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Der neue Cheftrainer Sofian Chahed muss sich regelmäßig den Fragen seiner Spielerinnen stellen.

© Uta Zorn/Turbine Potsdam

Neuer Fußball-Cheftrainer bei Turbine Potsdam: „Taktisch stellen sich die Frauen schlauer an“

Seit zwei Monaten trainiert Ex-Bundesligaspieler Sofian Chahed zum ersten Mal ein Frauenteam. Im Interview erklärt er, warum ihm der Job so gut gefällt.

Herr Chahed, Sie sind schon lange im Männer-Fußballgeschäft dabei, als Profi waren Sie selbst sehr erfolgreich. Seit zwei Monaten sind Sie nun Cheftrainer bei Turbine Potsdam. Was ist anders in der Arbeit mit den Frauen?

Der Kopf spielt eine größere Rolle als bei den Männern. Taktisch stellen sie sich schlauer an. Sie fragen öfter nach, warum wir eine bestimmte Trainingseinheit so machen. Da muss ich immer eine Antwort parat haben. Das lohnt sich aber, weil dann auch mehr zurückkommt. Sie verstehen die Anweisungen, setzen sie um, beschäftigen sich komplett mit dem Thema.

Unterscheiden sie sich auch im Spiel von Männerteams?

Bei unseren Testspielen war es genau dasselbe. Sie brauchen einen klaren Plan, was wir vorhaben.

Es gibt Trainer, die erst männliche Jugend- und dann Frauenmannschaften trainiert haben, die begeistert waren, weil das ein Riesenunterschied sei. Einer meinte mal: Sobald ich mich umgedreht habe, haben die Jungs gemacht, was sie wollten. Die Frauen sind viel professioneller. Haben Sie sowas auch schon beobachtet?

Ja, das ist richtig, das muss man aber in Relation sehen. Das liegt vor allem am Alter. Es ist völlig normal, dass erwachsene Frauen professioneller spielen als männliche Teenager.

Warum haben Sie sich überhaupt dafür entschieden, Frauen zu trainieren?

Für mich war das der nächste Schritt als Trainer. Ich hätte bei Hertha die U15 machen sollen, aber ich wollte mich weiterentwickeln. Turbine ist auf mich zugekommen und ich fand das direkt spannend. Mein gutes Bauchgefühl hat sich schnell bestätigt.

Sie sind also zufrieden mit Ihrem Job?

Ja hundertprozentig. Ich bereue es keine Sekunde. Im Gegenteil. Ich wachse jeden Tag mehr rein und freue mich über die Herausforderung.

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Womit haben die Spielerinnen Sie überrascht?

Damit, dass sie so selbstständig sind und bei allem mitdenken. Außerdem haben sie keine Starallüren. Das macht es interessanter, was die Mannschaft angeht. Männertrainer in der Bundesliga müssen schauen, dass sie die guten Spieler befriedigen, damit die auch am Wochenende Leistung bringen. Bei den Frauenmannschaften kann man mehr im Detail arbeiten und die guten Spielerinnen trotzdem kritisieren.

Es gibt Fußballmannschaften, wie zum Beispiel den FC Chelsea, wo die Trainingspläne der Frauen an die Periode angepasst werden. Haben Sie sich damit auseinandergesetzt?

Ja, ich habe mich dazu schon eingelesen. Wir haben das auf dem Schirm, das Thema ist wichtig und gehört dazu. Wir versuchen das zu berücksichtigen, aber ob wir individuell die Trainingspläne anpassen, wissen wir noch nicht.

Zumindest bei manchen Fans spielt Frauenfußball immer noch eine untergeordnete Rolle. Haben Sie schon dumme Sprüche abbekommen?

Noch gar nicht. Ich glaube, da wäre ich auch resistent. Jeder kann mögen was er will.

Was würden Sie entgegnen, wenn jemand sagt "fürs Männerteam hats wohl nicht gereicht"?

Die Frage an sich ist schon diskriminierend. Da würde ich gar nicht drauf antworten und es nur belächeln.

Die besten Frauenvereine haben alle auch Männer-Bundesligisten. Und der große Frauenfußballklub 1. FFC Frankfurt spielt jetzt als Eintracht. Turbine kooperiert mit Hertha. Ist der Frauenfußball nur unter dem Dach der Männervereine erfolgreich?

Ich glaube es bringt finanzielle Vorteile und auch Vorteile bei den Trainingsmöglichkeiten. Was sich da in den nächsten Jahren tun wird, kann ich nicht einschätzen. Aber es ist schon interessant, dass Turbine der einzige reine Frauenfußballclub ist.

Was bedeutet die Kooperation von Turbine mit Hertha überhaupt?

Soweit ich weiß, geht es vor allem um finanzielle Unterstützung für die kommenden drei Jahre. Turbine setzt sich an einen Tisch mit Hertha und dann werden die schauen, was man noch verbessern kann. Zum Beispiel im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

Anna Gerhardt (rechts im Bild) und Turbine Potsdam bestreiten das erste Spiel nach der Coronavirus-Pause beim SC Freiburg.
Anna Gerhardt (rechts im Bild) und Turbine Potsdam bestreiten das erste Spiel nach der Coronavirus-Pause beim SC Freiburg.

© Imago

Gibt es eine Spielerin von Turbine, die Sie fasziniert hat?

Ja, sogar zwei, drei, aber ich werde keine Namen nennen. Mich hat fasziniert, dass sie teilweise professioneller leben als Bundesliga-Männer. In Bezug auf Ernährung, Schlaf, Training und Individualtraining.

Turbine war mal die absolute Nummer eins in Deutschland. Aber das ist lange vorbei. Potsdam hatte zuletzt einen Umbruch unter dem vorigen Trainer Rudolph. Und jetzt steht schon wieder einer an, da mehrere Leistungsträgerinnen weg sind. Wie schwer ist das für Sie?

Für mich war es schwierig, ein neues Gerüst aufzustellen. Dass mir Dirk Heinrichs mit viel Erfahrung im Frauenfußball als Co Trainer zur Seite stand, hat es mir etwas leichter gemacht. Wir sind auf einem guten Weg. 

Wolfsburg und die Bayern spielen mehr oder weniger in ihrer eigenen Liga. Ist der Zug nach ganz oben für Turbine auf Dauer abgefahren?

Wir können uns nicht mit denen messen, das ist klar. Aber im Fußball ist immer alles möglich, auch gegen Bayern und Wolfsburg. Vergleichen können wir uns mit Frankfurt, Hoffenheim und Essen.

Nächste Saison hat Deutschland einen Champions-League-Platz mehr. Ist das ein realistisches Ziel?

Ja.

Wie lief denn die Vorbereitung?

Leider waren die Testspiele schwierig, weil die Frauenteams in Berlin und Brandenburg ein unterklassiges Niveau haben. Deshalb mussten wir oft gegen Männer spielen, was wiederum etwas anders ist. Aber ich glaube, wir haben uns trotzdem optimal vorbereitet. Wir gehen mit Vorfreude ins erste Bundesliga-Spiel am Sonntag gegen Hoffenheim.

Wissen Sie schon, was Sie Ihren Spielerinnen vor dem Match sagen werden?

Ja, aber das kann ich Ihnen nicht verraten.

Jetzt würde ich es aber erst recht gerne wissen.

Das geht leider nicht (lacht). Das müssen wir für uns behalten.

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