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Läuft bei ihm. Matthias Ginter ist mit Mönchengladbach und der Nationalmannschaft erfolgreich.

© Leon Kuegeler/Reuters

Nationalspieler Matthias Ginter: Mit dem Mut des Spitzenreiters

Tabellenführer mit Borussia Mönchengladbach, Abwehrchef in der Nationalmannschaft - Matthias Ginter nutzt die Gunst der Stunde

Der Spieler in der Position des Mittelstürmers tat, was ein Mittelstürmer in dieser Situation tun musste: Er vertraute seiner Intuition. Bis dahin hatte er alles lehrbuchmäßig richtig gemacht, erkannt, dass der Ball von außen an den Fünfmeterraum gespielt werden würde und sich in die passende Abschlussposition gebracht. Aber dann kam es zu leichten Störungen im Betriebsablauf. „Ich war eigentlich schon ein bisschen zu weit vorne“, sagte er. „Es war instinktiv, dass ich irgendwie den Ball noch aufs Tor bringen wollte.“ Irgendwie. Der Spieler in der Position des Mittelstürmers drehte sich halb um die eigene Achse und lenkte den Ball mit der Sohle ins Tor.

Mittelstürmer können so was, aber der Mann in der Position des Mittelstürmers hieß Matthias Ginter, und im normalen Leben, sowohl in seinem Verein Borussia Mönchengladbach als auch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, ist er als Innenverteidiger tätig. „Man muss ihm auf jeden Fall ein Kompliment aussprechen“, sagte Mittelfeldspieler Leon Goretzka. „Das wird er nicht so schnell vergessen.“

Davon ist auszugehen. Für Matthias Ginter war es im 29. Länderspiel das erste Tor überhaupt. Es war kein ganz unwichtiges, weil es sein Team kurz vor der Pause gegen die ultradefensiven Weißrussen mit 1:0 in Führung brachte, und noch dazu traf Ginter in dem Stadion, in dem er auch als Vereinsspieler seiner Arbeit nachgeht.

Wenn ein Abwehrspieler ein Tor erzielt, sagt das nicht zwingend etwas über die Qualität seines Spiels aus. In diesem Falle aber durfte man Ginters Treffer durchaus als Indiz werten. Als Indiz für sein neues Selbstvertrauen, zu dem vermutlich auch die Tabellenführung mit Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga beigetragen hat; aber auch als Indiz für den gesteigerten Wert, den er inzwischen in der Nationalmannschaft genießt.

"Er steht für Seriosität und Zuverlässigkeit"

Dass Ginter im Borussia-Park die Rolle des Abwehrchefs innehatte, war unschwer zu erkennen. Von der ersten Minute an trat er überaus selbstbewusst auf, vor allem im Spiel nach vorne. Verteidiger schien er nur pro forma zu sein, seine tatsächliche Position schwankte zwischen Achter und Zehner. „Es war klar, dass wir viel den Ball haben werden, dass wir auch viel in der gegnerischen Hälfte den Ball haben werden“, erklärte Ginter. Deshalb sei es wichtig gewesen, „dass man als Innenverteidiger nicht irgendwo hinten parkt, sondern versucht sich einzuschalten“.

Natürlich profitiert Ginter aktuell von der Personalsituation in der Nationalmannschaft. Mats Hummels und Jerome Boateng, zwei echte Größen, sind von Bundestrainer Joachim Löw Anfang des Jahres aussortiert worden, durch die Verletzungen von Niklas Süle und Antonio Rüdiger hat sich eine zusätzliche Vakanz ergeben.

Ein Auftritt wie gegen die Weißrussen zeigt, dass Ginter seine Chance nicht nur erkannt hat, sondern auch gewillt ist, sie zu nutzen. „Er steht für Seriosität und Zuverlässigkeit“, sagte der Bundestrainer. „Er macht’s gut im Spielaufbau.“ Gegen eine Mannschaft wie Weißrussland, die ihren Bus vor dem Tor geparkt habe, „brauchst du Abwehrspieler, die Einfälle nach vorne haben. Das hat er toll gemacht.“

Mehr als nur Verteidiger. Matthias Ginter turnte am Samstag überall im Mittelfeld herum.
Mehr als nur Verteidiger. Matthias Ginter turnte am Samstag überall im Mittelfeld herum.

© Ina Fassbender/AFP

Löw hat immer noch das Gefühl, dass Ginter gelegentlich unterschätzt wird. Auch in der Nationalmannschaft war er nie unangefochten. Sowohl 2014 als auch 2018 gehörte Ginter zwar zum deutschen WM-Aufgebot; allerdings blieb er beide Male ohne Einsatz. Und 2016 bei der Europameisterschaft stand er nicht mal im Kader. Erst seit der verkorksten Weltmeisterschaft 2018 ist der Gladbacher eine feste Größe bei Bundestrainer Löw. Von den fünfzehn Länderspielen seitdem hat Ginter elf bestritten – alle von Anfang an. In den ersten vier Jahren seit seinem Debüt für die Nationalelf im März 2014 waren es lediglich dreizehn Startelfeinsätze.

Der Auftritt gegen Weißrussland dürfte Ginters Stellung noch einmal gefestigt haben. Der Innenverteidiger war an drei der vier Tore zumindest mittelbar beteiligt: Das erste erzielte er selbst, das dritte leitete er mit einem Ballgewinn und dem Pass auf Toni Kroos ein, und beim zweiten ließ er den Ball für den Torschützen Leon Goretzka passieren. „Da hat er eine richtig gute Entscheidung getroffen“, sagte Goretzka. „Das zeigt auch eine gewisse Qualität.“

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