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Nah an der Seitenlinie. Nach seiner Vorstellung als Füchse-Sportdirektor schaute sich Stefan Kretzschmar (re., links Bob Hanning) das Spiel gegen Erlangen an.

© imago images / Contrast

Neuer Sportdirektor der Füchse Berlin: Stefan Kretzschmar ist ein Mann, der viel verspricht

Stefan Kretzschmar sagt: Die Füchse hängen hinterher. Das will er als neuer Sportdirektor ändern.

Der Sonntag war eigentlich streng durchgeplant. Stefan Kretzschmar sollte am frühen Nachmittag ins Auto steigen und sich auf den Weg in die Max-Schmeling-Halle machen. Dort angekommen sollte der ehemalige Nationalspieler in seiner Funktion als Experte des Bezahlsenders Sky das Bundesliga-Heimspiel der Füchse Berlin gegen den HC Erlangen, das die Füchse dann nach dem verpatzten Auftakt in der Bundesliga 30:23 gewannen, kommentieren. So wie er das seit vielen Jahren und zur Freude vieler Handball-Fans tut: unterhaltsam, informativ und bisweilen sehr witzig – und dann wäre er anschließend bis zur nächsten Übertragung wieder nach Hause gefahren. Aber alles kam ganz anders, anders als erwartet sozusagen – passenderweise der Titel des ersten Buches von Stefan Kretzschmar, das vor nunmehr zehn Jahren erschienen ist.

Kretzschmar saß tatsächlich lange vor dem Anpfiff in der Max-Schmeling-Halle, später kommentierte er die Partie auch wie geplant. Zwischendurch wurde er allerdings noch ganz offiziell als neuester Angestellter der Füchse Berlin vorgestellt. Kretzschmar beerbt Volker Zerbe, seinen langjährigen Freund und Nationalmannschaftskollegen, und wird künftig als „Vorstand Sport“ beim Handball-Bundesligisten geführt.

Die Zusammenarbeit zwischen dem wohl bekanntesten und populärsten Vertreter seiner Sportart und den Füchsen beginnt am 1. Januar 2020 und ist zunächst auf vier Jahre vertraglich fixiert. „Wir hoffen natürlich, dass es viel, viel länger hält“, sagt Manager Bob Hanning. Um etwaige Interessenskonflikte zu vermeiden, wird Kretzschmar künftig keine Spiele mehr mit Füchse-Beteiligung kommentieren. Als Experte bei Sky macht er dagegen weiter.

„Kretzschmar zu den Füchsen – wer hätte das vor ein paar Monaten für möglich gehalten?“, begann der 46-Jährige seine Ausführungen und beantwortete die Frage gleich selbst: „Ich jedenfalls nicht.“ In der Tat ist es ein offenes Geheimnis, dass sich Hanning und der künftige Sportvorstand nicht immer einig waren. „Wir haben uns in der Öffentlichkeit sicher ein paar Scharmützel geliefert“, räumte Kretzschmar ein, „aber wenn wir privat gesprochen haben, war das stets von großem Respekt geprägt.“ Es war offenbar die Grundlage dafür, dass sich zwei der größten Persönlichkeiten des deutschen Handballs mit der Zeit mehr und mehr annäherten.

In seiner Funktion als Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) etwa spielte Hanning bereits mit dem Gedanken, Kretzschmar als Bundestrainer der Frauen zu installieren. Auch bei der Nationalmannschaft der Männer gab es Berührungspunkte – zum Beispiel als Hanning Christian Prokop zum Bundestrainer machte, den ehemaligen Trainer des SC DHfK Leipzig, bei dem Kretzschmar bis zu seinem Abschied vor wenigen Wochen zehn Jahre lang im Aufsichtsrat saß. „Gerade durch Bobs Arbeit beim Nationalteam sind wir uns näher gekommen“, sagt Kretzschmar.

Lediglich in Magdeburg dürfte die Nachricht mit großer Skepsis aufgenommen worden sein

In diesem Sommer, so erzählte es Hanning am Sonntag, sei schließlich aus einem Gedankenspiel eine konkrete Idee geworden: Warum nicht mal bei Stefan Kretzschmar nachfragen, ob er sich einen Posten im administrativen Bereich bei den Füchsen vorstellen könne? „Ich dachte am Anfang, es handelt sich um einen Spaßanruf“, sagt Kretzschmar, „wir haben ein bisschen gewitzelt, aber dann ist aus Spaß relativ schnell ernst geworden.“ Eine nicht zu unterschätzende Rolle dabei spielte Kretzschmars Privatleben: seit ein paar Monaten wohnt er mit seiner Lebensgefährtin am Berliner Stadtrand.

Zudem ist seine Tochter Lucie-Marie, wenig überraschend eine sehr begabte Handballerin, flügge geworden und hat kürzlich ihren ersten Profi-Vertrag unterzeichnet: beim Bundesligisten Neckarsulm.

Darüber hinaus betonte Kretzschmar, geboren in Leipzig und als kleiner Junge mit den Eltern nach Ost-Berlin gekommen, seine Verbindung zu Berlin, die auch in den Jahren der Wanderschaft als Profisportler nie abgerissen ist. „Ich habe viele Freunde hier und ein großes Netzwerk“, sagt er, „es fühlt sich so an, als wenn man nach Hause kommt.“

So stand es auch auf dem Banner, vor dem Kretzschmar, Hanning und Vereinspräsident Frank Steffel am Sonntag Platz nahmen: „Kretzsche is coming home – be prepared“, stand darauf geschrieben.

„Stefan soll uns in den nächsten Jahren dorthin bringen, wo wir uns von unserem Anspruch her sehen“, sagt Hanning, sprich: dauerhaft in die nationale Spitze. „Zuletzt ist die Schere zu den Spitzenklubs wieder auseinandergegangen, die Füchse hängen ein bisschen hinterher“, sagt Kretzschmar. „Das zu ändern, ist meine Aufgabe. Wir wollen nicht weniger als ein Spitzenverein sein.“

Lediglich in Magdeburg dürfte die Nachricht mit großer Skepsis aufgenommen worden sein. Beim SC Magdeburg, dem erklärten Lieblingsrivalen der Füchse, hat der Handballer Stefan Kretzschmar um die Jahrtausendwende seine größten Erfolg gefeiert. „Die ersten Nachrichten, die ich bekommen habe, waren nicht gerade positiv“, sagt Kretzschmar, „einige hat das offenbar emotional verstört.“

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