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Mit Brille und Biss: Peter Stöger will irgendwann Österreichs Nationaltrainer werden.

© dpa

Neuer Trainer beim 1. FC Köln: Peter Stöger, der Aufstiegsfavoritner

Während der Spieler Peter Stöger die Erwartungen oft nicht erfüllen konnte, wurde er als Trainer häufig unterschätzt – und war erfolgreich. Beim 1. FC Köln hat er nun die Chance, die ihm als Spieler verwehrt blieb.

Das Einzige an Peter Stöger, was breit und eckig erscheint, sind seine Brillen. Sein Markenzeichen, das er regelmäßig wechselt. Zwölf verschiedene hat er. In der vergangenen Saison trug er meist ein violettes Modell, mit eingraviertem Austria-Wien-Logo. Nun ist es rot und weiß, in den Farben des 1. FC Köln, den er seit Mitte Juni trainiert. Zur Heimpremiere kommt am Sonntag Fortuna Düsseldorf nach Köln (15.30 Uhr, live bei Sky) – zum ersten Rhein-Derby seit 14 Jahren.

Stöger, der Meistertrainer von Austria Wien, soll den Zweitligisten wieder in die Bundesliga führen. Dabei war er nicht erste Wahl als Trainer, wieder einmal. Denn mittlerweile wird er eher unterschätzt.

Vom Mittelfeldspieler Peter Stöger wurde sehr viel erwartet: Er sollte in die Fußstapfen von Austria-Ikone Herbert Prohaska treten; wegen seines leichtfüßigen Laufstils wurde er mit Mathias Sindelar verglichen, dem Star des österreichischen Wunderteams der Dreißiger Jahre. Prohaska und Sindelar – größer geht es im österreichischen Fußball nicht. Trotz 65 Länderspielen und der WM-Teilnahme 1998 blieben die Fußstapfen zu groß.

Kaum einer im Fußball kennt den 47-Jährigen so lange wie Andreas Ogris. Für ihn ist Peter Stöger nicht bloß ein Bekannter, sondern einer von denen, die er an einer Hand abzählen kann. Ein Freund. Von 1988 bis 1994 haben sie zusammen bei Austria Wien gespielt. „Er war nicht der Robusteste in den Zweikämpfen und auch nicht der Spieler, der die Mannschaft verbal wachgerüttelt hat“, sagt Ogris. „Er hat das mit seiner Schnelligkeit und überragenden Technik wettgemacht.“ Ogris nennt Stöger liebevoll einen „Brillenfetischisten“. Oft hat er aufgepasst, dass die Brille ihm nicht zum Verhängnis wurde. Auf Reisen mit der Austria und dem Nationalteam haben sie sich ein Zimmer geteilt. Wenn Peter abends beim Fernsehen mit der Brille eingeschlafen ist, hat „Ogerl“ sie ihm abgenommen. „Damit er sich mit dem Bügel nicht ein Auge aussticht.“

Stöger hat fast in so vielen Klubs gespielt, wie er Brillen hat: neun. Trotz seiner vielen Vereinswechsel hat er sich immer als Violetter gefühlt. Er stammt aus Favoriten, dem Arbeiterviertel im Süden Wiens, wo auch die Austria zu Hause ist. Bis zuletzt hat er hier gewohnt. Ein bodenständiger Typ, der jedoch nie Liebling der Austria-Fans war. Ogris verehren sie. Stöger haben sie respektiert.

Eine Karrierestation haben sie ihm übel genommen: 1995 ist er zu Rapid Wien gewechselt. Für Austria-Legende Andreas Ogris war es nicht leicht zu verkraften. „Aber sportlich konnte ich es nachvollziehen, er hat dort auch große Erfolge gefeiert. Für ihn persönlich hat mich das gefreut.“ Mit Rapid wurde Stöger wie schon mit der Austria Meister und stand 1996 im Europacupfinale gegen Paris St. Germain, das Rapid 0:1 verlor. Doch wer über diese Grenze im Wiener Fußball tritt, macht sich auf beiden Seiten unbeliebt. Nach seinem Wechsel zu Rapid hat Stöger vor dem Derby sogar Morddrohungen erhalten. Von welcher Seite sie kamen, weiß er bis heute nicht.

Peter Stöger – zwischen "Ich-AGs" und Höhenangst

Verhöhnt wurde er schon vorher: „Fest der Pferde, Stöger ist dabei!“, sangen jahrelang gegnerische Fans, wegen seiner auffallend großen Zähne, in Anlehnung an das traditionelle Wiener Reitturnier. Er hat es irgendwann mit Humor genommen. Als das Turnier 2010 ausfiel, hat er sich aufgeregt: „Es kann ja nicht sein, dass die meine Veranstaltung abdrehen!“

Erst in der abgelaufenen Saison hat Peter Stöger von den Austria-Fans eine Wertschätzung erfahren wie nie zuvor: „Peter, bleib’ bei uns!“, sangen sie sogar nach dem letzten Heimspiel. Sie wussten was sie an ihm haben. Als die Austria-Verantwortlichen im Frühjahr 2012 einen neuen Trainer suchten, wollten sie eigentlich Franco Foda holen. Als sie dann Stöger verpflichteten, nannte der Wiener „Standard“ es ein „Bekenntnis zum Mittelmaß“. Ein Jahr später, im Sommer 2013, steht fest: es war die Rekordsaison. Die Austria gewann erstmals seit sieben Jahren den Meistertitel, mit 82 Punkten – nie war eine Bundesligamannschaft besser. Stöger hat aus jungen, unerfahrenen Spielern eine offensive spielstarke Mannschaft geformt. Er nennt seine Spieler „Ich-AGs“, die sich entweder einen Stammplatz erkämpfen oder für einen besseren Verein empfehlen wollen – jeder für sich. Daraus versucht er dann eine Einheit zu formen.

Drei Aspekte sind ihm dabei wichtig: Vertrauen, Verantwortung und Respekt. Im Sport soll seiner Meinung nach keiner zu etwas gezwungen werden. Er selbst fürchtet sich vor Wasser und hat Höhenangst. Von Mutproben, die den Teamgeist stärken sollen, hält er nichts. Das hat er selbst am Ende seiner Spielerkarriere durchmachen müssen: In einem Trainingslager steht Canyoning an – der Trainer will, dass alle in einer Schlucht in einen Gebirgsbach springen. Stöger zögert. Die jungen Spieler beobachten ihn – springt der etwa nicht? – Er springt, damit die Jüngeren sich nicht herausreden können.

Er ist für den Trainer gesprungen. So etwas will er seinen Spielern ersparen. Er will sie besser machen, und dass sie sich wohlfühlen. Schon als Spieler, erzählt Ogris, habe Peter Stöger sich immer um die Jüngeren in der Mannschaft gekümmert. „Er ist harmoniebedürftig“, sagt er, „aber er zieht seine Linie konsequent durch.“

Kurz vor seinem Wechsel nach Köln hat Peter Stöger seinen alten Freund Andreas Ogris bei einem Benefizturnier getroffen und ihm von dem Angebot erzählt und ihn gefragt: „Was sagst du, Ogerl?“ – „Nimm’ die Chance in die Hand und geh’“, hat Ogris geantwortet. Denn dort kann sich Peter Stöger endlich seinen Traum vom Ausland erfüllen. 1992 hatte er als Spieler schon einmal ein Angebot von Eintracht Frankfurt. Er hätte dort in die Fußstapfen von Andreas Möller treten sollen. Es ist am Geld gescheitert. Peter Stöger ist in Wien geblieben, sein Traum blieb unerfüllt. Bisher.

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