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Bob Hanning gibt in seinem Buch Einblicke in seine Gedanken über die Ereignisse der letzten Jahre.

© imago/Matthias Koch

Neue Erkenntnisse in Hannings erstem Buch: Der Mensch hinter der Fassade

Vor dem Abschied aus dem DHB-Präsidium veröffentlicht Bob Hanning sein erstes Buch. Darin lernt man viel über die Sichtweisen des Funktionärs.

Da sitzt er nun auf seinem goldenen Thron. Hinter sich die feiernden Fan-Scharen, er selbst im Vordergrund, königlich präsentiert, nicht mit dem Reichsapfel, sondern dem Ball in der Hand. Unverkennbar ist Bob Hanning mit einem seiner Lieblingspullover abgebildet, den ein Fuchs mit Krone ziert. Bescheidenheit und Zurückhaltung – das sind nicht unbedingt Tugenden, für die der Füchse-Geschäftsführer und scheidende Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) bekannt ist. Und so ist wenig verwunderlich, wie der 53-Jährige auf dem Cover seines neuen, ersten Buches gezeigt wird.

Gleichermaßen ausdrucksvoll ist der Titel „Hanning. Macht. Handball.“, in dem der gebürtige Essener nicht nur als Macher und somit Former des hiesigen Handball-Sports eingeführt wird, sondern genauso den Namen Hanning mit Macht und Handball auf eine Ebene stellt. Eines ohne das andere, das geht nicht.

In gewisser Weise stimmt das so ja auch. Denn nicht nur aufgrund seiner schillernden Outfits ist Bob Hanning zu einer der bekanntesten Personen im deutschen Handball avanciert. Nach seinen acht Jahren im Vorstand des DHB kann Hanning auf eine weitgreifende Strukturreform verweisen, eine Professionalisierung des Verbundes sowie dessen ausgebaute Vermarktung und die nachhaltige Verbesserung der Jugendarbeit. Jetzt aber nimmt er seinen Hut und tritt bei der Wahl der Präsidiumsämter im Verband am Sonntag nicht erneut an.

„Es ist immer gut, in Momenten aufzuhören, wo man es noch selbst bestimmen kann. Der Zeitpunkt scheint mir für alle Seiten der richtige. Ich habe dem DHB das gegeben, was ich konnte. Jetzt sind andere an der Reihe“, erklärt Hanning seine Entscheidung. Man mag es kaum für möglich halten, doch Hanning, der Provokateur vor dem Herrn, der polarisieren kann – und meist auch möchte – wie kein zweiter, will sich aus dem Rampenlicht zurückziehen.

Die Geschichte des Machers und des Menschen

Nicht aber, ohne seine Ansicht der vergangenen Jahre zu erzählen. Und zwar nicht nur die des Funktionärs, sondern ebenso des Menschen hinter der Fassade. Frei nach Gregor Gysis Talkshow „Missverstehen sie mich richtig“ beschreibt er, in Zusammenarbeit mit seinem Co-Autor Christoph Stukenbrock, teils faktisch, teils mit persönlichen Episoden, seinen Weg. Natürlich aus seiner ureigenen Perspektive und nicht ohne den einen oder anderen Seitenhieb.

Da wird beispielsweise das Zerwürfnis mit seiner einstigen Lichtfigur, dem Weltmeisterspieler und -trainer Heiner Brand, ebenso thematisiert wie die Streitigkeiten mit dem ehemaligen Präsidenten des DHB Bernhard Bauer. Genauso finden Spitzen gegen die Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer und Daniel Stephan, mit denen er sich seit Jahren öffentliche Wortduelle liefert, ihren Platz. „Natürlich schreibt man ein Buch auch aus einem persönlichen Ego heraus. Davon kann ich mich nicht freisprechen. Aber ich wollte einfach mal meine Geschichte erzählen, nachdem ich acht Jahre geschwiegen habe“, sagt Hanning.

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Manche der im Buch angesprochenen Personen würden wahrscheinlich ganz andere Sichtweisen zu bieten haben, aber es ist nun einmal Hannings Narrativ, und was ihm trotz und teilweise wegen seiner Subjektivität anzurechnen ist, ist dass er sich nicht nur mächtig, sondern an mancher Stelle gleichermaßen als ohnmächtig darstellt.

Da werden persönliche Enttäuschungen wie das Dilemma um den wenig erfolgreichen Bundestrainer Christian Prokop besprochen. Da gesteht Hanning seine einstige Frustbewältigung durch übermäßiges Essen, die dazu führte, dass der 1,68-Meter-Mann in die Breite ging und auf 105 Kilogramm Körpergewicht anwuchs. Da geht es um seine Zeit als Trainer beim HSV Hamburg, die sagenumwoben mit einer „Spielerrevolte“ endete und Hannings berühmtestes Bild hervorbrachte, als er sich im Rahmen eines Marketing-Coups als Napoleon verkleidete und einiges an Spott auf sich zog. „Das würde so heute nicht mehr vorkommen. Aber damals war es eine gelungene Aktion. Alle haben über den HSV gesprochen“, blickt Hanning zurück.

Durch derartige Anekdoten bröckelt die Front, die Hanning so bedacht über Jahre aufgebaut hat. Er verliert das Antlitz des Magneten und Blitzableiters, der mit Kalkül und Machtbesessenheit assoziiert wird. Hier ist Hanning mehr als der Streithahn, an dem vermeintlich alles abprallt. So ganz einreißen mag Hanning die Mauer allerdings auch nicht. Wiederholt unterstreicht er, dass Kritiker ihn nicht mehr treffen können. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Die Jugendarbeit ist für Hanning unverzichtbar

Fakt ist, und das zeigt sein Buch vielerorts, dass Hans Robert Hanning, der von seiner Familie mit Verweis auf Bob Dylan seinen Spitznamen bekam, schon immer seinen eigenen Weg gegangen ist. Manchmal engstirnig und eigensinnig, andernorts vielleicht auch etwas gnatzig, hat er schon immer seine Ziele verfolgt, ohne sich von seiner Bahn abbringen zu lassen. „Der Zweck heiligt vielleicht nicht die Mittel, aber wenn mir etwas wichtig ist, dann werde ich kreativ und dann will ich das durchsetzen“, sagt Hanning.

Und wichtig ist ihm vor allem der Handball-Sport. Seitdem er als etwas talentfreier Torhüter in seiner Geburtsstadt Essen die Faszination für den Ball entdeckt hat, drehte sich förmlich alles um die Sportart, die heute ohne ihn in ihrer jetzigen Ausformung in Deutschland so kaum vorstellbar wäre.

Der Konflikt zwischen Heiner Brand und Bob Hanning, hier ein gemeinsames Bild aus dem Jahr 2004, erhält durch die Aussagen im Buch des scheidenden DHB-Vizepräsidenten neuen Zündstoff.
Der Konflikt zwischen Heiner Brand und Bob Hanning, hier ein gemeinsames Bild aus dem Jahr 2004, erhält durch die Aussagen im Buch des scheidenden DHB-Vizepräsidenten neuen Zündstoff.

© imago/Hoch Zwei

Nicht zuletzt, weil Hanning auf eines immer besonderen Wert gesetzt hat: die Jugendarbeit. „Ich könnte auf alles in meinem Leben verzichten, außer auf meine Jugendmannschaften“ sagt Hanning, der sein Konzept einer auf Nachwuchs basierenden Bundesliga-Mannschaft in Berlin vor sechzehn Jahren erfolgreich mit den Füchsen angestoßen hat. Mittlerweile hat sich der Verein längst in der Bundesliga etabliert und sich zu einem der Topklubs der Liga entwickelt. Von der Einstigen Zweitliga-Freizeittruppe ist keine Spur mehr – auch dank Hanning und seinem unermüdlichen Einsatz.

„Ich kenne niemanden in unserem Sport, der härter arbeitet. Wenn der inflationär verwendete Zusatz 'rund um die Uhr' auf jemanden zutrifft, dann auf Bob“, sagt Füchse-Sportchef Stefan Kretzschmar. „Ich erlebe Bob als leidenschaftlich, aber zugleich kühl kalkulierend, wenn es sein muss, knallhart, aber nicht bösartig. Ich denke, manchmal fehlt es ihm an Gespür, was Worte und Entscheidungen bei einem Gegenüber anrichten können.“

Manchmal, und da muss Hanning seinem Kompagnon zustimmen, ist er so sehr auf sein Ziel versteift, dass er vergisst, dass seine Robustheit nicht jedermanns Sache ist, dass seine direkte Art verletzen kann und dies auch oft tut.

Ein Dynamo für die Sportart

Von daher wird so manch einer sicherlich nicht traurig sein, wenn Hannings Amtszeit nun endet. Wenn „der schrille Vogel“, der für seine bunten Pullover und wenig Konformität bekannt wurde, etwas weniger auf der großen Handballbühnen zu sehen ist. Denn bei der Wahl des neuen Präsidiums auf dem 33. Ordentlichen Bundestag des Deutschen Handballbundes tritt Hanning nicht erneut an, sein Nachfolger steht mit Jörg Föste bereits fest.

Bei all der Kritik, berechtigt oder nicht, sollte indes nicht vergessen, was Hanning für den deutschen Handball geleistet hat. „Zu jeder Zeit war und ist Bob Hanning ein Dynamo für unsere Sportart, auch oder gerade, weil er polarisiert“, sagte deshalb nicht ohne Grund kürzlich der Präsident der Deutschen Handball Bundesliga (HBL) Uwe Schwenker.

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Ein Fleck, der auf seiner bunten Weste bleiben wird, ist jedoch der sportliche Erfolg der deutschen Nationalmannschaft, die man auf Dauer wieder in der Weltspitze etablieren wollte. Hier hatte Hanning damals angesetzt, als er 2013 in die brüchig aufwartende Führungsriege eingestiegen war. Hier sollte nach verpasster Qualifikation für Olympia und Europameisterschaft sowie einer Weltmeisterschaftsteilnahme allein aufgrund einer Wildcard auch für die Außenwelt der Erfolg des Verbundes manifestiert werden.

Doch nach schnellen Erfolgen unter dem von Hanning installierten Bundestrainer Dagur Sigurdson, mit der gewonnenen EM 2016 und der Bronze-Medaille bei Olympia in Rio, konnte die DHB-Auswahl ihren Lauf nicht fortsetzen, musste Hanning das Fiasko auf den ebenfalls von ihm eingeführten Christian Prokop auf seine Kappe nehmen und zuletzt auch ein bescheidener Auftritt bei WM und Olympia verzeichnet werden. In diesem Punkt liegt sicherlich der größte Schmerz, den Hanning in seinem Abschied beim Verbund sieht. Nur zu gerne hätte er sich mit einem Titel verabschiedet – für den deutschen Handball, aber auch für sich und seine Arbeit.

Auf Hanning wartet weiterhin Arbeit

Doch Bob Hanning wäre nicht Bob Hanning, wenn er sich deshalb dem Trübsalblasen verschreiben würde. Sein Blick geht voraus. Seine Füchse Füchse sollen schließlich ihren Weg in die Champions League finden und sind vor dem Spiel gegen den HC Erlangen (Sonntag, 16 Uhr) mit 16 saisonübergreifenden Siegen in Serie derzeit auf einem guten Weg.

Nicht weniger ambitioniert ist seine Vision für die Jugendmannschaften des Vereins, die neben zahlreichen Meisterschaftstiteln etliche Nationalspieler in ihren Reihen vorzuweisen haben. Ihnen und sich macht Hanning die U23-Weltmeisterschaft in zwei Jahren in Deutschland zum Geschenk. Hinzu kommt seine neue Aufgabe als Trainer beim VfL Potsdam, den er in dieser Saison in die zweite Liga führen will.

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Und dann ist da noch sein Haus am See. In Wandlitz, dort wo auch Stefan Kretzschmar sich sein Domizil eingerichtet hat, will Hanning sich seinen Rückzugsort aufbauen und sich damit einen langersehnten Traum verwirklichen. „Da möchte ich mir etwas für mich aufbauen. Ein Haus mit einem Steg, von dem ich an einem schönen Tag ins Wasser springen und einfach ich sein kann“, sagt Hanning.

Doch zu seinem Ich gehört der Handball immer dazu. Deshalb dürfen wir wohl weiter davon ausgehen, dass Hanning sich bei wichtigen Themen zu Wort melden wird, weiter seine Meinung sagt, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen und weiter aneckt. Sein Buch – so persönlich es an manchen Stellen sein mag – wird ihm nicht zum Helden derer machen, die ihn über die Jahre verflucht haben. Eines sollte man Bob Hanning allerdings lassen, für seinen geliebten Handball-Sport macht er alles. Das können nicht viele von sich behaupten.

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