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Gianni Infantino bei einem Fußballspiel in Qatar.

© REUTERS/Ibraheem Al Omari

Noch skrupelloser als sein Vorgänger: Der Kahlschlag des Gianni Infantino

Der Schweizer Fifa-Präsident Gianni Infantino hat sich durch rigide Machtpolitik den Fußball untertänig gemacht. Und sitzt fester im Sattel denn je.

Von Johannes Nedo

Solche Termine sind ganz nach Gianni Infantinos Geschmack. Am Dienstagnachmittag traf sich der Präsident des Fußball-Weltverbands (Fifa) mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Pariser Elysee-Palast. Beide unterzeichneten eine Vereinbarung zwischen Fifa und der Französischen Entwicklungs-Agentur über Fußball-Projekte in Afrika – doch vor allen Dingen konnte Infantino tun, was er am liebsten tut: sich im Glanz der Mächtigen dieser Welt sonnen und von der ach so verbindenden und wundervollen Kraft des Fußballs schwärmen.

Infantino werden sich dazu auch in Zukunft noch viele Gelegenheiten bieten. Denn am Mittwoch stellt sich der 49-Jährige beim 69. Fifa-Kongress in Paris zur Wiederwahl. Da es keinen Gegenkandidaten gibt, ist es nur eine Formsache, dass der Schweizer seine zweite Amtszeit für vier weitere Jahre antreten wird. 2016 schaffte es Infantino auf den mächtigsten Posten im Weltfußball, nachdem der Fifa-Korruptionsskandal von 2015 auch seinen Vorgänger Joseph Blatter aus dem Amt gespült hatte.

Nun, drei Jahre später, sitzt Infantino fester im Sattel denn je. Gestützt wird er vor allem von den Kontinentalverbänden mit vielen kleinen Nationalverbänden: Afrika und Asien. Denn Infantino überhäuft sie mit Geld. Mindestens sechs Millionen US-Dollar sollen die Verbände über vier Jahre erhalten – deutlich mehr als zuvor.

So sichert er sich beispielsweise die Stimmen von Inselstaaten in Ozeanien und in der Karibik, die bei der Fifa eben genau so viel Gewicht haben wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB), obwohl Infantino eigene, große Ziele nicht erreichte: die WM 2022 in Katar wird nicht von 32 auf 48 Teilnehmer erhöht, die Teilnehmerzahl der Klub-WM wächst wohl erst ab 2024 und nicht wie geplant früher.

Infantino gilt als noch skrupelloser als Blatter

Diese Taktik beim Stimmenfang verfolgte auch Blatter, doch mittlerweile gilt Infantino als skrupelloser als sein Landsmann. Warum? Ein kleiner Auszug aus seiner Bilanz: Bereits kurze Zeit nach seinem Amtsantritt als Fifa-Präsident ermittelte die Ethikkommission gegen ihn, unter anderem, weil Russland ihm Flüge mit einem Privatjet bezahlt haben sollte. Infantino wurde zwar freigesprochen – doch die mutigen Ethik-Aufseher, der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert und der Schweizer Chefermittler Cornel Borbely, waren ihm fortan ein Dorn im Auge.

Und so fädelte Infantino ein, dass beide 2017 nicht mehr zur Wiederwahl für ihre Posten aufgestellt wurden, obwohl sie ihre Arbeit fortsetzen wollten. Eckert und Borbely hatten Beachtliches erreicht, sie scheuten sich nicht vor großen Namen und sperrten unter anderem Blatter und den früheren Uefa-Präsidenten Michel Platini. So wurden sie offenbar auch eine Gefahr für Infantino.

Doch dabei beließ er es nicht. Auch andere potenzielle Gegenspieler räumte Infantino aus dem Weg. Als sich etwa Domenico Scala, Chefaufseher der Fifa, Infantino 2016 entgegenstellte, weil er befürchtete, dass der Fifa-Präsident den angekündigten Reformprozess nach all den Korruptionsskandalen aushöhlen wolle, wurde er aus seinem Amt gedrängt. Ein Jahr später entledigte Infantino sich dem Chef der Governance-Kommission, Miguel Maduro. Der Portugiese strebte an, den russischen Funktionär Witali Mutko nicht zur Wiederwahl für das höchste Fifa-Gremium, das Council, zuzulassen, weil Mutko zugleich Minister in Russland ist. Das gefiel Infantino gar nicht – und so musste auch Maduro gehen.

Ganz Staatsmann. Gianni Infantino am Tag vor seiner Wiederwahl zum Fifa-Präsidenten bei der Ankunft am Elysee-Palast in Paris.
Ganz Staatsmann. Gianni Infantino am Tag vor seiner Wiederwahl zum Fifa-Präsidenten bei der Ankunft am Elysee-Palast in Paris.

© Philippe Wojazer/Reuters

Infantino besetzte fortan die Ethikkommission und die Aufseher-Posten mit Personen, von denen er nichts befürchten muss. So ist auch zu erklären, warum in einem aktuellen Fall bisher nicht intern gegen ihn ermittelt wird. Denn gegen Infantino liegt ein Verdacht der Untreue vor. Er soll einen befreundeten Staatsanwalt mit übertriebenen Geschenken bedacht haben, etwa VIP-Tickets für die WM 2018 in Russland. Gegen den Staatsanwalt wurde ermittelt, doch weil die Präsente laut Infantino rein privat gewesen sein sollen, wurde der Fall eingestellt. Allerdings ist es laut Fifa-Statuten verboten, private Geschenke zu verteilen. Interne Untersuchungen gegen Infantino gibt es aber nicht.

Überhaupt hat er laut Insidern mittlerweile alle Schlüsselpositionen bei der Fifa mit Vertrauten besetzt. Infantino kann schalten und walten wie es ihm beliebt – und so im Hintergrund sein engagiertestes Projekt verfolgen. Offiziell verkaufte er es als einen Deal, der der Fifa sagenhafte 25 Milliarden US-Dollar einbringen soll – für zwei angesichts dieser Finanzdimension läppische Turniere wie einer globalen Nations League und der Klub-WM. Von wem all das Geld fließen soll, will Infantino bis heute nicht verraten.

Infantino könnte auf lange Sicht Einfluss haben

Wieso hat sich mittlerweile herausgestellt. Bei diesem mysteriösen Angebot sollten auch alle Fernsehrechte, Digital- und Marketingrechte an allen Fifa-Turnieren in eine neue Firma übergehen, an der die Fifa nur 51 Prozent halten sollte. Es wäre ein Ausverkauf des Fifa-Tafelsilbers gewesen. Und so scheiterte Infantinos Vorhaben am Widerstand einiger Europäer – vorerst. Denn Infantino hat dieses Ziel noch nicht aufgegeben.

Dafür drängt sich nun wohl besonders ein Hauptgrund auf: Infantino interessiert der gigantische Geldregen nur nebenbei, dank neuer Sponsoren aus China und Katar und Rekordeinnahmen der WM 2018 geht es der Fifa finanziell bestens. Im Zyklus von 2015 bis 2018 verzeichnete der Weltverband Rekordeinnahmen von 6,4 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Infantino hat stattdessen offenbar vor allem seine eigene Zukunft im Blick. Laut der neuen Fifa-Statuten kann der Verbandspräsident nur für drei Amtszeiten kandidieren. Als möglicher Chef einer Fifa-Rechtefirma könnte Infantino allerdings weiter der große Spieler im Weltfußball bleiben. Er liebt die Nähe der Mächtigen einfach zu sehr.

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