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Der Vorspieler. Julian Draxler führte die deutsche Mannschaft beim 7:0 gegen San Marino an und erzielte auch das erste Tor.

© dpa

Nationalmannschaft: Julian Draxlers Lernziel: Führungsspieler

Der 23 Jahre alte Julian Draxler darf sich beim Confed-Cup in Russland als Kapitän in einer ungewohnten Rolle versuchen.

Julian Draxler hat es am Dienstag auf die Titelseite der größten Boulevardzeitung des Landes gebracht. Dass es ihm besonders gefallen hat, davon ist erst einmal nicht auszugehen. Ein Paparazzi- Foto zeigt den Fußball-Nationalspieler mit nacktem Oberkörper in inniger Umarmung mit einer jungen Frau im Bikini. Daneben steht die Schlagzeile: „Jogis Kapitän knutscht fremd!“ Jogis Kapitän – daran muss man sich bei Draxler erst noch gewöhnen.

Am Donnerstag wird die deutsche Nationalmannschaft von Frankfurt am Main zum Confed-Cup nach Russland aufbrechen, und angeführt wird die Mannschaft dann nicht etwa von Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels oder Toni Kroos – sondern von Julian Draxler. Das folgt zum einen einer urdeutschen Tradition aus Herbergers Zeiten. Denn mit 30 Länderspielen ist der 23-Jährige der Erfahrenste im Aufgebot von Bundestrainer Joachim Löw, das sich am Dienstag auf 21 Spieler reduzierte. Diego Demme von RB Leipzig fällt wegen Rückenproblemen aus, Löw verzichtet jedoch auf eine Nachnominierung. In Draxlers Fall steckt aber noch ein bisschen mehr dahinter als das bloße Festhalten an bewährten Gebräuchen. Löw hat sich ganz bewusst für den offensiven Mittelfeldspieler des französischen Erstligisten Paris St. Germain als Kapitän entschieden.

Draxler ist einer von drei Weltmeistern im Kader für den Confed-Cup. Vor allem aber ist er das prominenteste Gesicht der Next Generation im deutschen Fußball, die in Russland schon mal ein bisschen den Ernstfall proben darf. Der eigentliche Stamm der Nationalmannschaft geht auf die 30 zu, Neuer und Khedira haben diesen runden Geburtstag sogar schon hinter sich. Da kann es nicht verkehrt sein, dass der Bundestrainer bereits einen ersten Blick in die Zukunft wagt. Julian Draxler nimmt qua seiner fußballerischen Begabung und auch seiner Erfahrungen eine wichtige Rolle ein. Löw sieht in ihm einen Kandidaten, der „die Mannschaft anführen kann“, wenn Neuer, Khedira und Hummels einmal aufhören.

Draxler besitzt hierzulande noch den Status als Talent

„Ich weiß in etwa, wo es langgeht, und freue mich zu helfen“, sagt Draxler, dessen Talent seit Jahren bekannt ist. Schon 2012 gehörte er mit gerade 18 zum vorläufigen Kader für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Damals wurde er im letzten Schritt noch aus dem Aufgebot gestrichen. Zwei Jahre später, bei der WM in Brasilien, war er dann fest dabei. Sein Beitrag zum Titelgewinn fiel mit 15 Spielminuten allerdings überschaubar aus: Im Halbfinale gegen Brasilien wurde er beim Stand von 6:0 eingewechselt. Im vorigen Sommer, bei der EM in Frankreich, sah es zunächst nach einer Fortsetzung aus. Nach zwei eher unauffälligen Startelfeinsätzen zu Turnierbeginn verlor Draxler zunächst einmal seinen Stammplatz – ehe er sich im Achtelfinale gegen die Slowakei mit einem starken Auftritt zurückmeldete.

Trotz solcher Leistungen besitzt Draxler in Deutschland immer noch den Status als Talent, was unter anderem mit seiner etwas schrägen Karriereplanung zusammenhängt. Von seinem Heimatverein Schalke 04 wechselte er 2015 zum Ligakonkurrenten VfL Wolfsburg, den er aber wohl nur als Sprungbrett zu einem größeren Verein zu nutzen gedachte. Als Draxler allerdings schon nach seiner ersten Saison wieder wechseln wollte, stellte sich der VfL quer. Ein halbes Jahr später stimmte der Klub dem Transfer nach Paris zu – für eine Ablöse von rund 40 Millionen Euro.

Mit Paris verpasste er den Meistertitel

Draxlers sportliche Bilanz in Frankreich fällt nach seinem ersten halben Jahr durchwachsen aus. PSG gewann zwar den nationalen Pokal; für die Millionentruppe aber war das allenfalls ein besserer Trostpreis. In der League 1 wurde die Mannschaft nur Zweiter, und in der Champions League scheiterte sie im Achtelfinale auf dramatische Weise am FC Barcelona. Nach einem 4:0-Sieg im Hinspiel schied PSG durch ein Tor in letzter Minute zum 1:6 doch noch aus. Trotzdem sagt Draxler: „Ich fühle mich in Paris wohl. Unabhängig davon, wie groß oder klein Wolfsburg oder Gelsenkirchen sind: Ich bin bei Paris St. Germain einfach gut aufgehoben. Sowohl sportlich als auch vom Umfeld in der Stadt gefällt es mir gut.“

Der Confed-Cup ist für Draxler auch die Möglichkeit, sein Image in der Heimat, das durch die Umstände seines Wechsels gelitten hat, etwas aufzuhübschen. Dass er die Kapitänsbinde trägt, gibt ihm zudem die Gelegenheit, sich eine neue Ernsthaftigkeit zuzulegen. Am Samstag ist Draxler bereits entschlossen vorangegangen, als er die Nationalelf im WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino (7:0) früh mit 1:0 in Führung schoss. „Durch die Kapitänsbinde hat man ein bisschen mehr Verantwortung übertragen bekommen“, sagt Draxler. „Aber ich bin jetzt nicht von heute auf morgen ein anderer Mensch geworden, der auf einmal in der Kabine eine 20-minütige Ansprache hält.“

Wogegen sich Julian Draxler allerdings nicht wehren kann: Durch die Kapitänsbinde wird er jetzt ein bisschen anders gesehen. (Tsp/dpa)

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