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In der Kritik: Bundestrainer Joachim Löw

© AFP/Ronny Hartmann

Nationalmannschaft nach 0:6 in Spanien: Joachim Löw bleibt nur noch die Hintertür

Das historische Debakel in Sevilla war ein Totalversagen – auch des Bundestrainers. Löw hat nicht gespürt, wann die richtige Zeit war, zu gehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Michael Rosentritt

Wo fängt man an, nach einem solchen Debakel? Und das war es ja, dieses 0:6 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Dienstagabend in Sevilla. Und wo hört man auf? Bei der Analyse, die man jetzt erst mal in aller Ruhe vornehmen müsse, wie Bundestrainer Joachim Löw sagte?

Nein, eine solche braucht es nicht, nicht nach dieser Demütigung. Die deutsche Nationalmannschaft trat mit dem Besten (Joshua Kimmich ausgenommen) an, was der Fußball hierzulande zu bieten hat. Und war doch so aussichtslos verloren. In aller Ruhe? Iwo. Es kann jetzt keine Ruhe geben.

Sicher, es war nur ein Fußballspiel. Noch dazu in einem Wettbewerb, dem weder hier noch in anderen großen Fußballnationen besondere Bedeutung beigemessen wird. Und doch ist es Fußball, des Deutschen liebstes Kind. Corona hin oder her.

Man erinnere sich nur an den März 2006. Kurz  vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land. Nach einer 1:4-Niederlage in Italien, die später als das Fiasko von Florenz in die Geschichte des deutschen Fußballs eingehen sollte, beabsichtigten tatsächlich nicht gerade wenige Hinterbänkler des deutschen Bundestages, den damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor denselben zu zitieren. Drei Monate später lag sich die Nation sommermärchenhaft in den Armen.

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Keine Mannschaft

Um die historische Dimension einordnen zu können: Das 0:6 von Dienstagabend, das Debakel von Sevilla, ist die höchste Niederlage einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft seit dem 24. Mai 1931. Damals unterlag Deutschland 0:6 gegen Österreich in Berlin. 89 Jahre her, ein mächtig stolzes Leben lang. Hertha BSC war Deutscher Meister und Max Schmeling Weltmeister im Schwergewicht. Ewigkeiten.

Das 0:6 gegen Spanien wird nachschwingen, so entsetzlich es mitanzusehen war. Und ja, man kann gegen Spanien verlieren, aber nicht so. Wehrlos, körperlos, systemlos. Und am schlimmsten: ohne eine Mannschaft zu sein. Von außen, vom Trainer, kamen keine Impulse. Zu keiner Zeit. Oder die falschen. Ein Totalversagen.

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Wenigstens haben sich nun die dunklen Wolken verzogen, die sich über die Mannschaft seit dem desaströsen WM-Aus vor zwei Jahren in Russland geschoben hätten, wie Oliver Bierhoff, der Verkäufer des Ganzen, jüngst bejammerte. Jetzt ist der Blick frei.

„Wir müssen irgendwie zurückschlagen“, sagte  Löw noch in der spanischen Nacht. Irgendwie? Irgendwie!

Die deutsche Mannschaft, und  mit ihr der deutsche Fußball, haben mehr verloren als nur ein Spiel. Der deutsche Fußball hat Zeit verloren. Wertvolle Zeit. Das vielleicht höchste Gut der Gegenwart.

Der deutsche Fußball hat Zeit verloren, weil seine Spitze, die Verbandsführung, sich Zeit gelassen hat seit der vergeigten WM 2018 in der wichtigsten Personalie – der des Trainers – und sich an eine alte Idee geklammert hat. Und Löw hat sich Zeit gelassen, weil er sich in das Amt verliebt hatte und es durfte.

Löw hat idealen Zeitpunkt zum Abschied verpasst

Der 60 Jahre alte Löw kann und wird nicht mehr der große Erneuerer sein. Er hat seine Verdienste – und seinen Verschleiß. Und er ist in dieser Branche weiß Gott nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, dem das widerfährt. Es gibt Spieler wie Trainer, große und besondere, die davon berichten können. Und werden.

Wo fängt man an, und wo hört man auf? Es ist offensichtlich, dass Joachim Löw nicht das Optimum aus dieser durchaus spannenden Mannschaft herauszuholen vermag. Und so schwebt über dem Debakel von Sevilla auch eine gewisse Tragik. Es ist die Tragik all jener, die nicht spüren, wann es Zeit zu gehen ist. Den idealen Zeitpunkt, um durch das große Tor zu gehen, hat Löw verpasst. Jetzt bleibt ihm nur die Hintertür.

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