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Zwei Männer, ein Ziel. Manuel Neuer (links) und Marc-André ter Stegen wollen Deutschlands Nummer eins sein.

© dpa

Neuer gegen ter Stegen: Im Tor versteht der Deutsche keinen Spaß

Manuel Neuer ist bei der Nationalmannschaft die Nummer eins. Das weiß auch Marc-André ter Stegen. Trotzdem gibt er den Konkurrenzkampf noch nicht auf.

Es ist weitgehend bekannt, dass das Verhältnis zwischen Marc-André ter Stegen und seinem Kollegen Lionel Messi von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Messi, der millionenfache Weltfußballer, hat sich mehrfach lobend über die fußballerischen Fähigkeiten des Torhüters aus Deutschland ausgelassen, und soweit es bekannt ist, hat er die Bezeichnung ter Stegens als „Messi mit Handschuhen“ auch nicht als ehrenrührige Copyright-Verletzung verstanden. Insofern dürfte es ein trauriger Moment gewesen sein, als ter Stegen Anfang der Woche zum Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien nach Dortmund aufgebrochen ist – und Messi in Barcelona zurücklassen musste.

Der Argentinier ist aktuell noch gesperrt, ein Aufeinandertreffen mit seinem Vereinskollegen vom FC Barcelona wird es also an diesem Mittwoch (20.45 Uhr, live bei RTL) nicht geben. Ter Stegen findet das durchaus bedauerlich – weil Messi einfach ein herausragender Fußballer ist, dem man selbst als Gegner gern zuschaut. Wobei: „Manchmal ist es auch ganz gut, wenn er nicht spielt.“

Marc-André ter Stegen weiß, wovon er spricht. Schon bei seinem zweiten Einsatz für die Nationalmannschaft vor etwas mehr als sieben Jahren sah er sich dem Duell mit Lionel Messi ausgesetzt. Nach einer halben Stunde wurde der damalige Torhüter von Borussia Mönchengladbach eingewechselt, weil Ron-Robert Zieler nach einer Notbremse Rot gesehen hatte. Als erste Amtshandlung parierte ter Stegen Messis Elfmeter – dafür kassierte er später einen Weitschusstreffer des Argentiniers und in seinem zweiten Länderspiel die zweite Niederlage.

Die Karriere des Mönchengladbachers in der Nationalmannschaft hat ohnehin nicht besonders glücklich begonnen. Seine ersten drei Länderspiele gingen verloren, dabei kassierte er insgesamt zwölf Gegentore. Aber das ist lange her. „Auf den Marc ist absolut Verlass“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. „Mit dem Confed-Cup hat er sich voll und ganz in der Mannschaft etabliert.“ Viele halten den 27 Jahre alten ter Stegen inzwischen für fast genauso gut wie den sechs Jahre älteren Manuel Neuer, den Stammtorhüter und Kapitän der Nationalmannschaft; mindestens genauso viele halten ihn sogar für besser. Und genau das war zuletzt für einige ein großes Problem.

Beim Torwart versteht der Deutsche keinen Spaß

Genau genommen war es vor allem für Uli Hoeneß, den Präsidenten von Neuers Verein Bayern München, ein Problem. Nachdem ter Stegen in durchaus sozialverträglicher Form sein Reservistendasein in der Nationalmannschaft bedauert hatte, lederte Hoeneß los, als hätte sich der Torhüter des FC Barcelona der fortwährenden Verletzung der Menschenrechte schuldig gemacht. Mindestens. Aber so ist das im selbsternannten Torwartland Deutschland: Bei diesem sensiblen Thema vermögen selbst unverfängliche Äußerungen das Land in Wallung zu versetzen. Deshalb grenzt es fast an ein Wunder, dass die Krise gerade noch ohne die Intervention internationaler Blauhelmtruppen bewältigt werden konnte. Aber womöglich reicht ein Funke …

„Auch wenn du etwas anderes hören willst: Wir gehen absolut professionell mit der Situation um. Wir haben ein gutes Verhältnis“, antwortet ter Stegen am Tag vor dem Länderspiel gegen Argentinien auf die Frage nach seinem Verhältnis zu Manuel Neuer. „Es gibt keine Diskussion, keinen Streit und auch nicht das Gefühl: Wir müssen unbedingt sprechen.“ Es spricht für ter Stegen, dass er die Debatte bei der Pressekonferenz der Nationalmannschaft nicht weiter befeuert hat. Mit den Aussagen anderer beschäftige er sich nicht, sagt er, klagte lediglich über „ein Wort zu viel“, das in der Diskussion gefallen sei.

Bundestrainer Löw hat Neuer für die EM im kommenden Jahr schon längst eine Stammplatzgarantie ausgesprochen, zum anderen aber auch einen Konkurrenzkampf um die Torhüterposition ausgerufen. Aus diesem undurchdringlichen Labyrinth soll ter Stegen nun einen Ausweg finden, der allen gerecht wird. „Der Bundestrainer hat seine Aussage getätigt, aber ich möchte ihm die Entscheidung so schwer wie möglich machen“, sagt er über den Status quo. „Es ist schon so, dass der Manu einen Vorteil hat, aber im Fall der Fälle möchte ich zur Stelle sein.“

Niklas Stark von Hertha BSC spielt von Anfang an

Im Test gegen Argentinien wird ter Stegen spielen, am Sonntag gegen Estland in der EM-Qualifikation dann Manuel Neuer. Vermutlich wird ter Stegen mehr Chancen bekommen, sich auszuzeichnen, zumal er hinter einer Formation spielen wird, die sich nur flüchtig kennt. Zu den bereits zehn Verletzten haben sich nun auch noch Jonathan Tah, Timo Werner (beide erkältet) und Ilkay Gündogan gesellt. Dazu ist der Einsatz von Marco Reus fraglich. „Die Gesamtlage ist sehr angespannt und sehr unerfreulich“, sagt Bundestrainer Löw, der schon angekündigt hat, dass Niklas Stark von Hertha BSC und Luca Waldschmidt (SC Freiburg) zu ihren Länderspieldebüts kommen und sogar von Anfang an spielen dürfen.

Marc-André ter Stegen weiß vermutlich, dass nach den Ereignissen der vergangenen Wochen trotzdem vor allem auf ihn geschaut werden wird. „Ich fühle mich nicht mehr unter Druck gesetzt“, sagt er. In Dortmund stand er auch schon vor drei Wochen im Fokus, als er mit dem FC Barcelona beim BVB antrat und entscheidend dazu beitrug, dass das Champions-League-Spiel 0:0 endete.

Stabil, unaufgeregt, verlässlich – so verrichtet Marc-André inzwischen seinen Job. Auch deshalb sieht der Bundestrainer auf der Torhüterposition zurzeit „das allerkleinste Problem“ für sich. Sein ursprünglich geplantes Gespräch mit Neuer und ter Stegen hat Joachim Löw jedenfalls erst einmal abgesagt. Zum einen wegen Zeitmangels, zum anderen wegen fehlender Dringlichkeit: „Eigentlich ist nicht viel passiert.“

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