch einmal Bronze-Gewinner in der Verfolgung.

Benedikt Doll bremst für Björndalen

Die Olympiasaison nahm er auch noch mit, lief allerdings mittlerweile nur noch hinterher, auch am Schießstand häuften sich die Fehler. Für die Spiele in Pyeongchang reichte es nicht mehr, Björndalen war angefasst von der Situation und verweigerte Interviews, tauchte schließlich aber doch noch in Südkorea auf: Als Betreuer der weißrussischen Mannschaft unterstützte er seine Frau Domratschewa. Die 32-Jährige war einst die Beste ihres Sports, gewann sieben WM-Medaillen, 2015 den Gesamtweltcup – und lief in Pyeongchang noch einmal zu Silber im Massenstart und Gold mit der Staffel, es waren ihre insgesamt fünfte und sechste Olympia-Medaille. „Ole war in meiner Nähe und hat geholfen, die schwierigen Situationen leichter zu machen“, sagte Domratschewa damals recht selbstlos, „ich bin traurig, dass er hier nicht selber teilnehmen kann. Aber das ist das Leben, das ist Sport“.

Auf seinen letzten Metern am Samstag bekam Björndalen noch einmal zu spüren, was sein Status im Sport ist: Benedikt Doll bremste beim Zielleinlauf ab und ließ den Norweger noch überholen, Rang drei für das Duo Björndalen/Domratschewa. Die Italiener Dorothea Wierer und Lukas Hofer gewannen vor Simon Schempp und Franziska Preuß. Der Russe Anton Schipulin landete mit Partnerin Jekaterina Jurlowa-Percht auf Rang acht, er hatte vor Weihnachten überraschend sein Karriereende bekannt gegeben. Gegen den Staffel-Olympiasieger von Sotschi waren zuletzt neue Doping-Vorwürfe rund um die WM 2017 aufgetaucht, Schipulin bestreitet jeglichen Betrug.

„Bis zum Schluss war es wirklich eine Ehre, gegen Ole zu laufen“, sagte Tagessieger Lukas Hofer. Der war gerade fünf Jahre alt, als Björndalen seine ersten Olympischen Spiele erlebte, 1994 in Lillehammer. 94 Weltcup-Siege hat er gefeiert, 20 WM-Titel und acht Olympia-Goldmedaillen gewonnen. Der Mann, den sie Kannibale nannten, weil er sich die Konkurrenten verlässlich schnappte, auch in schwierigen Situationen. Er hat jetzt andere Aufgaben gefunden, die gemeinsame Tochter Xenia gehört seit zwei Jahren zum Biathlon-Pärchen dazu – und natürlich wird es Björndalen auch an den Weltcup-Strecken weiter zu sehen geben. Als Experte des norwegischen Fernsehens. Ganz weg ist dieser Björndalen halt nie.

Saskia Aleythe

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