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Im Fahrerlager ist Sebastian Vettel der Running Gag.

© AFP

Neustart in Budapest: Vettel steckt noch in den Lehrjahren

Das neue Malheur von Sebastian Vettel in Budapest zeigt, dass er trotz seines Talents noch nicht am Ende seiner Formel-1-Lehrjahre ist.

Von Christian Hönicke

Sebastian Vettel wollte gar nicht mehr aufblicken. Er hing da, das Gesicht in das Schulterblatt seines Vaters Norbert vergraben, sekundenlang. Um ihn herum herrschte Partystimmung, Mechaniker verspritzten Schampus, und Vettel stand da, als wäre er als Fahrer auf einem Junggesellenabschied zu alkoholfreiem Bier verdonnert worden. Als die „Aussie, Aussie, oioioi!“-Rufe und die Pfiffe zu Ehren seines siegreichen Teamkollegen Mark Webber neben ihm noch lauter wurden, stapfte er finster blickend zurück in das Motorhome seines Red-Bull-Teams.

Ein paar Stunden nach dem Großen Preis von Ungarn hatte der Formel-1-Vizeweltmeister ein wenig Fassung zurückgewonnen. „Der Rückstand beträgt nur zehn Punkte“, stellte er mit Blick auf die WM-Wertung trotzig fest, die ihn mit 151 Zählern auf Rang drei hinter Webber (161) führt. „Das ist eigentlich ein Witz.“ Der viel größere Witz ist allerdings, dass Vettel überhaupt einen Rückstand hat.

Inzwischen entwickeln sich Red Bulls und besonders Vettels Malheure zu einer Art Running Gag im Fahrerlager – wer den Schrott hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. In der Tat scheint es fast so, als hätte der Rennstall seine eigene kleine Pannen-WM ausgerufen. Vettel hat in Ungarn mal wieder seine erste Führung in der Fahrer-WM überhaupt verpasst, aber zumindest in dieser Kategorie liegt er klar auf Rang eins.

Schon 2009 hatte der Heppenheimer den Titel trotz des schnellsten Autos im Feld wegen der andauernden Unzulänglichkeiten (damals vor allem denen seiner Motoren) verpasst. In dieser Saison läuft das Perpetuum mobile der Pannen weiter auf Hochtouren. Während etwa Ferrari-Pilot Fernando Alonso meist das Maximale aus seinen Möglichkeiten macht und trotz eines eigentlich unterlegenen Wagens weiter um den Titel kämpft, hat Vettel fast schon mehr Punkte verschenkt, als er gewonnen hat. Mal kam ihm eine kaputte Zündkerze in die Quere, mal eine seltsame Strategie, mal ein Unfall mit Webber und zuletzt zweimal in Folge ein schlechter Start.

Diesmal war er selbst schuld. Auf dem Hungaroring hatte er den Abstand zu seinem vorausfahrenden Stallrivalen in der Safetycar-Phase zu groß werden lassen und war deswegen mit einer Boxendurchfahrtsstrafe belegt worden, die ihm statt des sicheren Sieges nur Rang drei bescherte. Vettel gab zu, „gepennt“ zu haben, erklärte aber auch, wegen des gestörten Boxenfunks habe er nicht gewusst, wann das Safetycar wieder reinkomme. Das wischte Christian Horner beiseite. „Der Fahrer sollte die Regeln kennen, da braucht er keine Durchsage über Funk“, sagte der Red-Bull-Teamchef. „Es war einfach Sebastians Fehler.“ Man kann aus solchen Fehlern lernen – wenn man sie zugibt. Das fällt Vettel offenbar nicht leicht.

Dabei hat Vettel durchaus noch Nachhilfestunden nötig. Er „muss noch viel lernen“, hatte Weltmeister Jenson Button unlängst festgestellt: „Als ich 23 war, da war ich nicht so gut, wie ich es heute bin. Zwar nicht unbedingt langsamer, aber längst nicht so smart.“ So verwunderte es Button auch nicht, dass Vettel zunächst „keine Ahnung“ gehabt haben wollte, warum er bestraft worden war. Ein Blick ins Regelwerk hätte ihn aufgeklärt: Das ordnet an, in einer Safetycar-Phase jederzeit „so dicht wie möglich“ hinter dem Vordermann zu bleiben. Als Vergleichsgröße werden zehn Autolängen angeführt – Vettel ließ den Kontakt zu Webber um mehrere hundert Meter abreißen.

Dass der Deutsche seines unbestrittenen Talents zum Trotz noch nicht am Ende seiner Lehrjahre ist, bewiesen auch drei Umläufe zwischen dem Ausspruch der Strafe und ihrer Umsetzung. Statt mit schnellen Runden so viel Zeit wie möglich herauszuholen, um zumindest vor Alonso Zweiter zu bleiben, fuhr Vettel mehr als eine Sekunde langsamer als zuvor. Er habe sich durch die unheilvolle Nachricht „ein bisschen aus dem Rhythmus bringen lassen“. Nach dem ersten Frust hatte er zumindest seinen Kampfgeist wiedergefunden. „Es hilft nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken“, erklärte er bestimmt. „In zwei, drei Rennen kann das wieder ganz anders aussehen.“ Das allerdings klingt nach den vergangenen zwei, drei Rennen eher wie eine Drohung.

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