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Achterbahnfahrt. Am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine steigt Daniil Medwedew zum neuen Topspieler im Männertennis auf.

© dpa

Neue Nummer eins im Tennis: Daniil Medwedew schwankt zwischen Stolz und Entsetzen

Der Russe Daniil Medwedew wird neue Nummer eins im Tennis – und wünscht sich Frieden. Auch sein Landsmann Andrej Rublew setzt ein Zeichen.

Für Daniil Medwedew war der Donnerstag seinen eigenen Worten zufolge eine einzige „Achterbahnfahrt“. Am Vormittag erfuhr der russische Tennisprofi beim Turnier in Acapulco von den Ereignissen in der Ukraine. Später davon, dass Novak Djokovic sein Viertelfinale in Dubai verloren hatte und Medwedew damit die Weltranglistenführung übernehmen würde.

Doch den für ihn historischen Tag konnte er nicht so richtig feiern. „Hier in Mexiko aufzuwachen und die Nachrichten aus der Heimat zu sehen, war nicht einfach“, erzählte er nach seinem Halbfinaleinzug. Es sei schwierig gewesen, sich auf sein Spiel zu konzentrieren, denn „in so einem Moment weißt du, dass Tennis nicht so wichtig ist“.

Ab Montag wird der 26 Jahre alte Moskauer der neue Topspieler der Welt sein – erstmals seit 2004 steht damit nicht entweder Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray oder Djokovic ganz oben. Dabei steht er als Russe in diesen Tagen vor einer besonderen Herausforderung. Wie Medwedew die zu meistern gedenkt, erklärte er dann auch sogleich: „Als Tennisspieler möchte ich überall auf der Welt für den Frieden eintreten.“

Sein Landsmann Andrej Rublew zeigte zuletzt schon, wie das im russischen Tennis aussehen könnte. Beim Turnier in Marseille gewann er zusammen mit dem Ukrainer Denys Moltschanow die Doppelkonkurrenz. Anschließend lagen sich die beiden Spieler vor Freude in den Armen. „Wir sind normale Menschen und keine Politiker. Wir sind Sportler. Und Sport bringt Menschen zusammen. So einfach ist das“, sagte Rublew danach und schob ein „Friede sei mit euch!“ hinterher.

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Medwedew nahm darauf am Donnerstag in Acapulco direkt Bezug und sagte: „Das war großartig, denn ich bin der Meinung, dass die Menschen zusammenhalten müssen.“ Auch Rublew zog am Donnerstag in Dubai ins Halbfinale ein und unterstrich noch einmal seine Haltung zur Krise. „Es ist so wichtig, dass Frieden auf der Welt herrscht und sich gegenseitig zu respektieren. Wir müssen auf unsere Erde und aufeinander aufpassen“, sagte er.

Tatsächlich sind sowohl Rublew als auch Medwedew zuletzt in den sozialen Netzwerken allein deswegen attackiert worden, weil sie Russen sind. Mit ihren Aussagen machten sie nun deutlich, dass sie ihre eigenen Ansichten haben und eben nicht nur einfältige, Schläger schwingende Hohlköpfe sind.

Von Medwedew ist schon länger bekannt, dass er sehr wortgewandt ist und sich zu vielen Dingen intelligent und humorvoll äußern kann. Wie Rublew hat er schon in jungen Jahren mehr Zeit im Ausland als in der Heimat verbracht, als Wohnort ist aktuell bei ihm Monte Carlo angegeben. Wie viele Tennisspieler ist er eher Einzelunternehmer mit einer globalen Fangemeinde.

Medwedew war zuletzt der konstanteste aller Topspieler

Mit seiner Friedensbotschaft dürfte er sich neuerlichen Respekt verschafft haben, auch wenn die zu Hause vielleicht nicht überall so wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde wie im Rest der Welt. In den vergangenen Monaten war er der konstanteste aller Topspieler, holte sich bei den US Open den ersten Grand- Slam-Titel und gewann auch den Davis Cup. Besonders auf Hartplätzen und in der Halle kommt sein Spiel mit starken Aufschlägen und extrem flachen und glatten Grundschlägen voll zur Geltung.

So erreichte er zuletzt auch bei den Australian Open das Endspiel, verlor dort aber gegen Nadal trotz einer 2:0-Satzführung. Der Spanier wird auch in der Nacht zu Samstag in Acapulco sein Gegner sein. Medwedew geht als Favorit in das Match. So wie sich das für die neue Nummer eins gehört.

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