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Nordische Kombination: Björn Kircheisen hat sich genug gequält

Routinier Björn Kircheisen beendet nach 17 Jahren und 281 Weltcups seine Profikarriere in der Nordischen Kombination.

Anfang und Ende. Björn Kircheisen hatte sich vor Wochenfrist einen besonderen Ort für die Verlautbarung ausgesucht: den Heim-Weltcup in Klingenthal, nur wenige Kilometer von den Loipen der erzgebirgischen Wälder, in denen er aufgewachsen ist und auch das Springen und Laufen lernte. 17 Jahre nach dem Start der Profilaufbahn soll nun Schluss sein für den Nordischen Kombinierer. Am Sonntag hat der 34-Jährige seine Karriere mit Platz 22 in Schonach im Schwarzwald beendet.

Vor den Olympischen Spielen hatte er sich die Entscheidung noch offengelassen. Jetzt verkündete er: Sie war schon den ganzen Winter gereift. „Es kann sein, dass ich noch ein Jahr weitermache und dann im nächsten Jahr wieder nur Fünfter und Sechster bin. Das wollte ich nicht. Es hat mir im Herzen wehgetan, immer zuschauen zu müssen“, sagte er in der ARD. Es machte offenbar keinen Spaß mehr. Der Sport an sich schon. Aber nicht, dass er nicht mehr vorne mitlief.

Die jetzt zu Ende gegangene Saison war selbst am Routinier nicht spurlos vorübergegangen. Sie hatte an ihm gezerrt und gezehrt. Olympia, das sollte nochmal „eine runde Sache“ werden. Aber die Norm fehlte Kircheisen bis kurz vor den Spielen. Das quälte ihn. Und ließ einen, den Manche im Lauf der Karriere mit seinem sonoren Sächsisch als maulfaul und Andere als unaufgeregt umgänglich erlebt haben, unruhig werden. Kircheisen gab sich kämpferisch, aber auch verbissen. Vor Ultimo schleppte er sich noch einmal nach Potsdam zum Physio, um die letzten Kräfte zu mobilisieren – und schaffte es. „Das ist ja das Schöne am Sport: dass es am einen Tag noch zappenduster aussieht und am anderen die Sonne scheint“, sagte er.

Allein, es war nur ein kurzes Aufleuchten. Kircheisen fuhr zwar mit nach Südkorea, seine fünften Spiele erlebte er statt in der Loipe aber nur auf der Ersatzbank. Die junge Generation hatte ihm längst den Rang abgelaufen. Der Team-Älteste musste aus dem Abseits zusehen, wie Eric Frenzel, Johannes Rydzek und das Team ohne ihn dreimal Gold bejubelten und dann mit Champagner begossen.

Ja, es sind goldene Zeiten für die deutschen Kombinierer. Kircheisen, den sie Silbereisen nannten, wird künftig nicht mehr dabei sein. Dieser Spitzname – er war ohnehin das größte Missverständnis der Karriere. Elf zweite Plätze bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen hatten ihm den im Laufe der Zeit eingebracht. Gemeint war es als Ruf einer tragischen Figur, als Unvollendeter, sogar Gescheiterter. Kircheisen selbst sah sich nie so. Anfangs hat er den Namen noch schmunzelnd zur Kenntnis genommen. Später ärgerten ihn derlei Kommentare zunehmend: Warum bloß rechtfertigen, wenn man Zweitbester der Welt ist?

Ein Glück, dass es spät doch mit Gold klappte: Bei der WM in Lahti vergangenes Jahr konnte er mit dem Titel im Team das Thema endlich abhaken. Nur im Einzel reichte es nie. Dabei hatte Kircheisen stets als großes Talent gegolten. Sechs Mal war er Junioren-Weltmeister. Seine große Stärke war immer das Laufen gewesen: das durch die Loipe pflügen und ackern, sich unermüdlich den Berg hinaufquälen. Doch bei den Erwachsenen hatte er immer wieder Einbrüche erfahren müssen. Schon 2014 vor Sotschi hatte er um Olympia und den Fortgang der Karriere gebangt. Zuletzt wurde ihm seine Schwäche auf der Schanze zunehmend zum Verhängnis. Die Norweger hatten mit starken Sprüngen die Konkurrenz arg herausgefordert und eine neue Entwicklung bei den Kombinierern angetrieben.

Björn Kircheisen will nicht klammern. Er muss nicht Spitzensportler sein. Muss nicht weitermachen, nur weil die Perspektive fehlt. 17 Siege durfte er in 281 Weltcups feiern. „Eine Identitätskrise ist bei mir nicht zu befürchten“, sagte er schon vor den Spielen. Er ist mit seiner Karriere im Reinen. Bei der Bundespolizei ist er abgesichert. Auch wenn Bundestrainer Hermann Weinbuch den Abschied bedauert: „Der Mannschaft geht ein großer Athlet und ein Vorbild verloren.“ Vielleicht ja nicht ganz. Kircheisen kann sich vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Im Sommer steht erstmal die Hochzeit mit Freundin Saskia am Chiemsee an.

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