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Prestigesieg. Die deutschen Männer gewannen Anfang März ihr Auswärtsspiel in Holland durch ein Tor von Florian Fuchs mit 1:0.

© Frank Uijlenbroek/dpa

Neue Pro League polarisiert: Deutsche Hockey-Teams spielen sich in 119 Tagen um die Welt

Die Pro League soll Hockey populärer machen. Die Meinungen über den neuen Wettbewerb gehen auseinander. Besonders die Bundesligisten sind unzufrieden.

Der Job des Hockey-Bundestrainers bringt unter anderem eine rege Reisetätigkeit mit sich. Für Stefan Kermas ist es also nicht ungewöhnlich, wenn er drei Wochen von zu Hause weg ist. Die Erfahrungen in diesem Winter aber waren auch für ihn extrem. In drei Wochen ist Kermas mit den deutschen Hockey-Männern einmal um die Welt geflogen, mit Stopps in Australien, Neuseeland und Argentinien.

Die Reisegruppe hat bei ihrem Ritt durch die Zeitzonen einiges erlebt, unter anderem ein echtes Naturschauspiel. In Buenos Aires konnte sie Blitze beobachten, die waagerecht in der Luft standen. Dummerweise führte das dazu, dass das Pro-League-Spiel der Deutschen gegen Argentinien nicht stattfinden konnte und beiden Teams je ein Punkt gutgeschrieben wurde.

So steht es im Reglement des Wettbewerbs, der in diesem Jahr zum ersten Mal ausgetragen wird. Ausweichtermine sind vom Weltverband FIH nicht vorgesehen, der Zeitplan ist eng gesteckt. „Für die Spieler ist es terminlich und körperlich schon anspruchsvoll“, sagt Kermas über die Pro League. Aber wegen der vielen unterschiedlichen Eindrücke – Natur in Hobart, Großstadttreiben in Buenos Aires – sei die Zeit wie im Flug vergangen, erzählt er. „Für den Körper war es anspruchsvoll, für die Birne nicht.“ Dreieinhalb Wochen Weltmeisterschaft an ein und demselben Ort sind deutlich eintöniger.

Doch gerade wegen der vielen Reisen ist die Pro League mit 17 Teams – neun bei den Frauen, acht bei den Männern – und insgesamt 128 Spielen auf fünf Kontinenten zunächst skeptisch gesehen worden. Die pakistanischen Männer zogen unmittelbar vor dem Start ihre Teilnahme zurück – weil die Kosten sie finanziell überfordert hätten. „Am Anfang waren alle sehr kritisch“, sagt Xavier Reckinger, der Bundestrainer der deutschen Frauen, die einen ähnlichen Trip hinter sich haben wie die Männer. „Aber die, die die Pro League spielen, sind jetzt schon richtig positiv.“

Feedback der Hockey-Profis war positiv

Der Wettbewerb ist ein neuer Versuch, der Randsportart Hockey mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. „Wir brauchen volle Stadien“, sagt Heino Knuf, der Sportdirektor des Deutschen Hockey- Bundes (DHB). Bei den vorherigen Turnierformaten, der Champions Trophy und der World League, „waren die Stadien nur voll, wenn die Heim-Mannschaften gespielt haben“. Bei der Pro League gibt es in jedem Spiel eine Heim-Mannschaft, weil jeder gegen jeden spielt, je einmal zu Hause und einmal auswärts. Das erste Feedback der Spielerinnen und Spieler war daher sehr positiv, berichtet Knuf.

Einmal um die Welt. Auch in Neuseeland mussten die deutschen Hockey-Herren schon ran.
Einmal um die Welt. Auch in Neuseeland mussten die deutschen Hockey-Herren schon ran.

© Imago/Action Plus

Die Pro League wird von der FIH zentral vermarktet, es gibt ein einheitliches Erscheinungsbild, sämtliche Spiele werden im Livestream gezeigt. Das sogenannte Bid-Book mit den Vorgaben des Weltverbandes ist 160 Seiten stark, selbst eine Mindestzuschauerzahl ist darin festgelegt. „Man merkt, dass der FIH viel an diesem Wettbewerb liegt“, sagt Bundestrainer Kermas. In Australien, Neuseeland und Argentinien seien die Spiele „richtig gehyped und promotet“ worden, erzählt Janne Müller-Wieland, die Kapitänin der deutschen Frauen. „Für uns hat das schon was, so eine Liga auf so einem Niveau zu spielen.“

Für die deutschen Frauen stehen nun in Mönchengladbach vier Spiele in sieben Tagen an. Die Männer sind in diesem Jahr mit Spielen und Lehrgängen 119 Tage unterwegs. Das dürfte ein historischer Rekord sein; in Olympiajahren sind es um die 100 Tage. „Wenn wir es gut machen, können wir sehr stark von diesem Wettbewerb profitieren“, sagt Kermas. „Wir haben eine gesicherte Anzahl von Topspielen. Das kann für das Gesamtniveau der Mannschaft nur gut sein.“ Sein Kollege Reckinger hat den Trip um die Welt als „tolle Zeit“ empfunden – weil er endlich einmal ausgiebig mit seinen Spielerinnen trainieren konnte.

Bundesliga-Klubs sind die Leidtragenden

Leidtragende sind die Klubs aus der Bundesliga. „Grundsätzlich ist es immer schön, wenn Hockey mehr Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Malte Kutscha, Bundesligawart des Berliner HC. Doch die Pro League habe für die Bundesligisten weitreichende Konsequenzen. So müsse die Rückrunde auf dem Feld auf acht, neun Wochen komprimiert werden, der Rest sei Leerzeit. „Die einen spielen zu viel“, sagt Kutscha, „die anderen zu wenig.“

DHB-Sportdirektor Knuf kann den Unmut verstehen, trotzdem sei es zwingend notwendig, an der Pro League teilzunehmen. Andernfalls wäre es unmöglich, sich in der Weltspitze zu halten. Wichtigstes Ziel für Frauen-Bundestrainer Reckinger bleibt in diesem Jahr die EM im August in Antwerpen. Trotzdem will er in der Pro League unter die besten vier kommen und sich damit für das Finalturnier in Amsterdam qualifizieren. Fünf Tage vorher steht das letzte Hauptrundenspiel an – in den USA. Xavier Reckinger sagt: „Die erfolgreichsten Mannschaften der Pro League werden die sein, die am besten mit den Begleitumständen umgehen.“

Für die deutschen Hockey-Nationalmannschaften stehen in der Pro League die ersten Heimspiele an. Die Frauen machten am Mittwochabend in Mönchengladbach gegen Großbritannien den Anfang und besiegten den Olympiasieger mit 2:0 durch zwei Tore von Hannah Gablac. Weitere Gegner der Frauen: Holland (Freitag, 18.15 Uhr), China (Sonntag, 12 Uhr) und die USA (Dienstag, 19.30 Uhr). Die Männer treffen am Freitagabend auf den Erzrivalen Holland (20.45 Uhr) und am Sonntag auf Großbritannien (14.30 Uhr). Alle Spiele sind im Livestream auf der Webseite des Weltverbandes (fih.live) zu sehen.

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